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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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der Zweck aller Mühe erreicht, und bei der
ersten besonders aufgeregten Stimmung der
Prophetin, legte ich ihr meinen Wunsch auf
den -- Magen, das inbrünstige Wollen
aller meiner verschiedenen Seelen und Gei-
ster: den verstorbenen Busenfreund noch ein-
mal zu sehen.

Sie besann sich eine Weile, und sagte
dann: Was verlangst du Lieber! wisse, L....
kann nicht anders als zu Pferde erscheinen.
"Comment," rief ich erstaunt, "a cheval wie
Napoleon." Nicht anders, mein Freund, so
wollen es die unwandelbaren Gesetze des
Zwischenreichs, denn L...., erinnere Dich,
hatte unter vielen andern Fehlern auch den,
ein viel zu leidenschaftlicher Reiter zu seyn,
und wie bei meiner Seelen-Freundin von
Prevorst alte Ballvortänzer auch jetzt noch
tanzend umherhüpfen müssen, so darf auch
L.... bei mir nur reitend eingelassen wer-
den. Seine Erscheinung wird fürchterlich
seyn, ich sage es Dir vorher, waffne Dich
mit Muth, doch Du hast es gewollt, ich
rief ihn, und höre ... da kömmt er schon!
Obgleich bereits passabel an den Umgang
mit der andern Welt gewöhnt, durchrieselte
doch ein kleiner Schauer mein Gebein, als
ich jetzt -- Tap ... Tap ... Tap ... vor der

der Zweck aller Muͤhe erreicht, und bei der
erſten beſonders aufgeregten Stimmung der
Prophetin, legte ich ihr meinen Wunſch auf
den — Magen, das inbruͤnſtige Wollen
aller meiner verſchiedenen Seelen und Gei-
ſter: den verſtorbenen Buſenfreund noch ein-
mal zu ſehen.

Sie beſann ſich eine Weile, und ſagte
dann: Was verlangſt du Lieber! wiſſe, L....
kann nicht anders als zu Pferde erſcheinen.
»Comment,« rief ich erſtaunt, »à cheval wie
Napoléon.« Nicht anders, mein Freund, ſo
wollen es die unwandelbaren Geſetze des
Zwiſchenreichs, denn L...., erinnere Dich,
hatte unter vielen andern Fehlern auch den,
ein viel zu leidenſchaftlicher Reiter zu ſeyn,
und wie bei meiner Seelen-Freundin von
Prevorſt alte Ballvortaͤnzer auch jetzt noch
tanzend umherhuͤpfen muͤſſen, ſo darf auch
L.... bei mir nur reitend eingelaſſen wer-
den. Seine Erſcheinung wird fuͤrchterlich
ſeyn, ich ſage es Dir vorher, waffne Dich
mit Muth, doch Du haſt es gewollt, ich
rief ihn, und hoͤre … da koͤmmt er ſchon!
Obgleich bereits paſſabel an den Umgang
mit der andern Welt gewoͤhnt, durchrieſelte
doch ein kleiner Schauer mein Gebein, als
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[X/0018] der Zweck aller Muͤhe erreicht, und bei der erſten beſonders aufgeregten Stimmung der Prophetin, legte ich ihr meinen Wunſch auf den — Magen, das inbruͤnſtige Wollen aller meiner verſchiedenen Seelen und Gei- ſter: den verſtorbenen Buſenfreund noch ein- mal zu ſehen. Sie beſann ſich eine Weile, und ſagte dann: Was verlangſt du Lieber! wiſſe, L.... kann nicht anders als zu Pferde erſcheinen. »Comment,« rief ich erſtaunt, »à cheval wie Napoléon.« Nicht anders, mein Freund, ſo wollen es die unwandelbaren Geſetze des Zwiſchenreichs, denn L...., erinnere Dich, hatte unter vielen andern Fehlern auch den, ein viel zu leidenſchaftlicher Reiter zu ſeyn, und wie bei meiner Seelen-Freundin von Prevorſt alte Ballvortaͤnzer auch jetzt noch tanzend umherhuͤpfen muͤſſen, ſo darf auch L.... bei mir nur reitend eingelaſſen wer- den. Seine Erſcheinung wird fuͤrchterlich ſeyn, ich ſage es Dir vorher, waffne Dich mit Muth, doch Du haſt es gewollt, ich rief ihn, und hoͤre … da koͤmmt er ſchon! Obgleich bereits paſſabel an den Umgang mit der andern Welt gewoͤhnt, durchrieſelte doch ein kleiner Schauer mein Gebein, als ich jetzt — Tap … Tap … Tap … vor der

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/18>, abgerufen am 21.11.2024.