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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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aber konnte noch weit mehr bewirken. Er hatte in
seinem Instrumente einen Ton -- der wunder-
volle Ton
genannt, und wie man glaubte, von
einem Elfen erst hineingebannt -- einen Ton, der,
gleich Hüons Horn und gewiß von derselben Abstam-
mung, Niemand hören konnte, ohne sogleich seine
Tanzlust zur unwiderstehlichen Leidenschaft anwachsen
zu fühlen. Wie manches junge Mädchen in der Stadt,
das eben ihrem ersten Balle beiwohnt, und keinen
solchen Stimulus bedarf, würde doch viel darum
geben, im Besitz jenes Tones zu seyn, um die trägen
Dandee's zu ermuntern, von denen einer nach dem
andern sich wegschleicht, oder auf dem Sopha liegt,
dem dolce far niente hingegeben, statt sich mit ihr
im Cottillon herumzudrehen. Hier, auf der mondbe-
glänzten Wiese, bedurften jedoch die aufgeweckten
Bauerbursche keines fremden, unwiderstehlichen Rei-
zes. Hinlänglich war die Anregung ihrer eignen Lust,
und Maurice, unermüdlich aufspielend, ergötzte sich
selbst, in seinen lüsternen Gedanken, an dem, was
die Andern in der Wirklichkeit, und deshalb vielleicht
weniger innig genossen. Doch fing auch er endlich
an, sich nach einiger Realität zu sehnen, und da Mu-
sikanten nicht nur verliebter, sondern auch durstiger
Natur zu seyn pflegen, irländische Musikanten aber
ohne Zweifel beide Bedürfnisse in doppeltem Maße
empfinden, so versäumte auch Maurice nicht, die an-
genehmen Bilder seiner Phantasie gar fleißig mit
heißem Whiskeypunsch zu erfrischen. Bald schien es
ihm, als drehe sein Kopf sich noch schneller als die

Briefe eines Verstorbenen. II. 4

aber konnte noch weit mehr bewirken. Er hatte in
ſeinem Inſtrumente einen Ton — der wunder-
volle Ton
genannt, und wie man glaubte, von
einem Elfen erſt hineingebannt — einen Ton, der,
gleich Hüons Horn und gewiß von derſelben Abſtam-
mung, Niemand hören konnte, ohne ſogleich ſeine
Tanzluſt zur unwiderſtehlichen Leidenſchaft anwachſen
zu fühlen. Wie manches junge Mädchen in der Stadt,
das eben ihrem erſten Balle beiwohnt, und keinen
ſolchen Stimulus bedarf, würde doch viel darum
geben, im Beſitz jenes Tones zu ſeyn, um die trägen
Dandee’s zu ermuntern, von denen einer nach dem
andern ſich wegſchleicht, oder auf dem Sopha liegt,
dem dolce far niente hingegeben, ſtatt ſich mit ihr
im Cottillon herumzudrehen. Hier, auf der mondbe-
glänzten Wieſe, bedurften jedoch die aufgeweckten
Bauerburſche keines fremden, unwiderſtehlichen Rei-
zes. Hinlänglich war die Anregung ihrer eignen Luſt,
und Maurice, unermüdlich aufſpielend, ergötzte ſich
ſelbſt, in ſeinen lüſternen Gedanken, an dem, was
die Andern in der Wirklichkeit, und deshalb vielleicht
weniger innig genoſſen. Doch fing auch er endlich
an, ſich nach einiger Realität zu ſehnen, und da Mu-
ſikanten nicht nur verliebter, ſondern auch durſtiger
Natur zu ſeyn pflegen, irländiſche Muſikanten aber
ohne Zweifel beide Bedürfniſſe in doppeltem Maße
empfinden, ſo verſäumte auch Maurice nicht, die an-
genehmen Bilder ſeiner Phantaſie gar fleißig mit
heißem Whiskeypunſch zu erfriſchen. Bald ſchien es
ihm, als drehe ſein Kopf ſich noch ſchneller als die

Briefe eines Verſtorbenen. II. 4
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[49/0071] aber konnte noch weit mehr bewirken. Er hatte in ſeinem Inſtrumente einen Ton — der wunder- volle Ton genannt, und wie man glaubte, von einem Elfen erſt hineingebannt — einen Ton, der, gleich Hüons Horn und gewiß von derſelben Abſtam- mung, Niemand hören konnte, ohne ſogleich ſeine Tanzluſt zur unwiderſtehlichen Leidenſchaft anwachſen zu fühlen. Wie manches junge Mädchen in der Stadt, das eben ihrem erſten Balle beiwohnt, und keinen ſolchen Stimulus bedarf, würde doch viel darum geben, im Beſitz jenes Tones zu ſeyn, um die trägen Dandee’s zu ermuntern, von denen einer nach dem andern ſich wegſchleicht, oder auf dem Sopha liegt, dem dolce far niente hingegeben, ſtatt ſich mit ihr im Cottillon herumzudrehen. Hier, auf der mondbe- glänzten Wieſe, bedurften jedoch die aufgeweckten Bauerburſche keines fremden, unwiderſtehlichen Rei- zes. Hinlänglich war die Anregung ihrer eignen Luſt, und Maurice, unermüdlich aufſpielend, ergötzte ſich ſelbſt, in ſeinen lüſternen Gedanken, an dem, was die Andern in der Wirklichkeit, und deshalb vielleicht weniger innig genoſſen. Doch fing auch er endlich an, ſich nach einiger Realität zu ſehnen, und da Mu- ſikanten nicht nur verliebter, ſondern auch durſtiger Natur zu ſeyn pflegen, irländiſche Muſikanten aber ohne Zweifel beide Bedürfniſſe in doppeltem Maße empfinden, ſo verſäumte auch Maurice nicht, die an- genehmen Bilder ſeiner Phantaſie gar fleißig mit heißem Whiskeypunſch zu erfriſchen. Bald ſchien es ihm, als drehe ſein Kopf ſich noch ſchneller als die Briefe eines Verſtorbenen. II. 4

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/71>, abgerufen am 22.11.2024.