Thüre erschallen hörte, und gleich dem Com- thur in Don Juan eine dämmernde, furcht- bare Gestalt, mit dem Haupte schrecklich nickend, langsam ins Zimmer ritt.
Es schien wirklich, als habe mein Freund, zur Strafe für seine einstige Eitelkeit: im- mer die schönsten Pferde haben zu wollen, jetzt das magere Thier der Apokalypse bestei- gen müssen, ein fahles Ungeheuer, dessen Nüstern stahlblaue Dämpfe von sich stießen, und dessen Augen wie Feuerräder im Kopfe rollten. Daß es übrigens bei seinen ungeheu- ren Dimensionen, die gewiß dem trojani- schen Pferde nichts nachgaben, dennoch in unsrer kleinen Stube Platz fand, war ge- wiß ein so offenbares Wunder, daß es auch dem Ungläubigsten jeden Gedanken an mög- liche Täuschung der Sinne benehmen mußte.
O theurer Freund! rief ich zitternd, noch ganz außer mir vor Schrecken und Freude, bist Du es wirklich? ja jetzt erkenne ich schon wieder die alten lieben Züge, und, bei al- len Geistern des Zwischenreichs, wirklich bes- ser conservirt, als ich erwartete. Wieviel, o Freund, habe ich mit Dir zu reden, wie- viel zu melden, wieviel zu erfahren, doch vor Allem höre jetzt das: Was von Dir auf Erden allein zurückblieb -- deine posthümen,
Thuͤre erſchallen hoͤrte, und gleich dem Com- thur in Don Juan eine daͤmmernde, furcht- bare Geſtalt, mit dem Haupte ſchrecklich nickend, langſam ins Zimmer ritt.
Es ſchien wirklich, als habe mein Freund, zur Strafe fuͤr ſeine einſtige Eitelkeit: im- mer die ſchoͤnſten Pferde haben zu wollen, jetzt das magere Thier der Apokalypſe beſtei- gen muͤſſen, ein fahles Ungeheuer, deſſen Nuͤſtern ſtahlblaue Daͤmpfe von ſich ſtießen, und deſſen Augen wie Feuerraͤder im Kopfe rollten. Daß es uͤbrigens bei ſeinen ungeheu- ren Dimenſionen, die gewiß dem trojani- ſchen Pferde nichts nachgaben, dennoch in unſrer kleinen Stube Platz fand, war ge- wiß ein ſo offenbares Wunder, daß es auch dem Unglaͤubigſten jeden Gedanken an moͤg- liche Taͤuſchung der Sinne benehmen mußte.
O theurer Freund! rief ich zitternd, noch ganz außer mir vor Schrecken und Freude, biſt Du es wirklich? ja jetzt erkenne ich ſchon wieder die alten lieben Zuͤge, und, bei al- len Geiſtern des Zwiſchenreichs, wirklich beſ- ſer conſervirt, als ich erwartete. Wieviel, o Freund, habe ich mit Dir zu reden, wie- viel zu melden, wieviel zu erfahren, doch vor Allem hoͤre jetzt das: Was von Dir auf Erden allein zuruͤckblieb — deine poſthuͤmen,
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0019"n="XI"/>
Thuͤre erſchallen hoͤrte, und gleich dem Com-<lb/>
thur in Don Juan eine daͤmmernde, furcht-<lb/>
bare Geſtalt, mit dem Haupte ſchrecklich<lb/>
nickend, langſam ins Zimmer ritt.</p><lb/><p>Es ſchien wirklich, als habe mein Freund,<lb/>
zur Strafe fuͤr ſeine einſtige Eitelkeit: im-<lb/>
mer die ſchoͤnſten Pferde haben zu wollen,<lb/>
jetzt das magere Thier der Apokalypſe beſtei-<lb/>
gen muͤſſen, ein fahles Ungeheuer, deſſen<lb/>
Nuͤſtern ſtahlblaue Daͤmpfe von ſich ſtießen,<lb/>
und deſſen Augen wie Feuerraͤder im Kopfe<lb/>
rollten. Daß es uͤbrigens bei ſeinen ungeheu-<lb/>
ren Dimenſionen, die gewiß dem trojani-<lb/>ſchen Pferde nichts nachgaben, dennoch in<lb/>
unſrer kleinen Stube Platz fand, war ge-<lb/>
wiß ein ſo offenbares Wunder, daß es auch<lb/>
dem Unglaͤubigſten jeden Gedanken an moͤg-<lb/>
liche Taͤuſchung der Sinne benehmen mußte.</p><lb/><p>O theurer Freund! rief ich zitternd, noch<lb/>
ganz außer mir vor Schrecken und Freude,<lb/>
biſt Du es wirklich? ja jetzt erkenne ich ſchon<lb/>
wieder die alten lieben Zuͤge, und, bei al-<lb/>
len Geiſtern des Zwiſchenreichs, wirklich beſ-<lb/>ſer conſervirt, als ich erwartete. Wieviel,<lb/>
o Freund, habe ich mit Dir zu reden, wie-<lb/>
viel zu melden, wieviel zu erfahren, doch<lb/>
vor Allem hoͤre jetzt das: Was von Dir auf<lb/>
Erden allein zuruͤckblieb — deine poſthuͤmen,<lb/></p></div></front></text></TEI>
[XI/0019]
Thuͤre erſchallen hoͤrte, und gleich dem Com-
thur in Don Juan eine daͤmmernde, furcht-
bare Geſtalt, mit dem Haupte ſchrecklich
nickend, langſam ins Zimmer ritt.
Es ſchien wirklich, als habe mein Freund,
zur Strafe fuͤr ſeine einſtige Eitelkeit: im-
mer die ſchoͤnſten Pferde haben zu wollen,
jetzt das magere Thier der Apokalypſe beſtei-
gen muͤſſen, ein fahles Ungeheuer, deſſen
Nuͤſtern ſtahlblaue Daͤmpfe von ſich ſtießen,
und deſſen Augen wie Feuerraͤder im Kopfe
rollten. Daß es uͤbrigens bei ſeinen ungeheu-
ren Dimenſionen, die gewiß dem trojani-
ſchen Pferde nichts nachgaben, dennoch in
unſrer kleinen Stube Platz fand, war ge-
wiß ein ſo offenbares Wunder, daß es auch
dem Unglaͤubigſten jeden Gedanken an moͤg-
liche Taͤuſchung der Sinne benehmen mußte.
O theurer Freund! rief ich zitternd, noch
ganz außer mir vor Schrecken und Freude,
biſt Du es wirklich? ja jetzt erkenne ich ſchon
wieder die alten lieben Zuͤge, und, bei al-
len Geiſtern des Zwiſchenreichs, wirklich beſ-
ſer conſervirt, als ich erwartete. Wieviel,
o Freund, habe ich mit Dir zu reden, wie-
viel zu melden, wieviel zu erfahren, doch
vor Allem hoͤre jetzt das: Was von Dir auf
Erden allein zuruͤckblieb — deine poſthuͤmen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/19>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.