Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.begleitete ihn der General als Gesandtschafts-Se- des Erzählers und mehrerer andern Militärs, dem
Marschall Massena scherzhafte Vorwürfe, daß er nie ohne Weiber leben könne. "Ich begreife dies weich- liche Wesen nicht," sagte der Kaiser. "So lange ich in Italien kommandirte, ließ ich mir nie eine Frau zu nahe kommen, um mich nicht von wichtigeren Din- gen zu zerstreuen, mais j'ai ma saison comme les chiens, setzte er hinzu, 'et j'attends j'usques la." Der General versicherte, daß seitdem, wenn man bei Hofe eine besondere Disposition zur Eifersucht bei der Kaiserin Josephine bemerkte, die Höflinge sich lächelnd zuzurufen pflegten: Ah! l'Empereur est dans sa saison. begleitete ihn der General als Geſandtſchafts-Se- des Erzählers und mehrerer andern Militärs, dem
Marſchall Maſſena ſcherzhafte Vorwürfe, daß er nie ohne Weiber leben könne. „Ich begreife dies weich- liche Weſen nicht,“ ſagte der Kaiſer. „So lange ich in Italien kommandirte, ließ ich mir nie eine Frau zu nahe kommen, um mich nicht von wichtigeren Din- gen zu zerſtreuen, mais j’ai ma saison comme les chiens, ſetzte er hinzu, ’et j’attends j’usques là.“ Der General verſicherte, daß ſeitdem, wenn man bei Hofe eine beſondere Dispoſition zur Eiferſucht bei der Kaiſerin Joſephine bemerkte, die Höflinge ſich lächelnd zuzurufen pflegten: Ah! l’Empereur est dans sa saison. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0379" n="357"/> begleitete ihn der General als Geſandtſchafts-Se-<lb/> kretair. Der vorige Geſandte hatte alle Grobheit<lb/> der republikaniſchen Sitten zum höchſten Scandal<lb/> des etikettenreichſten und förmlichſten Hofes der<lb/> Welt, affichirt, und man fürchtete vom Bruder des<lb/> franzöſiſchen Staats-Oberhauptes, eine noch größere<lb/> Arroganz. Lucien hatte indeſſen <hi rendition="#aq">le bon esprits,</hi><lb/> grade das Gegentheil zu thun, erſchien ſogar in<lb/> Schuhen und Haarbeutel, und erfüllte alle Ceremo-<lb/> niel- und Hofpflichten mit ſolcher Pünktlichkeit, daß<lb/> man vor Freuden und Dankbarkeit darüber am Hofe<lb/> in wahres Entzücken gerieth. Lucien wurde nicht<lb/> nur höchſt populair, ſondern der <hi rendition="#g">wahre Liebling</hi><lb/> der ganzen königlichen Familie. Er erwiederte, wie<lb/> mein Erzähler verſicherte, dieſe Freundſchaft aufrich-<lb/> tig, und warnte oft den König wie den Friedens-<lb/> Fürſten ernſtlich, eben ſo ſehr vor der Treuloſigkeit,<lb/><note xml:id="seg2pn_4_2" prev="#seg2pn_4_1" place="foot" n="*)">des Erzählers und mehrerer andern Militärs, dem<lb/> Marſchall Maſſena ſcherzhafte Vorwürfe, daß er nie<lb/> ohne Weiber leben könne. „Ich begreife dies weich-<lb/> liche Weſen nicht,“ ſagte der Kaiſer. „So lange ich<lb/> in Italien kommandirte, ließ ich mir nie eine Frau<lb/> zu nahe kommen, um mich nicht von wichtigeren Din-<lb/> gen zu zerſtreuen, <hi rendition="#aq">mais j’ai ma saison comme les<lb/> chiens,</hi> ſetzte er hinzu, <hi rendition="#aq">’et j’attends j’usques là.</hi>“<lb/> Der General verſicherte, daß ſeitdem, wenn man bei<lb/> Hofe eine beſondere Dispoſition zur Eiferſucht bei<lb/> der Kaiſerin Joſephine bemerkte, die Höflinge ſich<lb/> lächelnd zuzurufen pflegten: <hi rendition="#aq">Ah! l’Empereur est<lb/> dans sa saison.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [357/0379]
begleitete ihn der General als Geſandtſchafts-Se-
kretair. Der vorige Geſandte hatte alle Grobheit
der republikaniſchen Sitten zum höchſten Scandal
des etikettenreichſten und förmlichſten Hofes der
Welt, affichirt, und man fürchtete vom Bruder des
franzöſiſchen Staats-Oberhauptes, eine noch größere
Arroganz. Lucien hatte indeſſen le bon esprits,
grade das Gegentheil zu thun, erſchien ſogar in
Schuhen und Haarbeutel, und erfüllte alle Ceremo-
niel- und Hofpflichten mit ſolcher Pünktlichkeit, daß
man vor Freuden und Dankbarkeit darüber am Hofe
in wahres Entzücken gerieth. Lucien wurde nicht
nur höchſt populair, ſondern der wahre Liebling
der ganzen königlichen Familie. Er erwiederte, wie
mein Erzähler verſicherte, dieſe Freundſchaft aufrich-
tig, und warnte oft den König wie den Friedens-
Fürſten ernſtlich, eben ſo ſehr vor der Treuloſigkeit,
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*) des Erzählers und mehrerer andern Militärs, dem
Marſchall Maſſena ſcherzhafte Vorwürfe, daß er nie
ohne Weiber leben könne. „Ich begreife dies weich-
liche Weſen nicht,“ ſagte der Kaiſer. „So lange ich
in Italien kommandirte, ließ ich mir nie eine Frau
zu nahe kommen, um mich nicht von wichtigeren Din-
gen zu zerſtreuen, mais j’ai ma saison comme les
chiens, ſetzte er hinzu, ’et j’attends j’usques là.“
Der General verſicherte, daß ſeitdem, wenn man bei
Hofe eine beſondere Dispoſition zur Eiferſucht bei
der Kaiſerin Joſephine bemerkte, die Höflinge ſich
lächelnd zuzurufen pflegten: Ah! l’Empereur est
dans sa saison.
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