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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Kunst der Conversation, wie sie einst in Frankreich
herrschte, möchte vielleicht bald ganz verloren gehen.
Hier, glaube ich, hat sie ohnehin in dieser Beziehung
wohl nie existirt, es müßte denn zu Carls II. Zeiten
gewesen seyn; auch ist man allen statt findenden Ge-
bräuchen hier zu sclavisch unterworfen, zu systema-
tisch in allen Genüssen, zu unglaublich mit Vorur-
theilen durchknetet, zu wenig lebhaft, endlich, um
jene ungezwungne Freiheit des Geistes zu erlangen,
die allein die Basis liebenswürdiger Gesellschaftlich-
keit bilden kann. Ich muß gestehen, daß ich keine
einförmigere und eingebildetere kenne, als die hiesige
beste, mit nur wenigen Ausnahmen, und diese größ-
tentheils unter den Fremden, oder denen, die sehr
lange auf dem Continent lebten. Ein versteinerter,
marmorkalter Kasten und Modengeist regiert Alles,
und macht die ersten Klassen langweilig, die tiefern
Abstufungen lächerlich. Wahre Herzenshöflichkeit und
heitere Bonhomie vermißt man ganz, und sieht von
den fremden Nationen weder die französische Leichtig-
keit, noch italienische Natürlichkeit angenommen, son-
dern höchstens deutsche Steifheit und Verlegenheit,
die sich hinter Arroganz und Hochmuth versteckt.

Bei alle dem hat der Nimbus, den eine festgean-
kerte Aristokratie und vieles Geld (nebst allerdings
auch vielem Geschmack in seiner Anwendung, den
man nicht bestreiten kann) die hiesige große Welt zu
der par excellence in Europa gestempelt, der alle
Nationen mehr oder weniger den Vorrang einräu-

Kunſt der Converſation, wie ſie einſt in Frankreich
herrſchte, möchte vielleicht bald ganz verloren gehen.
Hier, glaube ich, hat ſie ohnehin in dieſer Beziehung
wohl nie exiſtirt, es müßte denn zu Carls II. Zeiten
geweſen ſeyn; auch iſt man allen ſtatt findenden Ge-
bräuchen hier zu ſclaviſch unterworfen, zu ſyſtema-
tiſch in allen Genüſſen, zu unglaublich mit Vorur-
theilen durchknetet, zu wenig lebhaft, endlich, um
jene ungezwungne Freiheit des Geiſtes zu erlangen,
die allein die Baſis liebenswürdiger Geſellſchaftlich-
keit bilden kann. Ich muß geſtehen, daß ich keine
einförmigere und eingebildetere kenne, als die hieſige
beſte, mit nur wenigen Ausnahmen, und dieſe größ-
tentheils unter den Fremden, oder denen, die ſehr
lange auf dem Continent lebten. Ein verſteinerter,
marmorkalter Kaſten und Modengeiſt regiert Alles,
und macht die erſten Klaſſen langweilig, die tiefern
Abſtufungen lächerlich. Wahre Herzenshöflichkeit und
heitere Bonhomie vermißt man ganz, und ſieht von
den fremden Nationen weder die franzöſiſche Leichtig-
keit, noch italieniſche Natürlichkeit angenommen, ſon-
dern höchſtens deutſche Steifheit und Verlegenheit,
die ſich hinter Arroganz und Hochmuth verſteckt.

Bei alle dem hat der Nimbus, den eine feſtgean-
kerte Ariſtokratie und vieles Geld (nebſt allerdings
auch vielem Geſchmack in ſeiner Anwendung, den
man nicht beſtreiten kann) die hieſige große Welt zu
der par excellence in Europa geſtempelt, der alle
Nationen mehr oder weniger den Vorrang einräu-

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[190/0234] Kunſt der Converſation, wie ſie einſt in Frankreich herrſchte, möchte vielleicht bald ganz verloren gehen. Hier, glaube ich, hat ſie ohnehin in dieſer Beziehung wohl nie exiſtirt, es müßte denn zu Carls II. Zeiten geweſen ſeyn; auch iſt man allen ſtatt findenden Ge- bräuchen hier zu ſclaviſch unterworfen, zu ſyſtema- tiſch in allen Genüſſen, zu unglaublich mit Vorur- theilen durchknetet, zu wenig lebhaft, endlich, um jene ungezwungne Freiheit des Geiſtes zu erlangen, die allein die Baſis liebenswürdiger Geſellſchaftlich- keit bilden kann. Ich muß geſtehen, daß ich keine einförmigere und eingebildetere kenne, als die hieſige beſte, mit nur wenigen Ausnahmen, und dieſe größ- tentheils unter den Fremden, oder denen, die ſehr lange auf dem Continent lebten. Ein verſteinerter, marmorkalter Kaſten und Modengeiſt regiert Alles, und macht die erſten Klaſſen langweilig, die tiefern Abſtufungen lächerlich. Wahre Herzenshöflichkeit und heitere Bonhomie vermißt man ganz, und ſieht von den fremden Nationen weder die franzöſiſche Leichtig- keit, noch italieniſche Natürlichkeit angenommen, ſon- dern höchſtens deutſche Steifheit und Verlegenheit, die ſich hinter Arroganz und Hochmuth verſteckt. Bei alle dem hat der Nimbus, den eine feſtgean- kerte Ariſtokratie und vieles Geld (nebſt allerdings auch vielem Geſchmack in ſeiner Anwendung, den man nicht beſtreiten kann) die hieſige große Welt zu der par excellence in Europa geſtempelt, der alle Nationen mehr oder weniger den Vorrang einräu-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/234>, abgerufen am 21.11.2024.