lächerlich seyn. Es ist übrigens zugleich eine Artig- keit, Jemand auf diese Weise zum Trinken aufzuru- fen, und ein Bote wird oft vom andern Ende der Tafel erpedirt, um B. anzukündigen, daß A. ein Glas Wein mit ihm zu trinken wünsche, worauf denn beide sich, zuweilen mühsam genug, ins Auge zu be- kommen suchen, und dann, gleich chinesischen Pago- den, die Ceremonie des obligaten Nickers mit großer Förmlichkeit agiren. Ist aber die Gesellschaft klein, und man hat mit allen Bekannten getrunken, aber noch Lust, mehr Wein zu genießen, so muß man da- mit bis zum Dessert warten, wenn man den Muth nicht in sich verspürt, sich über die Gewohnheit hin- wegzusetzen.
Nach vollendetem zweiten Gange und einem inte- rimistischen Dessert von Käse, Sallat, rohen Sellery und dergleichen (wozu man manchmal Ale herum giebt, das 20 und 30 Jahr alt, und so stark ist, daß es, ins Feuer geschüttet, wie Spiritus aufflammt), wird das Tischtuch abgenommen, und in den besten Häusern auf ein zweites darunter liegendes noch fei- neres Tischtuch, in andern auf den bloßen polirten Tisch das Dessert aufgesetzt, welches aus allen mög- lichen Treibhausfrüchten, die hier von ausgezeichne- ter Qualität sind, indischen und vaterländischen ein- gemachten Compottes, magenstärkendem Ingwer, Ge- frornen u. s. w. besteht. Vor jeden Gast werden frische Gläser gestellt, und zu den Desserttellern und Bestecken noch kleine mit Frangen umgebene Ser-
lächerlich ſeyn. Es iſt übrigens zugleich eine Artig- keit, Jemand auf dieſe Weiſe zum Trinken aufzuru- fen, und ein Bote wird oft vom andern Ende der Tafel erpedirt, um B. anzukündigen, daß A. ein Glas Wein mit ihm zu trinken wünſche, worauf denn beide ſich, zuweilen mühſam genug, ins Auge zu be- kommen ſuchen, und dann, gleich chineſiſchen Pago- den, die Ceremonie des obligaten Nickers mit großer Förmlichkeit agiren. Iſt aber die Geſellſchaft klein, und man hat mit allen Bekannten getrunken, aber noch Luſt, mehr Wein zu genießen, ſo muß man da- mit bis zum Deſſert warten, wenn man den Muth nicht in ſich verſpürt, ſich über die Gewohnheit hin- wegzuſetzen.
Nach vollendetem zweiten Gange und einem inte- rimiſtiſchen Deſſert von Käſe, Sallat, rohen Sellery und dergleichen (wozu man manchmal Ale herum giebt, das 20 und 30 Jahr alt, und ſo ſtark iſt, daß es, ins Feuer geſchüttet, wie Spiritus aufflammt), wird das Tiſchtuch abgenommen, und in den beſten Häuſern auf ein zweites darunter liegendes noch fei- neres Tiſchtuch, in andern auf den bloßen polirten Tiſch das Deſſert aufgeſetzt, welches aus allen mög- lichen Treibhausfrüchten, die hier von ausgezeichne- ter Qualität ſind, indiſchen und vaterländiſchen ein- gemachten Compottes, magenſtärkendem Ingwer, Ge- frornen u. ſ. w. beſteht. Vor jeden Gaſt werden friſche Gläſer geſtellt, und zu den Deſſerttellern und Beſtecken noch kleine mit Frangen umgebene Ser-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0127"n="87"/>
lächerlich ſeyn. Es iſt übrigens zugleich eine Artig-<lb/>
keit, Jemand auf dieſe Weiſe zum Trinken aufzuru-<lb/>
fen, und ein Bote wird oft vom andern Ende der<lb/>
Tafel erpedirt, um B. anzukündigen, daß A. ein<lb/>
Glas Wein mit ihm zu trinken wünſche, worauf denn<lb/>
beide ſich, zuweilen mühſam genug, ins Auge zu be-<lb/>
kommen ſuchen, und dann, gleich chineſiſchen Pago-<lb/>
den, die Ceremonie des obligaten Nickers mit großer<lb/>
Förmlichkeit agiren. Iſt aber die Geſellſchaft klein,<lb/>
und man hat mit allen Bekannten getrunken, aber<lb/>
noch Luſt, mehr Wein zu genießen, ſo muß man da-<lb/>
mit bis zum Deſſert warten, wenn man den Muth<lb/>
nicht in ſich verſpürt, ſich über die Gewohnheit hin-<lb/>
wegzuſetzen.</p><lb/><p>Nach vollendetem zweiten Gange und einem inte-<lb/>
rimiſtiſchen Deſſert von Käſe, Sallat, rohen Sellery<lb/>
und dergleichen (wozu man manchmal Ale herum<lb/>
giebt, das 20 und 30 Jahr alt, und ſo ſtark iſt, daß<lb/>
es, ins Feuer geſchüttet, wie Spiritus aufflammt),<lb/>
wird das Tiſchtuch abgenommen, und in den beſten<lb/>
Häuſern auf ein zweites darunter liegendes noch fei-<lb/>
neres Tiſchtuch, in andern auf den bloßen polirten<lb/>
Tiſch das Deſſert aufgeſetzt, welches aus allen mög-<lb/>
lichen Treibhausfrüchten, die hier von ausgezeichne-<lb/>
ter Qualität ſind, indiſchen und vaterländiſchen ein-<lb/>
gemachten Compottes, magenſtärkendem Ingwer, Ge-<lb/>
frornen u. ſ. w. beſteht. Vor jeden Gaſt werden<lb/>
friſche Gläſer geſtellt, und zu den Deſſerttellern und<lb/>
Beſtecken noch kleine mit Frangen umgebene Ser-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[87/0127]
lächerlich ſeyn. Es iſt übrigens zugleich eine Artig-
keit, Jemand auf dieſe Weiſe zum Trinken aufzuru-
fen, und ein Bote wird oft vom andern Ende der
Tafel erpedirt, um B. anzukündigen, daß A. ein
Glas Wein mit ihm zu trinken wünſche, worauf denn
beide ſich, zuweilen mühſam genug, ins Auge zu be-
kommen ſuchen, und dann, gleich chineſiſchen Pago-
den, die Ceremonie des obligaten Nickers mit großer
Förmlichkeit agiren. Iſt aber die Geſellſchaft klein,
und man hat mit allen Bekannten getrunken, aber
noch Luſt, mehr Wein zu genießen, ſo muß man da-
mit bis zum Deſſert warten, wenn man den Muth
nicht in ſich verſpürt, ſich über die Gewohnheit hin-
wegzuſetzen.
Nach vollendetem zweiten Gange und einem inte-
rimiſtiſchen Deſſert von Käſe, Sallat, rohen Sellery
und dergleichen (wozu man manchmal Ale herum
giebt, das 20 und 30 Jahr alt, und ſo ſtark iſt, daß
es, ins Feuer geſchüttet, wie Spiritus aufflammt),
wird das Tiſchtuch abgenommen, und in den beſten
Häuſern auf ein zweites darunter liegendes noch fei-
neres Tiſchtuch, in andern auf den bloßen polirten
Tiſch das Deſſert aufgeſetzt, welches aus allen mög-
lichen Treibhausfrüchten, die hier von ausgezeichne-
ter Qualität ſind, indiſchen und vaterländiſchen ein-
gemachten Compottes, magenſtärkendem Ingwer, Ge-
frornen u. ſ. w. beſteht. Vor jeden Gaſt werden
friſche Gläſer geſtellt, und zu den Deſſerttellern und
Beſtecken noch kleine mit Frangen umgebene Ser-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/127>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.