Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

möchte. In einer Viertelstunde beginnt mit andern
Pferden dasselbe Spiel von Neuem, und wiederholt
sich so sechs bis siebenmal. Voila les ceurses de
Newmarket.

Ich hatte den ersten Tag ein so divinatorisches
Urtheil, daß ich dreimal den Gewinner, blos nach
Gutdünken und Beurtheilung, beim Satteln errieth,
und dadurch ziemlich ansehnlich gewann. Doch ging
es mir wie gewöhnlich beim Spiel, ich verlor die
andern Tage noch einmal so viel dazu. Wer hier
mit Dauer gewinnt, ist vorher seiner Sache sicher,
und es ist bekannt, daß ein großer Theil des engli-
schen Adels in diesem Punkt sehr weite Grund-
sätze hat.

Ich fand unter den Anwesenden mehrere Bekannte
aus älterer Zeit, die mir die Erlaubniß ertheilten,
ihre Rennpferde im Stall zu sehen, was sie für eine
große Vergünstigung halten, und mir dann auch
anboten, Entree in den hiesigen Club zu verschaffen,
wovon ich jedoch nicht profitirte, da es ein bloßer
Spiel-Club ist, wovor man sich in England mehr als
irgendwo hüten muß.

Es ist als ein Nationalzug anzusehen, und einer,
der das allgemein Kaufmännische hier charakterisirt,
daß vorher zwar alle Vortheile gelten, aber bei den,
oft im Augenblick und in der größten Confusion ge-
machten Wetten, fast wie ein Streit über die Rich-
tigkeit derselben statt findet, dagegen oft Einer, der
mehr verloren hat, als er bezahlen kann, vor dem

möchte. In einer Viertelſtunde beginnt mit andern
Pferden daſſelbe Spiel von Neuem, und wiederholt
ſich ſo ſechs bis ſiebenmal. Voilà les ceurses de
Newmarket.

Ich hatte den erſten Tag ein ſo divinatoriſches
Urtheil, daß ich dreimal den Gewinner, blos nach
Gutdünken und Beurtheilung, beim Satteln errieth,
und dadurch ziemlich anſehnlich gewann. Doch ging
es mir wie gewöhnlich beim Spiel, ich verlor die
andern Tage noch einmal ſo viel dazu. Wer hier
mit Dauer gewinnt, iſt vorher ſeiner Sache ſicher,
und es iſt bekannt, daß ein großer Theil des engli-
ſchen Adels in dieſem Punkt ſehr weite Grund-
ſätze hat.

Ich fand unter den Anweſenden mehrere Bekannte
aus älterer Zeit, die mir die Erlaubniß ertheilten,
ihre Rennpferde im Stall zu ſehen, was ſie für eine
große Vergünſtigung halten, und mir dann auch
anboten, Entrée in den hieſigen Club zu verſchaffen,
wovon ich jedoch nicht profitirte, da es ein bloßer
Spiel-Club iſt, wovor man ſich in England mehr als
irgendwo hüten muß.

Es iſt als ein Nationalzug anzuſehen, und einer,
der das allgemein Kaufmänniſche hier charakteriſirt,
daß vorher zwar alle Vortheile gelten, aber bei den,
oft im Augenblick und in der größten Confuſion ge-
machten Wetten, faſt wie ein Streit über die Rich-
tigkeit derſelben ſtatt findet, dagegen oft Einer, der
mehr verloren hat, als er bezahlen kann, vor dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="79"/>
möchte. In einer Viertel&#x017F;tunde beginnt mit andern<lb/>
Pferden da&#x017F;&#x017F;elbe Spiel von Neuem, und wiederholt<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;echs bis &#x017F;iebenmal. <hi rendition="#aq">Voilà les ceurses de<lb/>
Newmarket.</hi></p><lb/>
          <p>Ich hatte den er&#x017F;ten Tag ein &#x017F;o divinatori<hi rendition="#g">&#x017F;ches</hi><lb/>
Urtheil, daß ich dreimal den Gewinner, blos nach<lb/>
Gutdünken und Beurtheilung, beim Satteln errieth,<lb/>
und dadurch ziemlich an&#x017F;ehnlich gewann. Doch ging<lb/>
es mir wie gewöhnlich beim Spiel, ich verlor die<lb/>
andern Tage noch einmal &#x017F;o viel dazu. Wer hier<lb/>
mit Dauer gewinnt, i&#x017F;t <hi rendition="#g">vorher</hi> &#x017F;einer Sache &#x017F;icher,<lb/>
und es i&#x017F;t bekannt, daß ein großer Theil des engli-<lb/>
&#x017F;chen Adels in die&#x017F;em Punkt &#x017F;ehr weite Grund-<lb/>
&#x017F;ätze hat.</p><lb/>
          <p>Ich fand unter den Anwe&#x017F;enden mehrere Bekannte<lb/>
aus älterer Zeit, die mir die Erlaubniß ertheilten,<lb/>
ihre Rennpferde im Stall zu &#x017F;ehen, was &#x017F;ie für eine<lb/>
große Vergün&#x017F;tigung halten, und mir dann auch<lb/>
anboten, Entr<hi rendition="#aq">é</hi>e in den hie&#x017F;igen Club zu ver&#x017F;chaffen,<lb/>
wovon ich jedoch nicht profitirte, da es ein bloßer<lb/>
Spiel-Club i&#x017F;t, wovor man &#x017F;ich in England mehr als<lb/>
irgendwo hüten muß.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t als ein Nationalzug anzu&#x017F;ehen, und einer,<lb/>
der das allgemein Kaufmänni&#x017F;che hier charakteri&#x017F;irt,<lb/>
daß vorher zwar alle Vortheile gelten, aber bei den,<lb/>
oft im Augenblick und in der größten Confu&#x017F;ion ge-<lb/>
machten Wetten, fa&#x017F;t wie ein Streit über die Rich-<lb/>
tigkeit der&#x017F;elben &#x017F;tatt findet, dagegen oft Einer, der<lb/>
mehr verloren hat, als er bezahlen kann, vor dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0119] möchte. In einer Viertelſtunde beginnt mit andern Pferden daſſelbe Spiel von Neuem, und wiederholt ſich ſo ſechs bis ſiebenmal. Voilà les ceurses de Newmarket. Ich hatte den erſten Tag ein ſo divinatoriſches Urtheil, daß ich dreimal den Gewinner, blos nach Gutdünken und Beurtheilung, beim Satteln errieth, und dadurch ziemlich anſehnlich gewann. Doch ging es mir wie gewöhnlich beim Spiel, ich verlor die andern Tage noch einmal ſo viel dazu. Wer hier mit Dauer gewinnt, iſt vorher ſeiner Sache ſicher, und es iſt bekannt, daß ein großer Theil des engli- ſchen Adels in dieſem Punkt ſehr weite Grund- ſätze hat. Ich fand unter den Anweſenden mehrere Bekannte aus älterer Zeit, die mir die Erlaubniß ertheilten, ihre Rennpferde im Stall zu ſehen, was ſie für eine große Vergünſtigung halten, und mir dann auch anboten, Entrée in den hieſigen Club zu verſchaffen, wovon ich jedoch nicht profitirte, da es ein bloßer Spiel-Club iſt, wovor man ſich in England mehr als irgendwo hüten muß. Es iſt als ein Nationalzug anzuſehen, und einer, der das allgemein Kaufmänniſche hier charakteriſirt, daß vorher zwar alle Vortheile gelten, aber bei den, oft im Augenblick und in der größten Confuſion ge- machten Wetten, faſt wie ein Streit über die Rich- tigkeit derſelben ſtatt findet, dagegen oft Einer, der mehr verloren hat, als er bezahlen kann, vor dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/119
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/119>, abgerufen am 21.11.2024.