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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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dünnere Platte verwandelt. Diese Platte geht nun
denselben Weg wieder ins Feuer zurück, wird dann
von Neuem gewalzt, und so fort, bis sie so dünn wie
Papier ist. Nun werden die Platten erst in die ih-
nen bestimmte definitive Form geschnitten, hierauf
geschlagen, und gereinigt, welches noch einmal Feuer,
nebst gewissen andern Zuthaten, erfordert. Dann
kommen sie in ein zweites Haus, wo sie in Vitriol
und Sand gewaschen, nachber in das mit Fett flüßig
erhaltne Zinn getaucht, und zuletzt von Weibern mit
Kley sauber gereinigt und so schön polirt werden,
daß man sich darin spiegeln kann. Eine solche Fabrik
ist wie eine Welt im Kleinen. Man sieht, hier wie
dort, das Höchste und Niedrigste zugleich bestehen,
und doch auch den mühsamen Durchgang eines Je-
den durch alle Grade, und wie nach und nach das
Grobe zum Feinsten wird.

Auf halbem Wege verwandelte sich, wie gestern, die
freundliche Gegend, in ernstere Felsen, und da, wo
sich ein tiefer Kessel verschieden geformter Berge bil-
det, erblickten wir in dessen Mittelpunkt, hart über
dem silbernen Strome sich erhebend, die berühmte
Ruine von Tintern Abbey. Eine vortheilhaftere Lage
und imposantere Ueberreste eines weiten, alten Klo-
sters, lassen sich kaum denken, ja der Eintritt in die-
selben gleicht ganz einer phantastischen Theaterdeco-
ration. Die große Kirche steht fast noch ganz erhal-
ten, nur einige ihrer Pfeiler und das Dach fehlen.
Die Gebäude sind von menschlicher Hand grade

dünnere Platte verwandelt. Dieſe Platte geht nun
denſelben Weg wieder ins Feuer zurück, wird dann
von Neuem gewalzt, und ſo fort, bis ſie ſo dünn wie
Papier iſt. Nun werden die Platten erſt in die ih-
nen beſtimmte definitive Form geſchnitten, hierauf
geſchlagen, und gereinigt, welches noch einmal Feuer,
nebſt gewiſſen andern Zuthaten, erfordert. Dann
kommen ſie in ein zweites Haus, wo ſie in Vitriol
und Sand gewaſchen, nachber in das mit Fett flüßig
erhaltne Zinn getaucht, und zuletzt von Weibern mit
Kley ſauber gereinigt und ſo ſchön polirt werden,
daß man ſich darin ſpiegeln kann. Eine ſolche Fabrik
iſt wie eine Welt im Kleinen. Man ſieht, hier wie
dort, das Höchſte und Niedrigſte zugleich beſtehen,
und doch auch den mühſamen Durchgang eines Je-
den durch alle Grade, und wie nach und nach das
Grobe zum Feinſten wird.

Auf halbem Wege verwandelte ſich, wie geſtern, die
freundliche Gegend, in ernſtere Felſen, und da, wo
ſich ein tiefer Keſſel verſchieden geformter Berge bil-
det, erblickten wir in deſſen Mittelpunkt, hart über
dem ſilbernen Strome ſich erhebend, die berühmte
Ruine von Tintern Abbey. Eine vortheilhaftere Lage
und impoſantere Ueberreſte eines weiten, alten Klo-
ſters, laſſen ſich kaum denken, ja der Eintritt in die-
ſelben gleicht ganz einer phantaſtiſchen Theaterdeco-
ration. Die große Kirche ſteht faſt noch ganz erhal-
ten, nur einige ihrer Pfeiler und das Dach fehlen.
Die Gebäude ſind von menſchlicher Hand grade

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[255/0277] dünnere Platte verwandelt. Dieſe Platte geht nun denſelben Weg wieder ins Feuer zurück, wird dann von Neuem gewalzt, und ſo fort, bis ſie ſo dünn wie Papier iſt. Nun werden die Platten erſt in die ih- nen beſtimmte definitive Form geſchnitten, hierauf geſchlagen, und gereinigt, welches noch einmal Feuer, nebſt gewiſſen andern Zuthaten, erfordert. Dann kommen ſie in ein zweites Haus, wo ſie in Vitriol und Sand gewaſchen, nachber in das mit Fett flüßig erhaltne Zinn getaucht, und zuletzt von Weibern mit Kley ſauber gereinigt und ſo ſchön polirt werden, daß man ſich darin ſpiegeln kann. Eine ſolche Fabrik iſt wie eine Welt im Kleinen. Man ſieht, hier wie dort, das Höchſte und Niedrigſte zugleich beſtehen, und doch auch den mühſamen Durchgang eines Je- den durch alle Grade, und wie nach und nach das Grobe zum Feinſten wird. Auf halbem Wege verwandelte ſich, wie geſtern, die freundliche Gegend, in ernſtere Felſen, und da, wo ſich ein tiefer Keſſel verſchieden geformter Berge bil- det, erblickten wir in deſſen Mittelpunkt, hart über dem ſilbernen Strome ſich erhebend, die berühmte Ruine von Tintern Abbey. Eine vortheilhaftere Lage und impoſantere Ueberreſte eines weiten, alten Klo- ſters, laſſen ſich kaum denken, ja der Eintritt in die- ſelben gleicht ganz einer phantaſtiſchen Theaterdeco- ration. Die große Kirche ſteht faſt noch ganz erhal- ten, nur einige ihrer Pfeiler und das Dach fehlen. Die Gebäude ſind von menſchlicher Hand grade

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/277>, abgerufen am 22.11.2024.