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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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heren Classen finden sich mit ihren Rechten oder
Prätensionen zu fortwährender Opposition und Deh-
müthigung verdammt. Unterstützt hinlängliches Geld
ihre Anforderungen, so geht es noch leidlich, obgleich
auch hierin, der Ostentation wegen, der Erbsünde der
Reichen, wenn es nicht Geiz ist, ihnen Geld weit
weniger reellen Genuß gewähren kann, als es ein
Paar Stufen tiefer verleiht. -- Hält aber den Rang
kein Vermögen empor, so ist der so Gestellte ganz
gewiß von allen seinen Mitbürgern, den Verbrecher
ausgenommen, der Beklagenswertheste, unmittelbar
nach dem, welcher wirkliche Hungersnoth leidet.

Daher sollte Jeder, wie ich schon einmal, glaube
ich, gegen Dich äußerte, seine Lage in der Welt ge-
nau erwägen, und der Ambition oder Eitelkeit (ich
schließe hiervon nur die Ambition des wahren Ver-
dienstes
aus, welche sich durch ihr Wirken selbst,
und nur durch dies allein belohnt findet) nichts auf-
opfern, denn keine Epoche der Welt war einer solchen
weniger günstig. Wir Vornehme werden jetzt wirk-
lich wohlfeil zu weiser Enthaltsamkeit und praktischer
Philosophie jeder Art hingeführt, und dem Himmel
sey Dank dafür!

Mit diesen Gedanken, im Innern der Dame blan-
che
kam ich bei Franconi's Theater an, das auch ein
Blinder, nur dem Pferdegeruch nachgehend, schon
auffinden kann. Was hier getrieben wird, ist aller-
dings eine abscheuliche Geschmacklosigkeit, und ein
Publikum, das nichts Andres zu sehen bekäme, müßte

heren Claſſen finden ſich mit ihren Rechten oder
Prätenſionen zu fortwährender Oppoſition und Deh-
müthigung verdammt. Unterſtützt hinlängliches Geld
ihre Anforderungen, ſo geht es noch leidlich, obgleich
auch hierin, der Oſtentation wegen, der Erbſünde der
Reichen, wenn es nicht Geiz iſt, ihnen Geld weit
weniger reellen Genuß gewähren kann, als es ein
Paar Stufen tiefer verleiht. — Hält aber den Rang
kein Vermögen empor, ſo iſt der ſo Geſtellte ganz
gewiß von allen ſeinen Mitbürgern, den Verbrecher
ausgenommen, der Beklagenswertheſte, unmittelbar
nach dem, welcher wirkliche Hungersnoth leidet.

Daher ſollte Jeder, wie ich ſchon einmal, glaube
ich, gegen Dich äußerte, ſeine Lage in der Welt ge-
nau erwägen, und der Ambition oder Eitelkeit (ich
ſchließe hiervon nur die Ambition des wahren Ver-
dienſtes
aus, welche ſich durch ihr Wirken ſelbſt,
und nur durch dies allein belohnt findet) nichts auf-
opfern, denn keine Epoche der Welt war einer ſolchen
weniger günſtig. Wir Vornehme werden jetzt wirk-
lich wohlfeil zu weiſer Enthaltſamkeit und praktiſcher
Philoſophie jeder Art hingeführt, und dem Himmel
ſey Dank dafür!

Mit dieſen Gedanken, im Innern der Dame blan-
che
kam ich bei Franconi’s Theater an, das auch ein
Blinder, nur dem Pferdegeruch nachgehend, ſchon
auffinden kann. Was hier getrieben wird, iſt aller-
dings eine abſcheuliche Geſchmackloſigkeit, und ein
Publikum, das nichts Andres zu ſehen bekäme, müßte

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[382/0404] heren Claſſen finden ſich mit ihren Rechten oder Prätenſionen zu fortwährender Oppoſition und Deh- müthigung verdammt. Unterſtützt hinlängliches Geld ihre Anforderungen, ſo geht es noch leidlich, obgleich auch hierin, der Oſtentation wegen, der Erbſünde der Reichen, wenn es nicht Geiz iſt, ihnen Geld weit weniger reellen Genuß gewähren kann, als es ein Paar Stufen tiefer verleiht. — Hält aber den Rang kein Vermögen empor, ſo iſt der ſo Geſtellte ganz gewiß von allen ſeinen Mitbürgern, den Verbrecher ausgenommen, der Beklagenswertheſte, unmittelbar nach dem, welcher wirkliche Hungersnoth leidet. Daher ſollte Jeder, wie ich ſchon einmal, glaube ich, gegen Dich äußerte, ſeine Lage in der Welt ge- nau erwägen, und der Ambition oder Eitelkeit (ich ſchließe hiervon nur die Ambition des wahren Ver- dienſtes aus, welche ſich durch ihr Wirken ſelbſt, und nur durch dies allein belohnt findet) nichts auf- opfern, denn keine Epoche der Welt war einer ſolchen weniger günſtig. Wir Vornehme werden jetzt wirk- lich wohlfeil zu weiſer Enthaltſamkeit und praktiſcher Philoſophie jeder Art hingeführt, und dem Himmel ſey Dank dafür! Mit dieſen Gedanken, im Innern der Dame blan- che kam ich bei Franconi’s Theater an, das auch ein Blinder, nur dem Pferdegeruch nachgehend, ſchon auffinden kann. Was hier getrieben wird, iſt aller- dings eine abſcheuliche Geſchmackloſigkeit, und ein Publikum, das nichts Andres zu ſehen bekäme, müßte

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/404>, abgerufen am 22.11.2024.