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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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physische Unmöglichkeit. Indem ich mir aber hier-
durch in den äußersten Fällen eine sichere
Stütze
schaffe, siehst Du ein, daß ich zugleich eine
furchtbare Waffe zum Angriff erhalte, wenn ich
gezwungen würde, sie anzuwenden, so kleinlich auch
das Mittel Manchem dünken mag. Ich dagegen
finde es schön: daß der Mensch solche Dinge sich aus
nichts, oder dem Trivialsten, selbst schaffen kann, nur
durch seinen hierin wahrhaft allmächtig zu nennen-
den Willen!

Ob Du, gute Julie, dies Raisonnement nicht ver-
wegen und tadelnswerth finden wirst, mag ich nicht
verbürgen, ja für ein Weib wäre es auch nicht ge-
macht, und ein ganz kräftiger Geist hätte es viel-
leicht eben so wenig nöthig. Jeder muß sich aber
nach seiner Natur einrichten, und so wie noch Nie-
mand das Geheimniß erfand, ein Rohr wie eine
Eiche, oder einen Kohlkopf wie eine Ananas wachsen
zu lassen, so werden auch Menschen sich immer, wie
das gemeine, aber gute, Sprüchwort sagt: nach ihrer
Decke strecken müssen. Wohl dem, der sich nicht mehr
zutraut als er kann! Ohne es übrigens so tragisch
zu nehmen, dient das große Mittel auch ganz vor-
trefflich bei Kleinigkeiten. Z. B. unerträglich lang-
weilige Gesellschaftspflichten als gelassenes Opfer zu
erfüllen -- die Faulheit zu besiegen, um eine immer
aufgeschobene Arbeit endlich gewaltsam zu erledigen
-- sich eine wohlthätige Enthaltsamkeit aufzulegen,
um nachher desto besser zu genießen -- und viel,

phyſiſche Unmöglichkeit. Indem ich mir aber hier-
durch in den äußerſten Fällen eine ſichere
Stütze
ſchaffe, ſiehſt Du ein, daß ich zugleich eine
furchtbare Waffe zum Angriff erhalte, wenn ich
gezwungen würde, ſie anzuwenden, ſo kleinlich auch
das Mittel Manchem dünken mag. Ich dagegen
finde es ſchön: daß der Menſch ſolche Dinge ſich aus
nichts, oder dem Trivialſten, ſelbſt ſchaffen kann, nur
durch ſeinen hierin wahrhaft allmächtig zu nennen-
den Willen!

Ob Du, gute Julie, dies Raiſonnement nicht ver-
wegen und tadelnswerth finden wirſt, mag ich nicht
verbürgen, ja für ein Weib wäre es auch nicht ge-
macht, und ein ganz kräftiger Geiſt hätte es viel-
leicht eben ſo wenig nöthig. Jeder muß ſich aber
nach ſeiner Natur einrichten, und ſo wie noch Nie-
mand das Geheimniß erfand, ein Rohr wie eine
Eiche, oder einen Kohlkopf wie eine Ananas wachſen
zu laſſen, ſo werden auch Menſchen ſich immer, wie
das gemeine, aber gute, Sprüchwort ſagt: nach ihrer
Decke ſtrecken müſſen. Wohl dem, der ſich nicht mehr
zutraut als er kann! Ohne es übrigens ſo tragiſch
zu nehmen, dient das große Mittel auch ganz vor-
trefflich bei Kleinigkeiten. Z. B. unerträglich lang-
weilige Geſellſchaftspflichten als gelaſſenes Opfer zu
erfüllen — die Faulheit zu beſiegen, um eine immer
aufgeſchobene Arbeit endlich gewaltſam zu erledigen
— ſich eine wohlthätige Enthaltſamkeit aufzulegen,
um nachher deſto beſſer zu genießen — und viel,

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[188/0210] phyſiſche Unmöglichkeit. Indem ich mir aber hier- durch in den äußerſten Fällen eine ſichere Stütze ſchaffe, ſiehſt Du ein, daß ich zugleich eine furchtbare Waffe zum Angriff erhalte, wenn ich gezwungen würde, ſie anzuwenden, ſo kleinlich auch das Mittel Manchem dünken mag. Ich dagegen finde es ſchön: daß der Menſch ſolche Dinge ſich aus nichts, oder dem Trivialſten, ſelbſt ſchaffen kann, nur durch ſeinen hierin wahrhaft allmächtig zu nennen- den Willen! Ob Du, gute Julie, dies Raiſonnement nicht ver- wegen und tadelnswerth finden wirſt, mag ich nicht verbürgen, ja für ein Weib wäre es auch nicht ge- macht, und ein ganz kräftiger Geiſt hätte es viel- leicht eben ſo wenig nöthig. Jeder muß ſich aber nach ſeiner Natur einrichten, und ſo wie noch Nie- mand das Geheimniß erfand, ein Rohr wie eine Eiche, oder einen Kohlkopf wie eine Ananas wachſen zu laſſen, ſo werden auch Menſchen ſich immer, wie das gemeine, aber gute, Sprüchwort ſagt: nach ihrer Decke ſtrecken müſſen. Wohl dem, der ſich nicht mehr zutraut als er kann! Ohne es übrigens ſo tragiſch zu nehmen, dient das große Mittel auch ganz vor- trefflich bei Kleinigkeiten. Z. B. unerträglich lang- weilige Geſellſchaftspflichten als gelaſſenes Opfer zu erfüllen — die Faulheit zu beſiegen, um eine immer aufgeſchobene Arbeit endlich gewaltſam zu erledigen — ſich eine wohlthätige Enthaltſamkeit aufzulegen, um nachher deſto beſſer zu genießen — und viel,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/210>, abgerufen am 22.11.2024.