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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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das Ende zum Anfang zu machen, wäh-
rend Du dadurch doch nur ein heilsames
clair obscur über das Ganze breiten, und
ihm, wie der Richter sagt, einen epischen
Anstrich geben wolltest. So erscheinst Du
denn, neben dem glücklichen Autor, auch
als gewandter Editor, vor Reich und Zwi-
schenreich, uns Beiden aber wird schließ-
lich Absolution ertheilt, wenn wir auch
wirklich gewagt haben sollten, hie und da
Dichtung (bescheidner, Fiktion) mit Wahr-
heit zu vermischen.

Der Verstorbene (wie man sieht, mit
ziemlicher Redseligkeit begabt) machte Miene
noch länger fortfahren zu wollen, als eine
dröhnend schallende Glocke ertönte, und ihm
plötzliches Stillschweigen auflegte. Es war,
wie wir bald merkten, ein warnendes Zei-
chen für ihn: sein stündliches Strafpensum
abzureiten, welches dießmal in dreimal drei
Volten, in neun verschiedenen Gangarten,
rund um die Stube bestand. Es war schreck-
lich anzusehen, wie der ungeheure, uns mehr
als spanisch vorkommende Tritt des hölli-
schen Gaules ihm fast den Athem zu beneh-
men schien. Noch mehr schauderten wir aber,
als jetzt der, gleich einem Kometen in ellip-
tischen Bahnen kreisende Schweif des Un-

das Ende zum Anfang zu machen, waͤh-
rend Du dadurch doch nur ein heilſames
clair obscur uͤber das Ganze breiten, und
ihm, wie der Richter ſagt, einen epiſchen
Anſtrich geben wollteſt. So erſcheinſt Du
denn, neben dem gluͤcklichen Autor, auch
als gewandter Editor, vor Reich und Zwi-
ſchenreich, uns Beiden aber wird ſchließ-
lich Abſolution ertheilt, wenn wir auch
wirklich gewagt haben ſollten, hie und da
Dichtung (beſcheidner, Fiktion) mit Wahr-
heit zu vermiſchen.

Der Verſtorbene (wie man ſieht, mit
ziemlicher Redſeligkeit begabt) machte Miene
noch laͤnger fortfahren zu wollen, als eine
droͤhnend ſchallende Glocke ertoͤnte, und ihm
ploͤtzliches Stillſchweigen auflegte. Es war,
wie wir bald merkten, ein warnendes Zei-
chen fuͤr ihn: ſein ſtuͤndliches Strafpenſum
abzureiten, welches dießmal in dreimal drei
Volten, in neun verſchiedenen Gangarten,
rund um die Stube beſtand. Es war ſchreck-
lich anzuſehen, wie der ungeheure, uns mehr
als ſpaniſch vorkommende Tritt des hoͤlli-
ſchen Gaules ihm faſt den Athem zu beneh-
men ſchien. Noch mehr ſchauderten wir aber,
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[XV/0023] das Ende zum Anfang zu machen, waͤh- rend Du dadurch doch nur ein heilſames clair obscur uͤber das Ganze breiten, und ihm, wie der Richter ſagt, einen epiſchen Anſtrich geben wollteſt. So erſcheinſt Du denn, neben dem gluͤcklichen Autor, auch als gewandter Editor, vor Reich und Zwi- ſchenreich, uns Beiden aber wird ſchließ- lich Abſolution ertheilt, wenn wir auch wirklich gewagt haben ſollten, hie und da Dichtung (beſcheidner, Fiktion) mit Wahr- heit zu vermiſchen. Der Verſtorbene (wie man ſieht, mit ziemlicher Redſeligkeit begabt) machte Miene noch laͤnger fortfahren zu wollen, als eine droͤhnend ſchallende Glocke ertoͤnte, und ihm ploͤtzliches Stillſchweigen auflegte. Es war, wie wir bald merkten, ein warnendes Zei- chen fuͤr ihn: ſein ſtuͤndliches Strafpenſum abzureiten, welches dießmal in dreimal drei Volten, in neun verſchiedenen Gangarten, rund um die Stube beſtand. Es war ſchreck- lich anzuſehen, wie der ungeheure, uns mehr als ſpaniſch vorkommende Tritt des hoͤlli- ſchen Gaules ihm faſt den Athem zu beneh- men ſchien. Noch mehr ſchauderten wir aber, als jetzt der, gleich einem Kometen in ellip- tiſchen Bahnen kreiſende Schweif des Un-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/23>, abgerufen am 21.11.2024.