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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Alle gehen ab, und das Theater verwandelt sich in
eine Bildergallerie mit einem anstoßenden prächtigen
Saale, den man von einer zahlreichen Gesellschaft
angefüllt, hinter einer Säulengallerie, erblickt. Der
Graf im Vordergrunde unterhält sich noch mit den
Regierungsbeamten, welche respektvoll Platz machen,
als der Baron Steevens erscheint, um die Familie
Vandryk vorzustellen, welche er laut die Wohlthäter
der Provinz nennt. Der Graf, sich höflich gegen die
Tochter verneigend, sagt mit Bedeutung: Eine solche
Tugend ziert Jeden, und den Vater fixirend, setzt
er hinzu -- von welchem Stande er auch sey -- wor-
auf er ihm schnell den Rücken kehrt. Vandryk ver-
räth ängstliche Verlegenheit, während der seitwärts
stehende Vathek kein Auge von ihm verwendet, und
seine Tochter ihn ängstlich fragt, ob ihm nicht wohl
sey, da er so plötzlich erblasse? Nichts, nichts, stam-
melt er, ich folge gleich, und legt ihre Hand in die
Friedrichs, der sie zögernd in den Saal führt. Alle
gehen ab, bis auf Vandryk, der, noch halb bewußt-
los die Hand an die Stirne gehalten, stehen bleibt,
und Vathek, der, in einen Winkel zurückgezogen,
wie ein Tiger auf seine Beute zu lauern scheint.
Plötzlich tritt der Ritter hervor, drückt den Hut auf
den Kopf, und Vandryk auf die Schulter schlagend,
ruft er mit lauter Stimme: Unverschämter! der erste
Magistrat Hollands verbietet Euch, sich in seiner
Gegenwart zu Tisch zu setzen. Diese Scene ist von
ergreifender Wirkung. Der Unglückliche sinkt außer

Briefe eines Verstorbenen. II. 24

Alle gehen ab, und das Theater verwandelt ſich in
eine Bildergallerie mit einem anſtoßenden prächtigen
Saale, den man von einer zahlreichen Geſellſchaft
angefüllt, hinter einer Säulengallerie, erblickt. Der
Graf im Vordergrunde unterhält ſich noch mit den
Regierungsbeamten, welche reſpektvoll Platz machen,
als der Baron Steevens erſcheint, um die Familie
Vandryk vorzuſtellen, welche er laut die Wohlthäter
der Provinz nennt. Der Graf, ſich höflich gegen die
Tochter verneigend, ſagt mit Bedeutung: Eine ſolche
Tugend ziert Jeden, und den Vater fixirend, ſetzt
er hinzu — von welchem Stande er auch ſey — wor-
auf er ihm ſchnell den Rücken kehrt. Vandryk ver-
räth ängſtliche Verlegenheit, während der ſeitwärts
ſtehende Vathek kein Auge von ihm verwendet, und
ſeine Tochter ihn ängſtlich fragt, ob ihm nicht wohl
ſey, da er ſo plötzlich erblaſſe? Nichts, nichts, ſtam-
melt er, ich folge gleich, und legt ihre Hand in die
Friedrichs, der ſie zögernd in den Saal führt. Alle
gehen ab, bis auf Vandryk, der, noch halb bewußt-
los die Hand an die Stirne gehalten, ſtehen bleibt,
und Vathek, der, in einen Winkel zurückgezogen,
wie ein Tiger auf ſeine Beute zu lauern ſcheint.
Plötzlich tritt der Ritter hervor, drückt den Hut auf
den Kopf, und Vandryk auf die Schulter ſchlagend,
ruft er mit lauter Stimme: Unverſchämter! der erſte
Magiſtrat Hollands verbietet Euch, ſich in ſeiner
Gegenwart zu Tiſch zu ſetzen. Dieſe Scene iſt von
ergreifender Wirkung. Der Unglückliche ſinkt außer

Briefe eines Verſtorbenen. II. 24
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[367/0389] Alle gehen ab, und das Theater verwandelt ſich in eine Bildergallerie mit einem anſtoßenden prächtigen Saale, den man von einer zahlreichen Geſellſchaft angefüllt, hinter einer Säulengallerie, erblickt. Der Graf im Vordergrunde unterhält ſich noch mit den Regierungsbeamten, welche reſpektvoll Platz machen, als der Baron Steevens erſcheint, um die Familie Vandryk vorzuſtellen, welche er laut die Wohlthäter der Provinz nennt. Der Graf, ſich höflich gegen die Tochter verneigend, ſagt mit Bedeutung: Eine ſolche Tugend ziert Jeden, und den Vater fixirend, ſetzt er hinzu — von welchem Stande er auch ſey — wor- auf er ihm ſchnell den Rücken kehrt. Vandryk ver- räth ängſtliche Verlegenheit, während der ſeitwärts ſtehende Vathek kein Auge von ihm verwendet, und ſeine Tochter ihn ängſtlich fragt, ob ihm nicht wohl ſey, da er ſo plötzlich erblaſſe? Nichts, nichts, ſtam- melt er, ich folge gleich, und legt ihre Hand in die Friedrichs, der ſie zögernd in den Saal führt. Alle gehen ab, bis auf Vandryk, der, noch halb bewußt- los die Hand an die Stirne gehalten, ſtehen bleibt, und Vathek, der, in einen Winkel zurückgezogen, wie ein Tiger auf ſeine Beute zu lauern ſcheint. Plötzlich tritt der Ritter hervor, drückt den Hut auf den Kopf, und Vandryk auf die Schulter ſchlagend, ruft er mit lauter Stimme: Unverſchämter! der erſte Magiſtrat Hollands verbietet Euch, ſich in ſeiner Gegenwart zu Tiſch zu ſetzen. Dieſe Scene iſt von ergreifender Wirkung. Der Unglückliche ſinkt außer Briefe eines Verſtorbenen. II. 24

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/389>, abgerufen am 22.11.2024.