Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

len, daß weder der Graf, noch die Gräfin, noch Fi-
garo sangen, sondern diese Rollen von bloßen Schau-
spielern gegeben, uno die Hauptarien derselben, mit
einiger Veränderung der Worte, von den übrigen
Sängern vorgetragen wurden, wozu der Gärtner
noch eingelegte englische Volkslieder zum Besten gab,
die sich zu Mozarts Musik ohngefähr wie ein Pech-
pflaster auf dem Gesichte der Venus ausnahmen. Die
ganze Oper war überdieß von einem Herrn Bischoff
(was ich auch auf der Affiche bemerkt sah, und zuerst
gar nicht verstand) "arrangirt", d. h. englischen
Ohren durch die abgeschmacktesten Abänderungen ge-
rechter gemacht. Die englische National-Musik, deren
plumpe Melodien man keinen Augenblick verkennen
kann, hat, für mich wenigstens, etwas ganz aus-
nehmend Widriges -- einen Ausdruck brutaler Ge-
fühle in Schmerz und Lust, der sich von Rostbeef,
Plumb-Pudding und Porter ressentirt. Du kannst
Dir also denken, welchen angenehmen Effekt diese
Verschmelzung mit den lieblichen Compositionen Mo-
zarts hervorbringen mußte.

Je n'y pouvais tenir, der arme Mozart kam mir
vor wie ein Märtyrer auf dem Kreuze, und ich selbst
litt nicht weniger dabei.

Dieses Unwesen ist um so bedauernswürdiger, da
es im Ganzen hier keineswegs an vielen verdienst-
lichen Sängern und Sängerinnen fehlt, und mit ei-
ner vernünftigeren Behandlung sehr gute Vorstellun-
gen gegeben werden könnten. Nur bedürfte es frei-

len, daß weder der Graf, noch die Gräfin, noch Fi-
garo ſangen, ſondern dieſe Rollen von bloßen Schau-
ſpielern gegeben, uno die Hauptarien derſelben, mit
einiger Veränderung der Worte, von den übrigen
Sängern vorgetragen wurden, wozu der Gärtner
noch eingelegte engliſche Volkslieder zum Beſten gab,
die ſich zu Mozarts Muſik ohngefähr wie ein Pech-
pflaſter auf dem Geſichte der Venus ausnahmen. Die
ganze Oper war überdieß von einem Herrn Biſchoff
(was ich auch auf der Affiche bemerkt ſah, und zuerſt
gar nicht verſtand) „arrangirt“, d. h. engliſchen
Ohren durch die abgeſchmackteſten Abänderungen ge-
rechter gemacht. Die engliſche National-Muſik, deren
plumpe Melodien man keinen Augenblick verkennen
kann, hat, für mich wenigſtens, etwas ganz aus-
nehmend Widriges — einen Ausdruck brutaler Ge-
fühle in Schmerz und Luſt, der ſich von Roſtbeef,
Plumb-Pudding und Porter reſſentirt. Du kannſt
Dir alſo denken, welchen angenehmen Effekt dieſe
Verſchmelzung mit den lieblichen Compoſitionen Mo-
zarts hervorbringen mußte.

Je n’y pouvais tenir, der arme Mozart kam mir
vor wie ein Märtyrer auf dem Kreuze, und ich ſelbſt
litt nicht weniger dabei.

Dieſes Unweſen iſt um ſo bedauernswürdiger, da
es im Ganzen hier keineswegs an vielen verdienſt-
lichen Sängern und Sängerinnen fehlt, und mit ei-
ner vernünftigeren Behandlung ſehr gute Vorſtellun-
gen gegeben werden könnten. Nur bedürfte es frei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0201" n="157"/>
len, daß weder der Graf, noch die Gräfin, noch Fi-<lb/>
garo &#x017F;angen, &#x017F;ondern die&#x017F;e Rollen von bloßen Schau-<lb/>
&#x017F;pielern gegeben, uno die Hauptarien der&#x017F;elben, mit<lb/>
einiger Veränderung der Worte, von den übrigen<lb/>
Sängern vorgetragen wurden, wozu der Gärtner<lb/>
noch eingelegte engli&#x017F;che Volkslieder zum Be&#x017F;ten gab,<lb/>
die &#x017F;ich zu Mozarts Mu&#x017F;ik ohngefähr wie ein Pech-<lb/>
pfla&#x017F;ter auf dem Ge&#x017F;ichte der Venus ausnahmen. Die<lb/>
ganze Oper war überdieß von einem Herrn Bi&#x017F;choff<lb/>
(was ich auch auf der Affiche bemerkt &#x017F;ah, und zuer&#x017F;t<lb/>
gar nicht ver&#x017F;tand) <hi rendition="#g">&#x201E;arrangirt&#x201C;</hi>, d. h. engli&#x017F;chen<lb/>
Ohren durch die abge&#x017F;chmackte&#x017F;ten Abänderungen ge-<lb/>
rechter gemacht. Die engli&#x017F;che National-Mu&#x017F;ik, deren<lb/>
plumpe Melodien man keinen Augenblick verkennen<lb/>
kann, hat, für mich wenig&#x017F;tens, etwas ganz aus-<lb/>
nehmend Widriges &#x2014; einen Ausdruck brutaler Ge-<lb/>
fühle in Schmerz und Lu&#x017F;t, der &#x017F;ich von Ro&#x017F;tbeef,<lb/>
Plumb-Pudding und Porter re&#x017F;&#x017F;entirt. Du kann&#x017F;t<lb/>
Dir al&#x017F;o denken, welchen angenehmen Effekt die&#x017F;e<lb/>
Ver&#x017F;chmelzung mit den lieblichen Compo&#x017F;itionen Mo-<lb/>
zarts hervorbringen mußte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Je n&#x2019;y pouvais tenir,</hi> der arme Mozart kam mir<lb/>
vor wie ein Märtyrer auf dem Kreuze, und ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
litt nicht weniger dabei.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es Unwe&#x017F;en i&#x017F;t um &#x017F;o bedauernswürdiger, da<lb/>
es im Ganzen hier keineswegs an vielen verdien&#x017F;t-<lb/>
lichen Sängern und Sängerinnen fehlt, und mit ei-<lb/>
ner vernünftigeren Behandlung &#x017F;ehr gute Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen gegeben werden könnten. Nur bedürfte es frei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0201] len, daß weder der Graf, noch die Gräfin, noch Fi- garo ſangen, ſondern dieſe Rollen von bloßen Schau- ſpielern gegeben, uno die Hauptarien derſelben, mit einiger Veränderung der Worte, von den übrigen Sängern vorgetragen wurden, wozu der Gärtner noch eingelegte engliſche Volkslieder zum Beſten gab, die ſich zu Mozarts Muſik ohngefähr wie ein Pech- pflaſter auf dem Geſichte der Venus ausnahmen. Die ganze Oper war überdieß von einem Herrn Biſchoff (was ich auch auf der Affiche bemerkt ſah, und zuerſt gar nicht verſtand) „arrangirt“, d. h. engliſchen Ohren durch die abgeſchmackteſten Abänderungen ge- rechter gemacht. Die engliſche National-Muſik, deren plumpe Melodien man keinen Augenblick verkennen kann, hat, für mich wenigſtens, etwas ganz aus- nehmend Widriges — einen Ausdruck brutaler Ge- fühle in Schmerz und Luſt, der ſich von Roſtbeef, Plumb-Pudding und Porter reſſentirt. Du kannſt Dir alſo denken, welchen angenehmen Effekt dieſe Verſchmelzung mit den lieblichen Compoſitionen Mo- zarts hervorbringen mußte. Je n’y pouvais tenir, der arme Mozart kam mir vor wie ein Märtyrer auf dem Kreuze, und ich ſelbſt litt nicht weniger dabei. Dieſes Unweſen iſt um ſo bedauernswürdiger, da es im Ganzen hier keineswegs an vielen verdienſt- lichen Sängern und Sängerinnen fehlt, und mit ei- ner vernünftigeren Behandlung ſehr gute Vorſtellun- gen gegeben werden könnten. Nur bedürfte es frei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/201
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/201>, abgerufen am 21.11.2024.