Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

mit eben so richtiger und deutlicher Aussprache, als
der liebenswürdigsten Frechheit.

Wie vornehm sie in ihrem Metier war, und wie
sehr die englischen Crösusse sie verdorben hatten, be-
weiset folgende Anekdote, die mir aus etwas früherer
Zeit als authentisch verbürgt wurde. Ein Fremder, der
gehört hatte, daß Madame Vestris nicht immer grau-
sam gewesen, sandte ihr bei Gelegenheit ihres Bene-
fizes eine Banknote von 50 Lst., mit der schriftlichen
Bitte: sich das Entreebillet Abends selbst abholen zu
dürfen. Dies Gesuch ward gewährt, und der junge
Mann erschien mit der Zuversicht und der Miene ei-
nes Eroberers zur bestimmten Stunde, doch war der
Ausgang ganz wider seine Erwartung. Madame Ve-
stris empfieng ihn mit gemessener und sehr ernster
Miene, und wies ihm stillschweigend einen Stuhl an,
den der Ueberraschte schon um so verlegener einnahm,
da er seine Banknote offen in ihrer schönen Hand er-
blickte.

Mein Herr, sagte sie, Sie haben mir heut früh
diese Note für ein Entreebillet zu meiner Benefiz-
Vorstellung geschickt, und für ein solches Billet ist es
zuviel. Sollten Sie jedoch andere Hoffnungen da-
mit verbunden haben, so muß ich die Ehre haben,
Ihnen zu versichern, daß es mehr als zu wenig
ist. Erlauben Sie daher, daß ich Ihnen damit zu
Hause leuchte. Mit diesen Worten steckte sie die Note
am nahen Lichte an, öffnete die Thüre, und leuchtete
dem mühsam eine Entschuldigung stotternden, un-
glücklichen Versucher die Treppe hinab.

mit eben ſo richtiger und deutlicher Ausſprache, als
der liebenswürdigſten Frechheit.

Wie vornehm ſie in ihrem Metier war, und wie
ſehr die engliſchen Cröſuſſe ſie verdorben hatten, be-
weiſet folgende Anekdote, die mir aus etwas früherer
Zeit als authentiſch verbürgt wurde. Ein Fremder, der
gehört hatte, daß Madame Veſtris nicht immer grau-
ſam geweſen, ſandte ihr bei Gelegenheit ihres Bene-
fizes eine Banknote von 50 Lſt., mit der ſchriftlichen
Bitte: ſich das Entreebillet Abends ſelbſt abholen zu
dürfen. Dies Geſuch ward gewährt, und der junge
Mann erſchien mit der Zuverſicht und der Miene ei-
nes Eroberers zur beſtimmten Stunde, doch war der
Ausgang ganz wider ſeine Erwartung. Madame Ve-
ſtris empfieng ihn mit gemeſſener und ſehr ernſter
Miene, und wies ihm ſtillſchweigend einen Stuhl an,
den der Ueberraſchte ſchon um ſo verlegener einnahm,
da er ſeine Banknote offen in ihrer ſchönen Hand er-
blickte.

Mein Herr, ſagte ſie, Sie haben mir heut früh
dieſe Note für ein Entreebillet zu meiner Benefiz-
Vorſtellung geſchickt, und für ein ſolches Billet iſt es
zuviel. Sollten Sie jedoch andere Hoffnungen da-
mit verbunden haben, ſo muß ich die Ehre haben,
Ihnen zu verſichern, daß es mehr als zu wenig
iſt. Erlauben Sie daher, daß ich Ihnen damit zu
Hauſe leuchte. Mit dieſen Worten ſteckte ſie die Note
am nahen Lichte an, öffnete die Thüre, und leuchtete
dem mühſam eine Entſchuldigung ſtotternden, un-
glücklichen Verſucher die Treppe hinab.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0163" n="123"/>
mit eben &#x017F;o richtiger und deutlicher Aus&#x017F;prache, als<lb/>
der liebenswürdig&#x017F;ten Frechheit.</p><lb/>
          <p>Wie vornehm &#x017F;ie in ihrem Metier war, und wie<lb/>
&#x017F;ehr die engli&#x017F;chen Crö&#x017F;u&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie verdorben hatten, be-<lb/>
wei&#x017F;et folgende Anekdote, die mir aus etwas früherer<lb/>
Zeit als authenti&#x017F;ch verbürgt wurde. Ein Fremder, der<lb/>
gehört hatte, daß Madame Ve&#x017F;tris nicht immer grau-<lb/>
&#x017F;am gewe&#x017F;en, &#x017F;andte ihr bei Gelegenheit ihres Bene-<lb/>
fizes eine Banknote von 50 L&#x017F;t., mit der &#x017F;chriftlichen<lb/>
Bitte: &#x017F;ich das Entreebillet Abends &#x017F;elb&#x017F;t abholen zu<lb/>
dürfen. Dies Ge&#x017F;uch ward gewährt, und der junge<lb/>
Mann er&#x017F;chien mit der Zuver&#x017F;icht und der Miene ei-<lb/>
nes Eroberers zur be&#x017F;timmten Stunde, doch war der<lb/>
Ausgang ganz wider &#x017F;eine Erwartung. Madame Ve-<lb/>
&#x017F;tris empfieng ihn mit geme&#x017F;&#x017F;ener und &#x017F;ehr ern&#x017F;ter<lb/>
Miene, und wies ihm &#x017F;till&#x017F;chweigend einen Stuhl an,<lb/>
den der Ueberra&#x017F;chte &#x017F;chon um &#x017F;o verlegener einnahm,<lb/>
da er &#x017F;eine Banknote offen in ihrer &#x017F;chönen Hand er-<lb/>
blickte.</p><lb/>
          <p>Mein Herr, &#x017F;agte &#x017F;ie, Sie haben mir heut früh<lb/>
die&#x017F;e Note für ein Entreebillet zu meiner Benefiz-<lb/>
Vor&#x017F;tellung ge&#x017F;chickt, und für ein &#x017F;olches Billet i&#x017F;t es<lb/><hi rendition="#g">zuviel</hi>. Sollten Sie jedoch andere Hoffnungen da-<lb/>
mit verbunden haben, &#x017F;o muß ich die Ehre haben,<lb/>
Ihnen zu ver&#x017F;ichern, daß es mehr als zu <hi rendition="#g">wenig</hi><lb/>
i&#x017F;t. Erlauben Sie daher, daß ich Ihnen damit zu<lb/>
Hau&#x017F;e leuchte. Mit die&#x017F;en Worten &#x017F;teckte &#x017F;ie die Note<lb/>
am nahen Lichte an, öffnete die Thüre, und leuchtete<lb/>
dem müh&#x017F;am eine Ent&#x017F;chuldigung &#x017F;totternden, un-<lb/>
glücklichen Ver&#x017F;ucher die Treppe hinab.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0163] mit eben ſo richtiger und deutlicher Ausſprache, als der liebenswürdigſten Frechheit. Wie vornehm ſie in ihrem Metier war, und wie ſehr die engliſchen Cröſuſſe ſie verdorben hatten, be- weiſet folgende Anekdote, die mir aus etwas früherer Zeit als authentiſch verbürgt wurde. Ein Fremder, der gehört hatte, daß Madame Veſtris nicht immer grau- ſam geweſen, ſandte ihr bei Gelegenheit ihres Bene- fizes eine Banknote von 50 Lſt., mit der ſchriftlichen Bitte: ſich das Entreebillet Abends ſelbſt abholen zu dürfen. Dies Geſuch ward gewährt, und der junge Mann erſchien mit der Zuverſicht und der Miene ei- nes Eroberers zur beſtimmten Stunde, doch war der Ausgang ganz wider ſeine Erwartung. Madame Ve- ſtris empfieng ihn mit gemeſſener und ſehr ernſter Miene, und wies ihm ſtillſchweigend einen Stuhl an, den der Ueberraſchte ſchon um ſo verlegener einnahm, da er ſeine Banknote offen in ihrer ſchönen Hand er- blickte. Mein Herr, ſagte ſie, Sie haben mir heut früh dieſe Note für ein Entreebillet zu meiner Benefiz- Vorſtellung geſchickt, und für ein ſolches Billet iſt es zuviel. Sollten Sie jedoch andere Hoffnungen da- mit verbunden haben, ſo muß ich die Ehre haben, Ihnen zu verſichern, daß es mehr als zu wenig iſt. Erlauben Sie daher, daß ich Ihnen damit zu Hauſe leuchte. Mit dieſen Worten ſteckte ſie die Note am nahen Lichte an, öffnete die Thüre, und leuchtete dem mühſam eine Entſchuldigung ſtotternden, un- glücklichen Verſucher die Treppe hinab.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/163
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/163>, abgerufen am 09.11.2024.