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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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men. Daß Ausländern aber persönlich nicht wohl
dabei wird, beweiset die Seltenheit der Fremden in
England, und ihr noch weit seltnerer langer Aufent-
halt daselbst. Jeder dankt im Grunde des Herzens
Gott, wenn er aus der englischen Gesellschaft wieder
weg ist, lobt aber nachher dennoch aus eigner Eitel-
keit diese unerquickliche Nebelsonne, deren Strahlen
ihm doch von allen dortigen Dingen gewiß am we-
nigsten Comfort gegeben haben.

Weit liebenswürdiger, wie liebender, scheinen die
Engländer in ihren häuslichen und intimsten Ver-
hältnissen zu seyn, obgleich auch hier viel Barokkes
vorwaltet, wie z. B. die allgemeine Sitte in den hö-
heren Ständen, daß die Söhne, sobald sie, so zu sa-
gen, flügge sind, das väterliche Haus verlassen, und
für sich allein leben müssen, ja ohne förmliche Einla-
dung nicht einmal bei Vater und Mutter zum Essen
erscheinen dürfen. Als rührendes Beispiel ehlicher
Liebe las ich neulich in den Zeitungen, daß der Mar-
quis Hastings in Malta gestorben, und kurz vorher
verordnet habe, sogleich nach seinem Tode ihm die
rechte Hand abzuhauen, um sie seiner Frau als An-
denken eingepökelt zu übersenden. Ein Herr meiner
Bekanntschaft schnitt seiner gestorbnen Mutter aus
wahrer Zärtlichkeit und mit ihrer vorher eingeholten
Erlaubniß den Kopf ab, um den Schädel sein gan-
zes Leben lang küssen zu können, wogegen andere
Engländer, glaube ich, lieber in die Hölle gingen,
als zuließen, daß man ihrem Leichnam mit einem

men. Daß Ausländern aber perſönlich nicht wohl
dabei wird, beweiſet die Seltenheit der Fremden in
England, und ihr noch weit ſeltnerer langer Aufent-
halt daſelbſt. Jeder dankt im Grunde des Herzens
Gott, wenn er aus der engliſchen Geſellſchaft wieder
weg iſt, lobt aber nachher dennoch aus eigner Eitel-
keit dieſe unerquickliche Nebelſonne, deren Strahlen
ihm doch von allen dortigen Dingen gewiß am we-
nigſten Comfort gegeben haben.

Weit liebenswürdiger, wie liebender, ſcheinen die
Engländer in ihren häuslichen und intimſten Ver-
hältniſſen zu ſeyn, obgleich auch hier viel Barokkes
vorwaltet, wie z. B. die allgemeine Sitte in den hö-
heren Ständen, daß die Söhne, ſobald ſie, ſo zu ſa-
gen, flügge ſind, das väterliche Haus verlaſſen, und
für ſich allein leben müſſen, ja ohne förmliche Einla-
dung nicht einmal bei Vater und Mutter zum Eſſen
erſcheinen dürfen. Als rührendes Beiſpiel ehlicher
Liebe las ich neulich in den Zeitungen, daß der Mar-
quis Haſtings in Malta geſtorben, und kurz vorher
verordnet habe, ſogleich nach ſeinem Tode ihm die
rechte Hand abzuhauen, um ſie ſeiner Frau als An-
denken eingepökelt zu überſenden. Ein Herr meiner
Bekanntſchaft ſchnitt ſeiner geſtorbnen Mutter aus
wahrer Zärtlichkeit und mit ihrer vorher eingeholten
Erlaubniß den Kopf ab, um den Schädel ſein gan-
zes Leben lang küſſen zu können, wogegen andere
Engländer, glaube ich, lieber in die Hölle gingen,
als zuließen, daß man ihrem Leichnam mit einem

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[191/0235] men. Daß Ausländern aber perſönlich nicht wohl dabei wird, beweiſet die Seltenheit der Fremden in England, und ihr noch weit ſeltnerer langer Aufent- halt daſelbſt. Jeder dankt im Grunde des Herzens Gott, wenn er aus der engliſchen Geſellſchaft wieder weg iſt, lobt aber nachher dennoch aus eigner Eitel- keit dieſe unerquickliche Nebelſonne, deren Strahlen ihm doch von allen dortigen Dingen gewiß am we- nigſten Comfort gegeben haben. Weit liebenswürdiger, wie liebender, ſcheinen die Engländer in ihren häuslichen und intimſten Ver- hältniſſen zu ſeyn, obgleich auch hier viel Barokkes vorwaltet, wie z. B. die allgemeine Sitte in den hö- heren Ständen, daß die Söhne, ſobald ſie, ſo zu ſa- gen, flügge ſind, das väterliche Haus verlaſſen, und für ſich allein leben müſſen, ja ohne förmliche Einla- dung nicht einmal bei Vater und Mutter zum Eſſen erſcheinen dürfen. Als rührendes Beiſpiel ehlicher Liebe las ich neulich in den Zeitungen, daß der Mar- quis Haſtings in Malta geſtorben, und kurz vorher verordnet habe, ſogleich nach ſeinem Tode ihm die rechte Hand abzuhauen, um ſie ſeiner Frau als An- denken eingepökelt zu überſenden. Ein Herr meiner Bekanntſchaft ſchnitt ſeiner geſtorbnen Mutter aus wahrer Zärtlichkeit und mit ihrer vorher eingeholten Erlaubniß den Kopf ab, um den Schädel ſein gan- zes Leben lang küſſen zu können, wogegen andere Engländer, glaube ich, lieber in die Hölle gingen, als zuließen, daß man ihrem Leichnam mit einem

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/235>, abgerufen am 21.11.2024.