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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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stand, eine Satyrphysiognomie machte. Die Geistli-
chen und Rechtsgelehrten sahen in ihren schwarzen
Talaren und weißgepuderten, kurzen und langen Per-
rücken sehr abentheuerlich aus, und einer wurde
unwillkührlich der Gegenstand eines fast allgemeinen,
schwer verbissenen Gelächters. Dieses Subjekt kniete
nämlich ebenfalls nieder, weil es, wie die Engländer
sich ausdrücken, "gerittert" (Knighted) werden sollte,
und sah in dieser Stellung mit dem langen Vließ
auf dem Kopfe einem zur Schlachtbank geführten
Hammel täuschend ähnlich. Seine Majestät winkte
dem Reichs-Kron-Feldherrn, ihm sein Schwerdt zu
geben. Zum erstenmal vielleicht wollte aber dem rü-
stigen Krieger der Degen durchaus nicht aus der
Scheide -- er zog, rückte -- alles vergebens. Der
König mit ausgestrecktem Arme wartend, der Herzog
vergebens alle Kräfte anstrengend, der unglückliche
Märtyrer in stiller Ergebung daliegend, als wenn
sein Ende jetzt herannahe, und rund umher der glän-
zende Hof in banger Erwartung -- es war eine
Gruppe, Gilray's Pinsel würdig. Endlich -- fuhr,
einem Blitze gleich, die Hofwaffe aus der Scheide.
Seine Majestät bemächtigten sich derselben mit Un-
geduld, da Höchst Ihnen aber wahrscheinlich über
dem langen Warten der Arm eingeschlafen war, so
trafen sie mit dem ersten Schlage statt des neuen
Ritters die alte Perrücke, welche einen Augenblick lang
König und Unterthan hinter einer Pudersäule verbarg.


ſtand, eine Satyrphyſiognomie machte. Die Geiſtli-
chen und Rechtsgelehrten ſahen in ihren ſchwarzen
Talaren und weißgepuderten, kurzen und langen Per-
rücken ſehr abentheuerlich aus, und einer wurde
unwillkührlich der Gegenſtand eines faſt allgemeinen,
ſchwer verbiſſenen Gelächters. Dieſes Subjekt kniete
nämlich ebenfalls nieder, weil es, wie die Engländer
ſich ausdrücken, „gerittert“ (Knighted) werden ſollte,
und ſah in dieſer Stellung mit dem langen Vließ
auf dem Kopfe einem zur Schlachtbank geführten
Hammel täuſchend ähnlich. Seine Majeſtät winkte
dem Reichs-Kron-Feldherrn, ihm ſein Schwerdt zu
geben. Zum erſtenmal vielleicht wollte aber dem rü-
ſtigen Krieger der Degen durchaus nicht aus der
Scheide — er zog, rückte — alles vergebens. Der
König mit ausgeſtrecktem Arme wartend, der Herzog
vergebens alle Kräfte anſtrengend, der unglückliche
Märtyrer in ſtiller Ergebung daliegend, als wenn
ſein Ende jetzt herannahe, und rund umher der glän-
zende Hof in banger Erwartung — es war eine
Gruppe, Gilray’s Pinſel würdig. Endlich — fuhr,
einem Blitze gleich, die Hofwaffe aus der Scheide.
Seine Majeſtät bemächtigten ſich derſelben mit Un-
geduld, da Höchſt Ihnen aber wahrſcheinlich über
dem langen Warten der Arm eingeſchlafen war, ſo
trafen ſie mit dem erſten Schlage ſtatt des neuen
Ritters die alte Perrücke, welche einen Augenblick lang
König und Unterthan hinter einer Puderſäule verbarg.


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[174/0218] ſtand, eine Satyrphyſiognomie machte. Die Geiſtli- chen und Rechtsgelehrten ſahen in ihren ſchwarzen Talaren und weißgepuderten, kurzen und langen Per- rücken ſehr abentheuerlich aus, und einer wurde unwillkührlich der Gegenſtand eines faſt allgemeinen, ſchwer verbiſſenen Gelächters. Dieſes Subjekt kniete nämlich ebenfalls nieder, weil es, wie die Engländer ſich ausdrücken, „gerittert“ (Knighted) werden ſollte, und ſah in dieſer Stellung mit dem langen Vließ auf dem Kopfe einem zur Schlachtbank geführten Hammel täuſchend ähnlich. Seine Majeſtät winkte dem Reichs-Kron-Feldherrn, ihm ſein Schwerdt zu geben. Zum erſtenmal vielleicht wollte aber dem rü- ſtigen Krieger der Degen durchaus nicht aus der Scheide — er zog, rückte — alles vergebens. Der König mit ausgeſtrecktem Arme wartend, der Herzog vergebens alle Kräfte anſtrengend, der unglückliche Märtyrer in ſtiller Ergebung daliegend, als wenn ſein Ende jetzt herannahe, und rund umher der glän- zende Hof in banger Erwartung — es war eine Gruppe, Gilray’s Pinſel würdig. Endlich — fuhr, einem Blitze gleich, die Hofwaffe aus der Scheide. Seine Majeſtät bemächtigten ſich derſelben mit Un- geduld, da Höchſt Ihnen aber wahrſcheinlich über dem langen Warten der Arm eingeſchlafen war, ſo trafen ſie mit dem erſten Schlage ſtatt des neuen Ritters die alte Perrücke, welche einen Augenblick lang König und Unterthan hinter einer Puderſäule verbarg.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/218>, abgerufen am 24.11.2024.