gut einstudirt. Die drei hervorstechendsten Red- ner sind O'Connel, Shiel und Lawles, auch Mr. Fin und M. Ford sprechen gut und mit vielem per- sönlichen Anstande. Shiel ist ein Mann von Welt mit noch mehr Unbefangenheit und Aisance in der Gesellschaft als O'Connel, aber als Redner erschien er mir viel zu affectirt, zu künstlich, und prä- parirt in dem was er sagte, dabei ganz Schau- spielermäßig, ohne alles wahre Gefühl in der deli- very seiner Rede, wie es die Engländer bezeichnend nennen. Es wundert mich nicht, daß er, ohngeach- tet seines nicht unbedeutenden Talents, so viel we- niger populair ist, als O'Connel. Beide Männer sind sehr eitel -- die Eitelkeit O'Connels ist aber offner, vertrauender und bereits zufriedener gestellt, die von Shiel hingegen peinlich, wund und finster. Der Eine ist daher, die eigne Parthei betreffend, so zu sagen, in Honig, der Andere in Galle getaucht, und der Letzte, obgleich für dieselbe Sache streitend, sichtlich eifersüchtig auf den Kollegen, den er mit Unrecht zu übersehen glaubt. Herr C...s dagegen ist nur der Don Quixotte der Association. Sein schöner Kopf, sein weißes Haar, sein wilder, aber edler, Anstand und ein herrliches Organ, lassen, wenn er auftritt, Außerordentliches erwarten, aber bald löst sich die ernst begonnene Rede in die un- glaublichsten Extravaganzen, und oft ganz verwirr- ten Unsinn auf, welcher Freund und Feind mit glei- cher Wuth angreift. Man achtet ihn daher wenig, lacht ihn oft aus, wenn er, wie König Lear, raset,
gut einſtudirt. Die drei hervorſtechendſten Red- ner ſind O’Connel, Shiel und Lawles, auch Mr. Fin und M. Ford ſprechen gut und mit vielem per- ſönlichen Anſtande. Shiel iſt ein Mann von Welt mit noch mehr Unbefangenheit und Aiſance in der Geſellſchaft als O’Connel, aber als Redner erſchien er mir viel zu affectirt, zu künſtlich, und prä- parirt in dem was er ſagte, dabei ganz Schau- ſpielermäßig, ohne alles wahre Gefühl in der deli- very ſeiner Rede, wie es die Engländer bezeichnend nennen. Es wundert mich nicht, daß er, ohngeach- tet ſeines nicht unbedeutenden Talents, ſo viel we- niger populair iſt, als O’Connel. Beide Männer ſind ſehr eitel — die Eitelkeit O’Connels iſt aber offner, vertrauender und bereits zufriedener geſtellt, die von Shiel hingegen peinlich, wund und finſter. Der Eine iſt daher, die eigne Parthei betreffend, ſo zu ſagen, in Honig, der Andere in Galle getaucht, und der Letzte, obgleich für dieſelbe Sache ſtreitend, ſichtlich eiferſüchtig auf den Kollegen, den er mit Unrecht zu überſehen glaubt. Herr C…s dagegen iſt nur der Don Quixotte der Aſſociation. Sein ſchöner Kopf, ſein weißes Haar, ſein wilder, aber edler, Anſtand und ein herrliches Organ, laſſen, wenn er auftritt, Außerordentliches erwarten, aber bald löst ſich die ernſt begonnene Rede in die un- glaublichſten Extravaganzen, und oft ganz verwirr- ten Unſinn auf, welcher Freund und Feind mit glei- cher Wuth angreift. Man achtet ihn daher wenig, lacht ihn oft aus, wenn er, wie König Lear, raſet,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0206"n="184"/>
gut einſtudirt. Die drei hervorſtechendſten Red-<lb/>
ner ſind O’Connel, Shiel und Lawles, auch Mr.<lb/>
Fin und M. Ford ſprechen gut und mit vielem per-<lb/>ſönlichen Anſtande. Shiel iſt ein Mann von Welt<lb/>
mit noch mehr Unbefangenheit und Aiſance in der<lb/>
Geſellſchaft als O’Connel, aber als Redner erſchien<lb/>
er mir viel zu affectirt, zu künſtlich, und prä-<lb/>
parirt in dem was er ſagte, dabei ganz Schau-<lb/>ſpielermäßig, ohne alles wahre Gefühl in der <hirendition="#aq">deli-<lb/>
very</hi>ſeiner Rede, wie es die Engländer bezeichnend<lb/>
nennen. Es wundert mich nicht, daß er, ohngeach-<lb/>
tet ſeines nicht unbedeutenden Talents, ſo viel we-<lb/>
niger populair iſt, als O’Connel. Beide Männer ſind<lb/>ſehr eitel — die Eitelkeit O’Connels iſt aber offner,<lb/>
vertrauender und bereits zufriedener geſtellt, die von<lb/>
Shiel hingegen peinlich, wund und finſter. Der<lb/>
Eine iſt daher, die eigne Parthei betreffend, ſo zu<lb/>ſagen, in Honig, der Andere in Galle getaucht, und<lb/>
der Letzte, obgleich für dieſelbe Sache ſtreitend,<lb/>ſichtlich eiferſüchtig auf den Kollegen, den er mit<lb/>
Unrecht zu überſehen glaubt. Herr C…s dagegen<lb/>
iſt nur der Don Quixotte der Aſſociation. Sein<lb/><choice><sic>ſchȯner</sic><corr>ſchöner</corr></choice> Kopf, ſein weißes Haar, ſein wilder, aber<lb/>
edler, Anſtand und ein herrliches Organ, laſſen,<lb/>
wenn er auftritt, Außerordentliches erwarten, aber<lb/>
bald löst ſich die ernſt begonnene Rede in die un-<lb/>
glaublichſten Extravaganzen, und oft ganz verwirr-<lb/>
ten Unſinn auf, welcher Freund und Feind mit glei-<lb/>
cher Wuth angreift. Man achtet ihn daher wenig,<lb/>
lacht ihn oft aus, wenn er, wie König Lear, raſet,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[184/0206]
gut einſtudirt. Die drei hervorſtechendſten Red-
ner ſind O’Connel, Shiel und Lawles, auch Mr.
Fin und M. Ford ſprechen gut und mit vielem per-
ſönlichen Anſtande. Shiel iſt ein Mann von Welt
mit noch mehr Unbefangenheit und Aiſance in der
Geſellſchaft als O’Connel, aber als Redner erſchien
er mir viel zu affectirt, zu künſtlich, und prä-
parirt in dem was er ſagte, dabei ganz Schau-
ſpielermäßig, ohne alles wahre Gefühl in der deli-
very ſeiner Rede, wie es die Engländer bezeichnend
nennen. Es wundert mich nicht, daß er, ohngeach-
tet ſeines nicht unbedeutenden Talents, ſo viel we-
niger populair iſt, als O’Connel. Beide Männer ſind
ſehr eitel — die Eitelkeit O’Connels iſt aber offner,
vertrauender und bereits zufriedener geſtellt, die von
Shiel hingegen peinlich, wund und finſter. Der
Eine iſt daher, die eigne Parthei betreffend, ſo zu
ſagen, in Honig, der Andere in Galle getaucht, und
der Letzte, obgleich für dieſelbe Sache ſtreitend,
ſichtlich eiferſüchtig auf den Kollegen, den er mit
Unrecht zu überſehen glaubt. Herr C…s dagegen
iſt nur der Don Quixotte der Aſſociation. Sein
ſchöner Kopf, ſein weißes Haar, ſein wilder, aber
edler, Anſtand und ein herrliches Organ, laſſen,
wenn er auftritt, Außerordentliches erwarten, aber
bald löst ſich die ernſt begonnene Rede in die un-
glaublichſten Extravaganzen, und oft ganz verwirr-
ten Unſinn auf, welcher Freund und Feind mit glei-
cher Wuth angreift. Man achtet ihn daher wenig,
lacht ihn oft aus, wenn er, wie König Lear, raſet,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/206>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.