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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Die üble Angewohnheit im Bett zu lesen, hat mir
diese Nacht ein lächerliches Unglück zugezogen. Mein
Haar nämlich fing unbemerkt Feuer, und ich mußte
den Kopf in die Bettdecken wickeln, um es zu löschen.
Schrecklich ist der angerichtete Schaden, denn die
ganze eine Kopfhaarhälfte ist vernichtet, so daß ich
mich über und über fast kahl habe scheeren lassen
müssen. Glücklicherweise besteht meine Stärke nicht
in den Haaren.

Ein Brief von Dir tröstete mich beim Erwachen.
Deine Fabel von der Nachtigall ist herrlich. Hätte
L . . . . das bedacht, und sich im zwanzigsten Jahre
gesagt: Sey todt für die Welt bis zu Deinem fünf
und dreißigsten, wie glänzend und glücklich könnte er
jetzt (NB. nach dem Maßstabe der Welt) darin auf-
treten! Auch ich habe im Lauf dieser Zeit und noch
jetzt oft die Welt und Andere angeklagt, aber bei
Licht besehen, *) ist dies doch eben so thöricht als
ungerecht. Die Welt ist und bleibt einmal die Welt,
und ihr alles Ueble, das uns daraus entgegen kommt,
zurechnen zu wollen, ist dem Kinde zu vergleichen,
welches das Feuer bestrafen will, weil es sich die
Finger daran verbrannt hat. L . . . soll also nichts

*) Es scheint, die Feuersbrunst direkt am Haupt, hat
mich mehr als gewöhnlich erleuchtet.

Die üble Angewohnheit im Bett zu leſen, hat mir
dieſe Nacht ein lächerliches Unglück zugezogen. Mein
Haar nämlich fing unbemerkt Feuer, und ich mußte
den Kopf in die Bettdecken wickeln, um es zu löſchen.
Schrecklich iſt der angerichtete Schaden, denn die
ganze eine Kopfhaarhälfte iſt vernichtet, ſo daß ich
mich über und über faſt kahl habe ſcheeren laſſen
müſſen. Glücklicherweiſe beſteht meine Stärke nicht
in den Haaren.

Ein Brief von Dir tröſtete mich beim Erwachen.
Deine Fabel von der Nachtigall iſt herrlich. Hätte
L . . . . das bedacht, und ſich im zwanzigſten Jahre
geſagt: Sey todt für die Welt bis zu Deinem fünf
und dreißigſten, wie glänzend und glücklich könnte er
jetzt (NB. nach dem Maßſtabe der Welt) darin auf-
treten! Auch ich habe im Lauf dieſer Zeit und noch
jetzt oft die Welt und Andere angeklagt, aber bei
Licht beſehen, *) iſt dies doch eben ſo thöricht als
ungerecht. Die Welt iſt und bleibt einmal die Welt,
und ihr alles Ueble, das uns daraus entgegen kommt,
zurechnen zu wollen, iſt dem Kinde zu vergleichen,
welches das Feuer beſtrafen will, weil es ſich die
Finger daran verbrannt hat. L . . . ſoll alſo nichts

*) Es ſcheint, die Feuersbrunſt direkt am Haupt, hat
mich mehr als gewöhnlich erleuchtet.
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[284/0306] Den 26ſten. Die üble Angewohnheit im Bett zu leſen, hat mir dieſe Nacht ein lächerliches Unglück zugezogen. Mein Haar nämlich fing unbemerkt Feuer, und ich mußte den Kopf in die Bettdecken wickeln, um es zu löſchen. Schrecklich iſt der angerichtete Schaden, denn die ganze eine Kopfhaarhälfte iſt vernichtet, ſo daß ich mich über und über faſt kahl habe ſcheeren laſſen müſſen. Glücklicherweiſe beſteht meine Stärke nicht in den Haaren. Ein Brief von Dir tröſtete mich beim Erwachen. Deine Fabel von der Nachtigall iſt herrlich. Hätte L . . . . das bedacht, und ſich im zwanzigſten Jahre geſagt: Sey todt für die Welt bis zu Deinem fünf und dreißigſten, wie glänzend und glücklich könnte er jetzt (NB. nach dem Maßſtabe der Welt) darin auf- treten! Auch ich habe im Lauf dieſer Zeit und noch jetzt oft die Welt und Andere angeklagt, aber bei Licht beſehen, *) iſt dies doch eben ſo thöricht als ungerecht. Die Welt iſt und bleibt einmal die Welt, und ihr alles Ueble, das uns daraus entgegen kommt, zurechnen zu wollen, iſt dem Kinde zu vergleichen, welches das Feuer beſtrafen will, weil es ſich die Finger daran verbrannt hat. L . . . ſoll alſo nichts *) Es ſcheint, die Feuersbrunſt direkt am Haupt, hat mich mehr als gewöhnlich erleuchtet.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/306>, abgerufen am 22.11.2024.