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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Thüre erschallen hörte, und gleich dem Com-
thur in Don Juan eine dämmernde, furcht-
bare Gestalt, mit dem Haupte schrecklich
nickend, langsam ins Zimmer ritt.

Es schien wirklich, als habe mein Freund,
zur Strafe für seine einstige Eitelkeit: im-
mer die schönsten Pferde haben zu wollen,
jetzt das magere Thier der Apokalypse bestei-
gen müssen, ein fahles Ungeheuer, dessen
Nüstern stahlblaue Dämpfe von sich stießen,
und dessen Augen wie Feuerräder im Kopfe
rollten. Daß es übrigens bei seinen ungeheu-
ren Dimensionen, die gewiß dem trojani-
schen Pferde nichts nachgaben, dennoch in
unsrer kleinen Stube Platz fand, war ge-
wiß ein so offenbares Wunder, daß es auch
dem Ungläubigsten jeden Gedanken an mög-
liche Täuschung der Sinne benehmen mußte.

O theurer Freund! rief ich zitternd, noch
ganz außer mir vor Schrecken und Freude,
bist Du es wirklich? ja jetzt erkenne ich schon
wieder die alten lieben Züge, und, bei al-
len Geistern des Zwischenreichs, wirklich bes-
ser conservirt, als ich erwartete. Wieviel,
o Freund, habe ich mit Dir zu reden, wie-
viel zu melden, wieviel zu erfahren, doch
vor Allem höre jetzt das: Was von Dir auf
Erden allein zurückblieb -- deine posthümen,

Thuͤre erſchallen hoͤrte, und gleich dem Com-
thur in Don Juan eine daͤmmernde, furcht-
bare Geſtalt, mit dem Haupte ſchrecklich
nickend, langſam ins Zimmer ritt.

Es ſchien wirklich, als habe mein Freund,
zur Strafe fuͤr ſeine einſtige Eitelkeit: im-
mer die ſchoͤnſten Pferde haben zu wollen,
jetzt das magere Thier der Apokalypſe beſtei-
gen muͤſſen, ein fahles Ungeheuer, deſſen
Nuͤſtern ſtahlblaue Daͤmpfe von ſich ſtießen,
und deſſen Augen wie Feuerraͤder im Kopfe
rollten. Daß es uͤbrigens bei ſeinen ungeheu-
ren Dimenſionen, die gewiß dem trojani-
ſchen Pferde nichts nachgaben, dennoch in
unſrer kleinen Stube Platz fand, war ge-
wiß ein ſo offenbares Wunder, daß es auch
dem Unglaͤubigſten jeden Gedanken an moͤg-
liche Taͤuſchung der Sinne benehmen mußte.

O theurer Freund! rief ich zitternd, noch
ganz außer mir vor Schrecken und Freude,
biſt Du es wirklich? ja jetzt erkenne ich ſchon
wieder die alten lieben Zuͤge, und, bei al-
len Geiſtern des Zwiſchenreichs, wirklich beſ-
ſer conſervirt, als ich erwartete. Wieviel,
o Freund, habe ich mit Dir zu reden, wie-
viel zu melden, wieviel zu erfahren, doch
vor Allem hoͤre jetzt das: Was von Dir auf
Erden allein zuruͤckblieb — deine poſthuͤmen,

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[XI/0019] Thuͤre erſchallen hoͤrte, und gleich dem Com- thur in Don Juan eine daͤmmernde, furcht- bare Geſtalt, mit dem Haupte ſchrecklich nickend, langſam ins Zimmer ritt. Es ſchien wirklich, als habe mein Freund, zur Strafe fuͤr ſeine einſtige Eitelkeit: im- mer die ſchoͤnſten Pferde haben zu wollen, jetzt das magere Thier der Apokalypſe beſtei- gen muͤſſen, ein fahles Ungeheuer, deſſen Nuͤſtern ſtahlblaue Daͤmpfe von ſich ſtießen, und deſſen Augen wie Feuerraͤder im Kopfe rollten. Daß es uͤbrigens bei ſeinen ungeheu- ren Dimenſionen, die gewiß dem trojani- ſchen Pferde nichts nachgaben, dennoch in unſrer kleinen Stube Platz fand, war ge- wiß ein ſo offenbares Wunder, daß es auch dem Unglaͤubigſten jeden Gedanken an moͤg- liche Taͤuſchung der Sinne benehmen mußte. O theurer Freund! rief ich zitternd, noch ganz außer mir vor Schrecken und Freude, biſt Du es wirklich? ja jetzt erkenne ich ſchon wieder die alten lieben Zuͤge, und, bei al- len Geiſtern des Zwiſchenreichs, wirklich beſ- ſer conſervirt, als ich erwartete. Wieviel, o Freund, habe ich mit Dir zu reden, wie- viel zu melden, wieviel zu erfahren, doch vor Allem hoͤre jetzt das: Was von Dir auf Erden allein zuruͤckblieb — deine poſthuͤmen,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/19>, abgerufen am 21.11.2024.