Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

gie gänzlich, mit der er sie auszuführen wußte,
und das ist ein Gewinn für die Menschheit *).

Es ist jetzt ein französisches Theater hier, das nur
von der besten Gesellschaft besucht wird, und das
demohngeachtet nur einer dunkeln kleinen Privat-
bühne gleicht. Perlet und Laporte sind seine Stützen
und spielen vortrefflich. Der letztere giebt aber auch,
mit französischer Assürance, Rollen auf dem englischen
Theater, und glaubt, wenn das Publikum über sei-
nen Accent und französische Manieren lacht, es sey
bloße Anerkennung seiner vis comica.

Ich war in Gesellschaft der Mistriß W ...., Frau
des bekannten Ministers und Parlamentredners, ins
Theater gegangen, und folgte ihr nachher auf den
ersten ächten Rout, den ich diesmal besuchte, und
zwar in ein Haus, das mir ganz unbekannt war,

*) Von den neueren Memoiren des Herrn von Bourienne hat
man leider auch weniger wahren Aufschluß über Napoleons
eigenstes Wesen erhalten, als man erwartete. Bourienne
schildert Napoleon als Bourienne -- und wenn der Zwerg
auch hundert Jahre um des Riesen Füße herumläuft, so
ist doch seine Taille zu kurz, um ihm je in die Augen sehen
zu können. In einer Sache hat er jedoch recht, die auch
ganz a sa portee war, nämlich, daß der Hauptfeind, von
dem Napoleon zu Boden geworfen ward, der so unpolitisch
auf's Aeusserste gebrachte Handelsstand war, heut zu
Tage eine größere Macht als Kirche und Herr, welche
nur nach der Macht der öffentlichen Meinung weicht,
wenn sich diese je gegen sein Interesse erklären sollte.
A. d. H.

gie gänzlich, mit der er ſie auszuführen wußte,
und das iſt ein Gewinn für die Menſchheit *).

Es iſt jetzt ein franzöſiſches Theater hier, das nur
von der beſten Geſellſchaft beſucht wird, und das
demohngeachtet nur einer dunkeln kleinen Privat-
bühne gleicht. Perlet und Laporte ſind ſeine Stützen
und ſpielen vortrefflich. Der letztere giebt aber auch,
mit franzöſiſcher Aſſürance, Rollen auf dem engliſchen
Theater, und glaubt, wenn das Publikum über ſei-
nen Accent und franzöſiſche Manieren lacht, es ſey
bloße Anerkennung ſeiner vis comica.

Ich war in Geſellſchaft der Miſtriß W ...., Frau
des bekannten Miniſters und Parlamentredners, ins
Theater gegangen, und folgte ihr nachher auf den
erſten ächten Rout, den ich diesmal beſuchte, und
zwar in ein Haus, das mir ganz unbekannt war,

*) Von den neueren Memoiren des Herrn von Bourienne hat
man leider auch weniger wahren Aufſchluß uͤber Napoleons
eigenſtes Weſen erhalten, als man erwartete. Bourienne
ſchildert Napoleon als Bourienne — und wenn der Zwerg
auch hundert Jahre um des Rieſen Fuͤße herumlaͤuft, ſo
iſt doch ſeine Taille zu kurz, um ihm je in die Augen ſehen
zu koͤnnen. In einer Sache hat er jedoch recht, die auch
ganz à sa portée war, naͤmlich, daß der Hauptfeind, von
dem Napoleon zu Boden geworfen ward, der ſo unpolitiſch
auf’s Aeuſſerſte gebrachte Handelsſtand war, heut zu
Tage eine groͤßere Macht als Kirche und Herr, welche
nur nach der Macht der oͤffentlichen Meinung weicht,
wenn ſich dieſe je gegen ſein Intereſſe erklaͤren ſollte.
A. d. H.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0231" n="187"/>
gie gänzlich, mit der <hi rendition="#g">er</hi> &#x017F;ie auszuführen wußte,<lb/>
und das i&#x017F;t ein Gewinn für die Men&#x017F;chheit <note place="foot" n="*)">Von den neueren Memoiren des Herrn von Bourienne hat<lb/>
man leider auch weniger wahren Auf&#x017F;chluß u&#x0364;ber Napoleons<lb/>
eigen&#x017F;tes We&#x017F;en erhalten, als man erwartete. Bourienne<lb/>
&#x017F;childert Napoleon als Bourienne &#x2014; und wenn der Zwerg<lb/>
auch hundert Jahre um des Rie&#x017F;en Fu&#x0364;ße herumla&#x0364;uft, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t doch &#x017F;eine Taille zu kurz, um ihm je in die Augen &#x017F;ehen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen. In <hi rendition="#g">einer</hi> Sache hat er jedoch recht, die auch<lb/>
ganz <hi rendition="#aq">à sa portée</hi> war, na&#x0364;mlich, daß der Hauptfeind, von<lb/>
dem Napoleon zu Boden geworfen ward, der &#x017F;o unpoliti&#x017F;ch<lb/>
auf&#x2019;s Aeu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te gebrachte <hi rendition="#g">Handels&#x017F;tand</hi> war, heut zu<lb/>
Tage eine gro&#x0364;ßere Macht als Kirche und Herr, welche<lb/>
nur nach der Macht der o&#x0364;ffentlichen Meinung weicht,<lb/>
wenn &#x017F;ich die&#x017F;e je gegen &#x017F;ein Intere&#x017F;&#x017F;e erkla&#x0364;ren &#x017F;ollte.<lb/><hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t jetzt ein franzö&#x017F;i&#x017F;ches Theater hier, das nur<lb/>
von der be&#x017F;ten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft be&#x017F;ucht wird, und das<lb/>
demohngeachtet nur einer dunkeln kleinen Privat-<lb/>
bühne gleicht. Perlet und Laporte &#x017F;ind &#x017F;eine Stützen<lb/>
und &#x017F;pielen vortrefflich. Der letztere giebt aber auch,<lb/>
mit franzö&#x017F;i&#x017F;cher A&#x017F;&#x017F;ürance, Rollen auf dem engli&#x017F;chen<lb/>
Theater, und glaubt, wenn das Publikum über &#x017F;ei-<lb/>
nen Accent und franzö&#x017F;i&#x017F;che Manieren lacht, es &#x017F;ey<lb/>
bloße Anerkennung &#x017F;einer <hi rendition="#aq">vis comica.</hi></p><lb/>
          <p>Ich war in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Mi&#x017F;triß W ...., Frau<lb/>
des bekannten Mini&#x017F;ters und Parlamentredners, ins<lb/>
Theater gegangen, und folgte ihr nachher auf den<lb/>
er&#x017F;ten ächten Rout, den ich diesmal be&#x017F;uchte, und<lb/>
zwar in ein Haus, das mir ganz unbekannt war,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0231] gie gänzlich, mit der er ſie auszuführen wußte, und das iſt ein Gewinn für die Menſchheit *). Es iſt jetzt ein franzöſiſches Theater hier, das nur von der beſten Geſellſchaft beſucht wird, und das demohngeachtet nur einer dunkeln kleinen Privat- bühne gleicht. Perlet und Laporte ſind ſeine Stützen und ſpielen vortrefflich. Der letztere giebt aber auch, mit franzöſiſcher Aſſürance, Rollen auf dem engliſchen Theater, und glaubt, wenn das Publikum über ſei- nen Accent und franzöſiſche Manieren lacht, es ſey bloße Anerkennung ſeiner vis comica. Ich war in Geſellſchaft der Miſtriß W ...., Frau des bekannten Miniſters und Parlamentredners, ins Theater gegangen, und folgte ihr nachher auf den erſten ächten Rout, den ich diesmal beſuchte, und zwar in ein Haus, das mir ganz unbekannt war, *) Von den neueren Memoiren des Herrn von Bourienne hat man leider auch weniger wahren Aufſchluß uͤber Napoleons eigenſtes Weſen erhalten, als man erwartete. Bourienne ſchildert Napoleon als Bourienne — und wenn der Zwerg auch hundert Jahre um des Rieſen Fuͤße herumlaͤuft, ſo iſt doch ſeine Taille zu kurz, um ihm je in die Augen ſehen zu koͤnnen. In einer Sache hat er jedoch recht, die auch ganz à sa portée war, naͤmlich, daß der Hauptfeind, von dem Napoleon zu Boden geworfen ward, der ſo unpolitiſch auf’s Aeuſſerſte gebrachte Handelsſtand war, heut zu Tage eine groͤßere Macht als Kirche und Herr, welche nur nach der Macht der oͤffentlichen Meinung weicht, wenn ſich dieſe je gegen ſein Intereſſe erklaͤren ſollte. A. d. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/231
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/231>, abgerufen am 15.05.2024.