Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

denn es ist Sitte hier, Freunde in solche Art Ge-
sellschaften
mitzunehmen, und sie erst dort der
Dame vom Hause zu präsentiren, der man nie ge-
nug bringen kann, um ihr kleines Lokal bis zum
Ersticken zu füllen. Je mehr, je besser, und soll
ihre Eitelkeit ganz befriedigt werden, so muß auch
vor dem Hause eine Bagarre unter den Wagen ent-
stehen, einige zertrümmert werden, und einige Men-
schen und Pferde dabei verunglücken, damit den an-
dern Tag ein recht langer Artikel in der morning
post
über die höchst fashionable soiree by Lady Vain
oder Foolish paradiren könne.

Ich machte indeß diesen Abend eine interessantere
Bekanntschaft auf der Treppe (weiter kam ich nicht)
als ich erwartete, an Lady Charlotte B ..., die als
Schriftstellerin einigen Ruf erlangt hat. Sie ist die
Schwester eines Herzogs, war einst eine berühmte
Schönheit, und hat jetzt den Hofmeister ihrer Kin-
der geheirathet. Den andern Tag besuchte ich sie,
und fand in ihrem Hause alles braun, durch alle
Nüancen schattirt, Meubel, Vorhänge, Teppiche,
ihre und der Kinder Kleidung, nichts bot eine andere
Farbe. Die Stube war ohne Spiegel und Bilder,
nur mit Gypsabgüssen von antiken Büsten und Bas-
reliefs geschmückt. Dies ist eine neue Art von
Brownomanie, an der alten hängt Lady B. dage-
gen, als Schriftstellerin betrachtet, desto weniger,
und wenn ich sie mit Lady Morgan z. B. zusammen-
stellen sollte (die eine ächte geistige Brownianerin ist)

denn es iſt Sitte hier, Freunde in ſolche Art Ge-
ſellſchaften
mitzunehmen, und ſie erſt dort der
Dame vom Hauſe zu präſentiren, der man nie ge-
nug bringen kann, um ihr kleines Lokal bis zum
Erſticken zu füllen. Je mehr, je beſſer, und ſoll
ihre Eitelkeit ganz befriedigt werden, ſo muß auch
vor dem Hauſe eine Bagarre unter den Wagen ent-
ſtehen, einige zertrümmert werden, und einige Men-
ſchen und Pferde dabei verunglücken, damit den an-
dern Tag ein recht langer Artikel in der morning
post
über die höchſt faſhionable soirée by Lady Vain
oder Foolish paradiren könne.

Ich machte indeß dieſen Abend eine intereſſantere
Bekanntſchaft auf der Treppe (weiter kam ich nicht)
als ich erwartete, an Lady Charlotte B …, die als
Schriftſtellerin einigen Ruf erlangt hat. Sie iſt die
Schweſter eines Herzogs, war einſt eine berühmte
Schönheit, und hat jetzt den Hofmeiſter ihrer Kin-
der geheirathet. Den andern Tag beſuchte ich ſie,
und fand in ihrem Hauſe alles braun, durch alle
Nüancen ſchattirt, Meubel, Vorhänge, Teppiche,
ihre und der Kinder Kleidung, nichts bot eine andere
Farbe. Die Stube war ohne Spiegel und Bilder,
nur mit Gypsabgüſſen von antiken Büſten und Bas-
reliefs geſchmückt. Dies iſt eine neue Art von
Brownomanie, an der alten hängt Lady B. dage-
gen, als Schriftſtellerin betrachtet, deſto weniger,
und wenn ich ſie mit Lady Morgan z. B. zuſammen-
ſtellen ſollte (die eine ächte geiſtige Brownianerin iſt)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0232" n="188"/>
denn es i&#x017F;t Sitte hier, Freunde <hi rendition="#g">in &#x017F;olche Art Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaften</hi> mitzunehmen, und &#x017F;ie er&#x017F;t dort der<lb/>
Dame vom Hau&#x017F;e zu prä&#x017F;entiren, der man nie ge-<lb/>
nug bringen kann, um ihr kleines Lokal bis zum<lb/>
Er&#x017F;ticken zu füllen. Je mehr, je be&#x017F;&#x017F;er, und &#x017F;oll<lb/>
ihre Eitelkeit ganz befriedigt werden, &#x017F;o muß auch<lb/>
vor dem Hau&#x017F;e eine Bagarre unter den Wagen ent-<lb/>
&#x017F;tehen, einige zertrümmert werden, und einige Men-<lb/>
&#x017F;chen und Pferde dabei verunglücken, damit den an-<lb/>
dern Tag ein recht langer Artikel in der <hi rendition="#aq">morning<lb/>
post</hi> über die höch&#x017F;t fa&#x017F;hionable <hi rendition="#aq">soirée by Lady Vain</hi><lb/>
oder <hi rendition="#aq">Foolish</hi> paradiren könne.</p><lb/>
          <p>Ich machte indeß die&#x017F;en Abend eine intere&#x017F;&#x017F;antere<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft auf der Treppe (weiter kam ich nicht)<lb/>
als ich erwartete, an Lady Charlotte B &#x2026;, die als<lb/>
Schrift&#x017F;tellerin einigen Ruf erlangt hat. Sie i&#x017F;t die<lb/>
Schwe&#x017F;ter eines Herzogs, war ein&#x017F;t eine berühmte<lb/>
Schönheit, und hat jetzt den Hofmei&#x017F;ter ihrer Kin-<lb/>
der geheirathet. Den andern Tag be&#x017F;uchte ich &#x017F;ie,<lb/>
und fand in ihrem Hau&#x017F;e alles braun, durch alle<lb/>
Nüancen &#x017F;chattirt, Meubel, Vorhänge, Teppiche,<lb/>
ihre und der Kinder Kleidung, nichts bot eine andere<lb/>
Farbe. Die Stube war ohne Spiegel und Bilder,<lb/>
nur mit Gypsabgü&#x017F;&#x017F;en von antiken Bü&#x017F;ten und Bas-<lb/>
reliefs ge&#x017F;chmückt. Dies i&#x017F;t eine neue Art von<lb/>
Brownomanie, an der alten hängt Lady B. dage-<lb/>
gen, als Schrift&#x017F;tellerin betrachtet, de&#x017F;to weniger,<lb/>
und wenn ich &#x017F;ie mit Lady Morgan z. B. zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;tellen &#x017F;ollte (die eine ächte gei&#x017F;tige Brownianerin i&#x017F;t)<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0232] denn es iſt Sitte hier, Freunde in ſolche Art Ge- ſellſchaften mitzunehmen, und ſie erſt dort der Dame vom Hauſe zu präſentiren, der man nie ge- nug bringen kann, um ihr kleines Lokal bis zum Erſticken zu füllen. Je mehr, je beſſer, und ſoll ihre Eitelkeit ganz befriedigt werden, ſo muß auch vor dem Hauſe eine Bagarre unter den Wagen ent- ſtehen, einige zertrümmert werden, und einige Men- ſchen und Pferde dabei verunglücken, damit den an- dern Tag ein recht langer Artikel in der morning post über die höchſt faſhionable soirée by Lady Vain oder Foolish paradiren könne. Ich machte indeß dieſen Abend eine intereſſantere Bekanntſchaft auf der Treppe (weiter kam ich nicht) als ich erwartete, an Lady Charlotte B …, die als Schriftſtellerin einigen Ruf erlangt hat. Sie iſt die Schweſter eines Herzogs, war einſt eine berühmte Schönheit, und hat jetzt den Hofmeiſter ihrer Kin- der geheirathet. Den andern Tag beſuchte ich ſie, und fand in ihrem Hauſe alles braun, durch alle Nüancen ſchattirt, Meubel, Vorhänge, Teppiche, ihre und der Kinder Kleidung, nichts bot eine andere Farbe. Die Stube war ohne Spiegel und Bilder, nur mit Gypsabgüſſen von antiken Büſten und Bas- reliefs geſchmückt. Dies iſt eine neue Art von Brownomanie, an der alten hängt Lady B. dage- gen, als Schriftſtellerin betrachtet, deſto weniger, und wenn ich ſie mit Lady Morgan z. B. zuſammen- ſtellen ſollte (die eine ächte geiſtige Brownianerin iſt)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/232
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/232>, abgerufen am 21.11.2024.