Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

falls den Guitarrenkasten ausersieht, um ihren Lieb-
ling darin zu verstecken. Bei der Eile, mit der sie
die Sache ins Werk setzt, bemerkt sie aber nicht, daß
der Platz schon besetzt ist. Doch kaum hat sie den
Kasten aus der Hand gelegt, als der Hund zu knur-
ren und zu bellen anfängt, der Junge zu heulen,
und sie um Hülfe zu schreien, welches Trio die Gal-
lerie vor ausgelassener Freude fast wahnsinnig machte.

Das Ganze ist, wie Du siehst, nicht eben ästhe-
tisch, und mehr für englische Magen eingerichtet, ja
es thut Einem fast weh, so große Fertigkeit einzig
auf so alberne Possen verwendet zu sehen, doch im-
mer bleibt das dargelegte Talent ausgezeichnet, und
selbst die physischen Kräfte bewunderungswürdig, die
ein so angestrengtes Spiel und fortwährendes Spre-
chen, mit den fatiguanten Umkleidungen, ohne An-
stoß mehrere Stunden hintereinander aushalten
können.

Um Dir aber nicht eine gleich angestrengte Geduld
zuzumuthen, will ich jetzt schließen, und wünsche
herzlich, daß der magere Guckkasten dieser Stadt,
wie ich ihn Dir entrolle, Dich nicht allzusehr lang-
weilen möge. Tägliche Lebensbilder hast Du verlangt,
kein statistisches Handbuch, keine Topographie, keine
regelmäßige Aufzählung aller sogenannten Sehens-
würdigkeiten Londons, und keine systematische Ab-
handlung über England erwartest Du von mir,

falls den Guitarrenkaſten auserſieht, um ihren Lieb-
ling darin zu verſtecken. Bei der Eile, mit der ſie
die Sache ins Werk ſetzt, bemerkt ſie aber nicht, daß
der Platz ſchon beſetzt iſt. Doch kaum hat ſie den
Kaſten aus der Hand gelegt, als der Hund zu knur-
ren und zu bellen anfängt, der Junge zu heulen,
und ſie um Hülfe zu ſchreien, welches Trio die Gal-
lerie vor ausgelaſſener Freude faſt wahnſinnig machte.

Das Ganze iſt, wie Du ſiehſt, nicht eben äſthe-
tiſch, und mehr für engliſche Magen eingerichtet, ja
es thut Einem faſt weh, ſo große Fertigkeit einzig
auf ſo alberne Poſſen verwendet zu ſehen, doch im-
mer bleibt das dargelegte Talent ausgezeichnet, und
ſelbſt die phyſiſchen Kräfte bewunderungswürdig, die
ein ſo angeſtrengtes Spiel und fortwährendes Spre-
chen, mit den fatiguanten Umkleidungen, ohne An-
ſtoß mehrere Stunden hintereinander aushalten
können.

Um Dir aber nicht eine gleich angeſtrengte Geduld
zuzumuthen, will ich jetzt ſchließen, und wünſche
herzlich, daß der magere Guckkaſten dieſer Stadt,
wie ich ihn Dir entrolle, Dich nicht allzuſehr lang-
weilen möge. Tägliche Lebensbilder haſt Du verlangt,
kein ſtatiſtiſches Handbuch, keine Topographie, keine
regelmäßige Aufzählung aller ſogenannten Sehens-
würdigkeiten Londons, und keine ſyſtematiſche Ab-
handlung über England erwarteſt Du von mir,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0226" n="182"/>
falls den Guitarrenka&#x017F;ten auser&#x017F;ieht, um ihren Lieb-<lb/>
ling darin zu ver&#x017F;tecken. Bei der Eile, mit der &#x017F;ie<lb/>
die Sache ins Werk &#x017F;etzt, bemerkt &#x017F;ie aber nicht, daß<lb/>
der Platz &#x017F;chon be&#x017F;etzt i&#x017F;t. Doch kaum hat &#x017F;ie den<lb/>
Ka&#x017F;ten aus der Hand gelegt, als der Hund zu knur-<lb/>
ren und zu bellen anfängt, der Junge zu heulen,<lb/>
und &#x017F;ie um Hülfe zu &#x017F;chreien, welches Trio die Gal-<lb/>
lerie vor ausgela&#x017F;&#x017F;ener Freude fa&#x017F;t wahn&#x017F;innig machte.</p><lb/>
          <p>Das Ganze i&#x017F;t, wie Du &#x017F;ieh&#x017F;t, nicht eben ä&#x017F;the-<lb/>
ti&#x017F;ch, und mehr für engli&#x017F;che Magen eingerichtet, ja<lb/>
es thut Einem fa&#x017F;t weh, &#x017F;o große Fertigkeit einzig<lb/>
auf &#x017F;o alberne Po&#x017F;&#x017F;en verwendet zu &#x017F;ehen, doch im-<lb/>
mer bleibt das dargelegte Talent ausgezeichnet, und<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die phy&#x017F;i&#x017F;chen Kräfte bewunderungswürdig, die<lb/>
ein &#x017F;o ange&#x017F;trengtes Spiel und fortwährendes Spre-<lb/>
chen, mit den fatiguanten Umkleidungen, ohne An-<lb/>
&#x017F;toß mehrere Stunden hintereinander aushalten<lb/>
können.</p><lb/>
          <p>Um Dir aber nicht eine gleich ange&#x017F;trengte Geduld<lb/>
zuzumuthen, will ich jetzt &#x017F;chließen, und wün&#x017F;che<lb/>
herzlich, daß der magere Guckka&#x017F;ten die&#x017F;er Stadt,<lb/>
wie ich ihn Dir entrolle, Dich nicht allzu&#x017F;ehr lang-<lb/>
weilen möge. Tägliche Lebensbilder ha&#x017F;t Du verlangt,<lb/>
kein &#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;ches Handbuch, keine Topographie, keine<lb/>
regelmäßige Aufzählung aller &#x017F;ogenannten Sehens-<lb/>
würdigkeiten Londons, und keine &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che Ab-<lb/>
handlung über England erwarte&#x017F;t Du von mir,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0226] falls den Guitarrenkaſten auserſieht, um ihren Lieb- ling darin zu verſtecken. Bei der Eile, mit der ſie die Sache ins Werk ſetzt, bemerkt ſie aber nicht, daß der Platz ſchon beſetzt iſt. Doch kaum hat ſie den Kaſten aus der Hand gelegt, als der Hund zu knur- ren und zu bellen anfängt, der Junge zu heulen, und ſie um Hülfe zu ſchreien, welches Trio die Gal- lerie vor ausgelaſſener Freude faſt wahnſinnig machte. Das Ganze iſt, wie Du ſiehſt, nicht eben äſthe- tiſch, und mehr für engliſche Magen eingerichtet, ja es thut Einem faſt weh, ſo große Fertigkeit einzig auf ſo alberne Poſſen verwendet zu ſehen, doch im- mer bleibt das dargelegte Talent ausgezeichnet, und ſelbſt die phyſiſchen Kräfte bewunderungswürdig, die ein ſo angeſtrengtes Spiel und fortwährendes Spre- chen, mit den fatiguanten Umkleidungen, ohne An- ſtoß mehrere Stunden hintereinander aushalten können. Um Dir aber nicht eine gleich angeſtrengte Geduld zuzumuthen, will ich jetzt ſchließen, und wünſche herzlich, daß der magere Guckkaſten dieſer Stadt, wie ich ihn Dir entrolle, Dich nicht allzuſehr lang- weilen möge. Tägliche Lebensbilder haſt Du verlangt, kein ſtatiſtiſches Handbuch, keine Topographie, keine regelmäßige Aufzählung aller ſogenannten Sehens- würdigkeiten Londons, und keine ſyſtematiſche Ab- handlung über England erwarteſt Du von mir,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/226
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/226>, abgerufen am 21.11.2024.