Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen mildes Licht reichlich den Glanz jener Tages-
sonne ersetzt, welche gar oft mehr sengt als wärmt.

Ich fuhr mit L . . . . zu Hause, wo wir noch am
traulichen Kamin ein langes Gespräch über unsre in
mancher Hinsicht so schwer drückenden Landesangele-
genheiten hielten. L. ist sehr gütig für mich, und ich
ihm doppelt attachirt, einmal wegen seiner eignen
Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit, zweitens aus Dank-
barkeit für seinen vortrefflichen Vater, dem wir mehr
reellen Dank schuldig sind als dem Deinen, ohne daß
er ein andres Motiv dazu hatte, als seine unpar-
theiische Gerechtigkeitsliebe.



Eine sonderbare Sitte in England ist das stete
Eingreifen der Zeitungen in das Privatleben. Wer
von irgend einiger Bedeutung ist, sieht sich nicht nur
bei den abgeschmacktesten Kleinigkeiten, z. B. wo er
einem Dine oder Abendgesellschaft beigewohnt, ob er
verreist ist u. s. w., namentlich aufgeführt (was
manche Fremde mit großer Selbstgefälligkeit lesen),
sondern er wird auch, arrivirt ihm irgend etwas der
Rede werthes, ohne Scheu damit ausgestellt, und
ad libitum beurtheilt. Persönliche Feindschaft hat
dabei eben so leichtes Spiel, als die Versuche, Freunde
geltend zu machen, ja gar viele benutzen die Zeitun-
gen zu Artikeln für ihren Vortheil, die sie selbst

deſſen mildes Licht reichlich den Glanz jener Tages-
ſonne erſetzt, welche gar oft mehr ſengt als wärmt.

Ich fuhr mit L . . . . zu Hauſe, wo wir noch am
traulichen Kamin ein langes Geſpräch über unſre in
mancher Hinſicht ſo ſchwer drückenden Landesangele-
genheiten hielten. L. iſt ſehr gütig für mich, und ich
ihm doppelt attachirt, einmal wegen ſeiner eignen
Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit, zweitens aus Dank-
barkeit für ſeinen vortrefflichen Vater, dem wir mehr
reellen Dank ſchuldig ſind als dem Deinen, ohne daß
er ein andres Motiv dazu hatte, als ſeine unpar-
theiiſche Gerechtigkeitsliebe.



Eine ſonderbare Sitte in England iſt das ſtete
Eingreifen der Zeitungen in das Privatleben. Wer
von irgend einiger Bedeutung iſt, ſieht ſich nicht nur
bei den abgeſchmackteſten Kleinigkeiten, z. B. wo er
einem Diné oder Abendgeſellſchaft beigewohnt, ob er
verreist iſt u. ſ. w., namentlich aufgeführt (was
manche Fremde mit großer Selbſtgefälligkeit leſen),
ſondern er wird auch, arrivirt ihm irgend etwas der
Rede werthes, ohne Scheu damit ausgeſtellt, und
ad libitum beurtheilt. Perſönliche Feindſchaft hat
dabei eben ſo leichtes Spiel, als die Verſuche, Freunde
geltend zu machen, ja gar viele benutzen die Zeitun-
gen zu Artikeln für ihren Vortheil, die ſie ſelbſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0167" n="127"/>
de&#x017F;&#x017F;en mildes Licht reichlich den Glanz jener Tages-<lb/>
&#x017F;onne er&#x017F;etzt, welche gar oft mehr &#x017F;engt als wärmt.</p><lb/>
          <p>Ich fuhr mit L . . . . zu Hau&#x017F;e, wo wir noch am<lb/>
traulichen Kamin ein langes Ge&#x017F;präch über un&#x017F;re in<lb/>
mancher Hin&#x017F;icht &#x017F;o &#x017F;chwer drückenden Landesangele-<lb/>
genheiten hielten. L. i&#x017F;t &#x017F;ehr gütig für mich, und ich<lb/>
ihm doppelt attachirt, einmal wegen &#x017F;einer eignen<lb/>
Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit, zweitens aus Dank-<lb/>
barkeit für &#x017F;einen vortrefflichen Vater, dem wir mehr<lb/>
reellen Dank &#x017F;chuldig &#x017F;ind als dem Deinen, ohne daß<lb/>
er ein andres Motiv dazu hatte, als &#x017F;eine unpar-<lb/>
theii&#x017F;che Gerechtigkeitsliebe.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 23&#x017F;ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Eine &#x017F;onderbare Sitte in England i&#x017F;t das &#x017F;tete<lb/>
Eingreifen der Zeitungen in das Privatleben. Wer<lb/>
von irgend einiger Bedeutung i&#x017F;t, &#x017F;ieht &#x017F;ich nicht nur<lb/>
bei den abge&#x017F;chmackte&#x017F;ten Kleinigkeiten, z. B. wo er<lb/>
einem Din<hi rendition="#aq">é</hi> oder Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft beigewohnt, ob er<lb/>
verreist i&#x017F;t u. &#x017F;. w., namentlich aufgeführt (was<lb/>
manche Fremde mit großer Selb&#x017F;tgefälligkeit le&#x017F;en),<lb/>
&#x017F;ondern er wird auch, arrivirt ihm irgend etwas der<lb/>
Rede werthes, ohne Scheu damit ausge&#x017F;tellt, und<lb/><hi rendition="#aq">ad libitum</hi> beurtheilt. Per&#x017F;önliche Feind&#x017F;chaft hat<lb/>
dabei eben &#x017F;o leichtes Spiel, als die Ver&#x017F;uche, Freunde<lb/>
geltend zu machen, ja gar viele benutzen die Zeitun-<lb/>
gen zu Artikeln für ihren Vortheil, die &#x017F;ie <hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;t</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0167] deſſen mildes Licht reichlich den Glanz jener Tages- ſonne erſetzt, welche gar oft mehr ſengt als wärmt. Ich fuhr mit L . . . . zu Hauſe, wo wir noch am traulichen Kamin ein langes Geſpräch über unſre in mancher Hinſicht ſo ſchwer drückenden Landesangele- genheiten hielten. L. iſt ſehr gütig für mich, und ich ihm doppelt attachirt, einmal wegen ſeiner eignen Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit, zweitens aus Dank- barkeit für ſeinen vortrefflichen Vater, dem wir mehr reellen Dank ſchuldig ſind als dem Deinen, ohne daß er ein andres Motiv dazu hatte, als ſeine unpar- theiiſche Gerechtigkeitsliebe. Den 23ſten. Eine ſonderbare Sitte in England iſt das ſtete Eingreifen der Zeitungen in das Privatleben. Wer von irgend einiger Bedeutung iſt, ſieht ſich nicht nur bei den abgeſchmackteſten Kleinigkeiten, z. B. wo er einem Diné oder Abendgeſellſchaft beigewohnt, ob er verreist iſt u. ſ. w., namentlich aufgeführt (was manche Fremde mit großer Selbſtgefälligkeit leſen), ſondern er wird auch, arrivirt ihm irgend etwas der Rede werthes, ohne Scheu damit ausgeſtellt, und ad libitum beurtheilt. Perſönliche Feindſchaft hat dabei eben ſo leichtes Spiel, als die Verſuche, Freunde geltend zu machen, ja gar viele benutzen die Zeitun- gen zu Artikeln für ihren Vortheil, die ſie ſelbſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/167
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/167>, abgerufen am 27.11.2024.