eine unumschränkte Autorität über dasselbe erlangt hat, die fast der Hierarchie im Mittelalter gleicht, nur mit dem Unterschiede, daß diese dort für Scla- verei und Dunkel, jene hier für Freiheit und Licht benutzt wird. Es ist auch dies einer der Aus- brüche jener zweiten großen Revolution, welche blos und allein durch intellektuelle Mittel, ohne irgend eine Beimischung von physischer Gewalt, be- werkstelligt zu werden anfängt, und deren fast ein- zigen, aber unwiderstehlichen Waffe, die Redner- bühne und die Druckerpresse sind. Lestrange ist ein Mann von philosophischem Geist, und unerschütter- licher Ruhe. Seine Formen sind die eines vollende- ten Weltmanns, der in mannichfachen Geschäften Europa durchreist hat, die Menschen gründlich kennt, und bei aller Sanftmuth doch einen scharfen Zug von großer Schlauheit nicht immer ganz verbergen kann. Ich möchte ihn das Ideal eines wohlmeinen- den Jesuiten nennen.
Da O'Connel beschäftigt war, machte ich früh mit dem Friar eine Promenade nach einer wüsten Insel, trocknen Fußes über den, von der Ebbe entblösten, glatten Meersand schreitend. Hier stehen die eigent- lichen Ruinen der alten Abtey Derrinane, wovon O'Connels Haus nur ein appendix ist. Sie soll
drückte Kirche scheint überall die Tugendhafteste zu werden, und die Gründe sind leicht aufzufinden. A. d. H.
eine unumſchränkte Autorität über daſſelbe erlangt hat, die faſt der Hierarchie im Mittelalter gleicht, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe dort für Scla- verei und Dunkel, jene hier für Freiheit und Licht benutzt wird. Es iſt auch dies einer der Aus- brüche jener zweiten großen Revolution, welche blos und allein durch intellektuelle Mittel, ohne irgend eine Beimiſchung von phyſiſcher Gewalt, be- werkſtelligt zu werden anfängt, und deren faſt ein- zigen, aber unwiderſtehlichen Waffe, die Redner- bühne und die Druckerpreſſe ſind. Leſtrange iſt ein Mann von philoſophiſchem Geiſt, und unerſchütter- licher Ruhe. Seine Formen ſind die eines vollende- ten Weltmanns, der in mannichfachen Geſchäften Europa durchreist hat, die Menſchen gründlich kennt, und bei aller Sanftmuth doch einen ſcharfen Zug von großer Schlauheit nicht immer ganz verbergen kann. Ich möchte ihn das Ideal eines wohlmeinen- den Jeſuiten nennen.
Da O’Connel beſchäftigt war, machte ich früh mit dem Friar eine Promenade nach einer wüſten Inſel, trocknen Fußes über den, von der Ebbe entblösten, glatten Meerſand ſchreitend. Hier ſtehen die eigent- lichen Ruinen der alten Abtey Derrinane, wovon O’Connels Haus nur ein appendix iſt. Sie ſoll
drückte Kirche ſcheint überall die Tugendhafteſte zu werden, und die Gründe ſind leicht aufzufinden. A. d. H.
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eine unumſchränkte Autorität über daſſelbe erlangt
hat, die faſt der Hierarchie im Mittelalter gleicht,
nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe dort für Scla-
verei und Dunkel, jene hier für Freiheit und Licht
benutzt wird. Es iſt auch dies einer der Aus-
brüche jener zweiten großen Revolution, welche
blos und allein durch intellektuelle Mittel, ohne
irgend eine Beimiſchung von phyſiſcher Gewalt, be-
werkſtelligt zu werden anfängt, und deren faſt ein-
zigen, aber unwiderſtehlichen Waffe, die Redner-
bühne und die Druckerpreſſe ſind. Leſtrange iſt ein
Mann von philoſophiſchem Geiſt, und unerſchütter-
licher Ruhe. Seine Formen ſind die eines vollende-
ten Weltmanns, der in mannichfachen Geſchäften
Europa durchreist hat, die Menſchen gründlich kennt,
und bei aller Sanftmuth doch einen ſcharfen Zug
von großer Schlauheit nicht immer ganz verbergen
kann. Ich möchte ihn das Ideal eines wohlmeinen-
den Jeſuiten nennen.
Da O’Connel beſchäftigt war, machte ich früh mit
dem Friar eine Promenade nach einer wüſten Inſel,
trocknen Fußes über den, von der Ebbe entblösten,
glatten Meerſand ſchreitend. Hier ſtehen die eigent-
lichen Ruinen der alten Abtey Derrinane, wovon
O’Connels Haus nur ein appendix iſt. Sie ſoll
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*) drückte Kirche ſcheint überall die Tugendhafteſte zu
werden, und die Gründe ſind leicht aufzufinden.
A. d. H.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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