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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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ihren Vater für immer in Sicherheit zu bringen,
wenn sie sein werden wolle, droht aber Verderben
jeder Art im Verweigerungsfalle. Da er indeß nur
mit eben so viel Kälte als Würde zurückgewiesen
wird, sagt er ihr zuletzt mit losbrechender Wuth:
Er wisse sehr wohl, wer ihm eigentlich im Wege
stünde, aber auch Friedrich solle ihm nicht entgehen,
und sein Tod, ehe noch wenig Stunden vergingen,
ihr Werk seyn. Jetzt ruft die Geängstete um Hülfe,
Diener und Fabrikarbeiter Vandryks sprengen die
Thüre, doch Vathek zieht sein Schwerdt, und den
Mantel als Schild gebrauchend, gewinnt er, sich
durchschlagend, das Freie.

Wir sehen jetzt eine Gallerie im Pallast des Ba-
rons. Es ist Nacht, nur spärlich von einer einsa-
men Lampe erleuchtet. Friedrich geht unruhig auf
und ab, überlegend was er thun solle. Er kann
sich die plötzliche Flucht Vandryk's und seiner Toch-
ter nicht erklären, und verliert sich in Hypothesen.
Indem klopft eine leise Hand an seine Thüre. Er
öffnet verwundert, und Maria's Amme tritt ver-
hüllt ein, mit einer Botschaft ihrer Gebieterin, die
Friedrich beschwört, in den Garten herabzukommen,
da ein furchtbares Schicksal sie zwinge, alle Rück-
sichten aus den Augen zu setzen, um ihn noch ein-
mal zu sprechen. Immer mehr erstaunt folgt er der,
eben so befremdenden als lieben, Einladung -- die
Dekoration verändert sich, und eine schöne Mondbe-
leuchtung zeigt uns einen sorgfältig unterhaltnen

ihren Vater für immer in Sicherheit zu bringen,
wenn ſie ſein werden wolle, droht aber Verderben
jeder Art im Verweigerungsfalle. Da er indeß nur
mit eben ſo viel Kälte als Würde zurückgewieſen
wird, ſagt er ihr zuletzt mit losbrechender Wuth:
Er wiſſe ſehr wohl, wer ihm eigentlich im Wege
ſtünde, aber auch Friedrich ſolle ihm nicht entgehen,
und ſein Tod, ehe noch wenig Stunden vergingen,
ihr Werk ſeyn. Jetzt ruft die Geängſtete um Hülfe,
Diener und Fabrikarbeiter Vandryks ſprengen die
Thüre, doch Vathek zieht ſein Schwerdt, und den
Mantel als Schild gebrauchend, gewinnt er, ſich
durchſchlagend, das Freie.

Wir ſehen jetzt eine Gallerie im Pallaſt des Ba-
rons. Es iſt Nacht, nur ſpärlich von einer einſa-
men Lampe erleuchtet. Friedrich geht unruhig auf
und ab, überlegend was er thun ſolle. Er kann
ſich die plötzliche Flucht Vandryk’s und ſeiner Toch-
ter nicht erklären, und verliert ſich in Hypotheſen.
Indem klopft eine leiſe Hand an ſeine Thüre. Er
öffnet verwundert, und Maria’s Amme tritt ver-
hüllt ein, mit einer Botſchaft ihrer Gebieterin, die
Friedrich beſchwört, in den Garten herabzukommen,
da ein furchtbares Schickſal ſie zwinge, alle Rück-
ſichten aus den Augen zu ſetzen, um ihn noch ein-
mal zu ſprechen. Immer mehr erſtaunt folgt er der,
eben ſo befremdenden als lieben, Einladung — die
Dekoration verändert ſich, und eine ſchöne Mondbe-
leuchtung zeigt uns einen ſorgfältig unterhaltnen

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[370/0392] ihren Vater für immer in Sicherheit zu bringen, wenn ſie ſein werden wolle, droht aber Verderben jeder Art im Verweigerungsfalle. Da er indeß nur mit eben ſo viel Kälte als Würde zurückgewieſen wird, ſagt er ihr zuletzt mit losbrechender Wuth: Er wiſſe ſehr wohl, wer ihm eigentlich im Wege ſtünde, aber auch Friedrich ſolle ihm nicht entgehen, und ſein Tod, ehe noch wenig Stunden vergingen, ihr Werk ſeyn. Jetzt ruft die Geängſtete um Hülfe, Diener und Fabrikarbeiter Vandryks ſprengen die Thüre, doch Vathek zieht ſein Schwerdt, und den Mantel als Schild gebrauchend, gewinnt er, ſich durchſchlagend, das Freie. Wir ſehen jetzt eine Gallerie im Pallaſt des Ba- rons. Es iſt Nacht, nur ſpärlich von einer einſa- men Lampe erleuchtet. Friedrich geht unruhig auf und ab, überlegend was er thun ſolle. Er kann ſich die plötzliche Flucht Vandryk’s und ſeiner Toch- ter nicht erklären, und verliert ſich in Hypotheſen. Indem klopft eine leiſe Hand an ſeine Thüre. Er öffnet verwundert, und Maria’s Amme tritt ver- hüllt ein, mit einer Botſchaft ihrer Gebieterin, die Friedrich beſchwört, in den Garten herabzukommen, da ein furchtbares Schickſal ſie zwinge, alle Rück- ſichten aus den Augen zu ſetzen, um ihn noch ein- mal zu ſprechen. Immer mehr erſtaunt folgt er der, eben ſo befremdenden als lieben, Einladung — die Dekoration verändert ſich, und eine ſchöne Mondbe- leuchtung zeigt uns einen ſorgfältig unterhaltnen

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/392>, abgerufen am 22.11.2024.