Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

wirbelnden Paare, ja ganz Iveragh schaukelte unter
seinen Füßen. O, noch ein Glas, Kitty! und einen
Kuß dazu, rief er stammelnd -- aber Kitty, bange
für des Tanzes Ende, wenn der Whiskey die bag
pipe
des Piper's Händen entrisse, versagte standhaft
den Labetrank. Immer heftiger bestand dieser auf
seinem Begehren -- doch Kitty blieb unerbittlich.
"Wer soviel trinkt, braucht nicht zu küssen, und über-
"dem mußt Du spielen, sagte sie, damit wir tan-
"zen, und kaum kannst Du ja mehr die Finger rüh-
"ren." Ich nicht mehr die Finger rühren? schrie
Maurice entrüstet -- nun so sollst Du, und ihr Alle,
tanzen, bis ihr genug habt, und Euch mehr nach
einem Tropfen Wasser sehnt, als ich jetzt nach einem
Glase gesegneten Whiskeypunsches! Im Zorne hier-
auf die bag pipe an sich drückend, erschallte laut und
schmetternd -- der wunderbare Ton -- und
augenblicklich, in wildem Getümmel, wirbelte alt und
jung durcheinander. Aber sieh! das schlafende Meer
selbst erwacht, und hervor kommen Krabben und See-
krebse, eine zierliche Menuet auf dem glatten Sande
executirend. Die Meerspinne tanzt vor, unnachahm-
liche Pas mit ihren langen Beinen vollbringend, und
Codfisch und Steinbutt, Schellfisch und Sohle balan-
ciren auf ihren Schwänzen mit aller Grazie, die
ihnen zu Gebote steht. Seehunde selbst versuchen
den neuesten Gallopwalzer, und Austern, ihre Scha-
len öffnend, gleiten dahin, mit dem Anstand einer
Pariserin, die, die Ellenbogen ründend, beide Seiten
ihrer Robe zierlich emporhebt. Staunend wurden

wirbelnden Paare, ja ganz Iveragh ſchaukelte unter
ſeinen Füßen. O, noch ein Glas, Kitty! und einen
Kuß dazu, rief er ſtammelnd — aber Kitty, bange
für des Tanzes Ende, wenn der Whiskey die bag
pipe
des Piper’s Händen entriſſe, verſagte ſtandhaft
den Labetrank. Immer heftiger beſtand dieſer auf
ſeinem Begehren — doch Kitty blieb unerbittlich.
„Wer ſoviel trinkt, braucht nicht zu küſſen, und über-
„dem mußt Du ſpielen, ſagte ſie, damit wir tan-
„zen, und kaum kannſt Du ja mehr die Finger rüh-
„ren.“ Ich nicht mehr die Finger rühren? ſchrie
Maurice entrüſtet — nun ſo ſollſt Du, und ihr Alle,
tanzen, bis ihr genug habt, und Euch mehr nach
einem Tropfen Waſſer ſehnt, als ich jetzt nach einem
Glaſe geſegneten Whiskeypunſches! Im Zorne hier-
auf die bag pipe an ſich drückend, erſchallte laut und
ſchmetternd — der wunderbare Ton — und
augenblicklich, in wildem Getümmel, wirbelte alt und
jung durcheinander. Aber ſieh! das ſchlafende Meer
ſelbſt erwacht, und hervor kommen Krabben und See-
krebſe, eine zierliche Menuet auf dem glatten Sande
executirend. Die Meerſpinne tanzt vor, unnachahm-
liche Pas mit ihren langen Beinen vollbringend, und
Codfiſch und Steinbutt, Schellfiſch und Sohle balan-
ciren auf ihren Schwänzen mit aller Grazie, die
ihnen zu Gebote ſteht. Seehunde ſelbſt verſuchen
den neueſten Gallopwalzer, und Auſtern, ihre Scha-
len öffnend, gleiten dahin, mit dem Anſtand einer
Pariſerin, die, die Ellenbogen ründend, beide Seiten
ihrer Robe zierlich emporhebt. Staunend wurden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0072" n="50"/>
wirbelnden Paare, ja ganz Iveragh &#x017F;chaukelte unter<lb/>
&#x017F;einen Füßen. O, noch ein Glas, Kitty! und einen<lb/>
Kuß dazu, rief er &#x017F;tammelnd &#x2014; aber Kitty, bange<lb/>
für des Tanzes Ende, wenn der Whiskey die <hi rendition="#aq">bag<lb/>
pipe</hi> des Piper&#x2019;s Händen entri&#x017F;&#x017F;e, ver&#x017F;agte &#x017F;tandhaft<lb/>
den Labetrank. Immer heftiger be&#x017F;tand die&#x017F;er auf<lb/>
&#x017F;einem Begehren &#x2014; doch Kitty blieb unerbittlich.<lb/>
&#x201E;Wer &#x017F;oviel trinkt, braucht nicht zu kü&#x017F;&#x017F;en, und über-<lb/>
&#x201E;dem mußt Du &#x017F;pielen, &#x017F;agte &#x017F;ie, damit <hi rendition="#g">wir</hi> tan-<lb/>
&#x201E;zen, und kaum kann&#x017F;t Du ja mehr die Finger rüh-<lb/>
&#x201E;ren.&#x201C; Ich nicht mehr die Finger rühren? &#x017F;chrie<lb/>
Maurice entrü&#x017F;tet &#x2014; nun &#x017F;o &#x017F;oll&#x017F;t Du, und ihr Alle,<lb/>
tanzen, bis ihr genug habt, und Euch mehr nach<lb/>
einem Tropfen Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ehnt, als ich jetzt nach einem<lb/>
Gla&#x017F;e ge&#x017F;egneten Whiskeypun&#x017F;ches! Im Zorne hier-<lb/>
auf die <hi rendition="#aq">bag pipe</hi> an &#x017F;ich drückend, er&#x017F;challte laut und<lb/>
&#x017F;chmetternd &#x2014; <hi rendition="#g">der wunderbare Ton</hi> &#x2014; und<lb/>
augenblicklich, in wildem Getümmel, wirbelte alt und<lb/>
jung durcheinander. Aber &#x017F;ieh! das &#x017F;chlafende Meer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t erwacht, und hervor kommen Krabben und See-<lb/>
kreb&#x017F;e, eine zierliche Menuet auf dem glatten Sande<lb/>
executirend. Die Meer&#x017F;pinne tanzt vor, unnachahm-<lb/>
liche Pas mit ihren langen Beinen vollbringend, und<lb/>
Codfi&#x017F;ch und Steinbutt, Schellfi&#x017F;ch und Sohle balan-<lb/>
ciren auf ihren Schwänzen mit aller Grazie, die<lb/>
ihnen zu Gebote &#x017F;teht. Seehunde &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;uchen<lb/>
den neue&#x017F;ten Gallopwalzer, und Au&#x017F;tern, ihre Scha-<lb/>
len öffnend, gleiten dahin, mit dem An&#x017F;tand einer<lb/>
Pari&#x017F;erin, die, die Ellenbogen ründend, beide Seiten<lb/>
ihrer Robe zierlich emporhebt. Staunend wurden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0072] wirbelnden Paare, ja ganz Iveragh ſchaukelte unter ſeinen Füßen. O, noch ein Glas, Kitty! und einen Kuß dazu, rief er ſtammelnd — aber Kitty, bange für des Tanzes Ende, wenn der Whiskey die bag pipe des Piper’s Händen entriſſe, verſagte ſtandhaft den Labetrank. Immer heftiger beſtand dieſer auf ſeinem Begehren — doch Kitty blieb unerbittlich. „Wer ſoviel trinkt, braucht nicht zu küſſen, und über- „dem mußt Du ſpielen, ſagte ſie, damit wir tan- „zen, und kaum kannſt Du ja mehr die Finger rüh- „ren.“ Ich nicht mehr die Finger rühren? ſchrie Maurice entrüſtet — nun ſo ſollſt Du, und ihr Alle, tanzen, bis ihr genug habt, und Euch mehr nach einem Tropfen Waſſer ſehnt, als ich jetzt nach einem Glaſe geſegneten Whiskeypunſches! Im Zorne hier- auf die bag pipe an ſich drückend, erſchallte laut und ſchmetternd — der wunderbare Ton — und augenblicklich, in wildem Getümmel, wirbelte alt und jung durcheinander. Aber ſieh! das ſchlafende Meer ſelbſt erwacht, und hervor kommen Krabben und See- krebſe, eine zierliche Menuet auf dem glatten Sande executirend. Die Meerſpinne tanzt vor, unnachahm- liche Pas mit ihren langen Beinen vollbringend, und Codfiſch und Steinbutt, Schellfiſch und Sohle balan- ciren auf ihren Schwänzen mit aller Grazie, die ihnen zu Gebote ſteht. Seehunde ſelbſt verſuchen den neueſten Gallopwalzer, und Auſtern, ihre Scha- len öffnend, gleiten dahin, mit dem Anſtand einer Pariſerin, die, die Ellenbogen ründend, beide Seiten ihrer Robe zierlich emporhebt. Staunend wurden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/72
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/72>, abgerufen am 22.11.2024.