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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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ausgemittelt, daß Du, bei aller Liberalität,
doch gerade noch genug Adelstolz besäßest
(gestehe, verehrtester Zwischengeist, er hat
nicht ganz Unrecht), und dabei uns zugleich
seine Theorie vom Adel mitgetheilt, näm-
lich daß dieser seyn und nicht scheinen
solle. Viel verlangt in der That! denn,
wäre nur gesagt, der Adel solle nicht blos
scheinen, sondern auch seyn, so wäre dieß
zwar immer noch, in Sandomir wenigstens,
unmöglich, jedoch denkbar -- aber seyn ohne
allen Schein, so zu sagen, eine unsichtbare
Existenz, ein Licht ohne Flamme -- voila
qui est difficile!
O Gott! da entfuhr mir
wieder eine französische Floskel, die, wie ich
selbst fühle, zarten deutschen Ohren doch so
empfindlich seyn muß! Pardon, es soll nicht
mehr geschehen. *)

Noch schmeichelhafter ist die, in seiner rei-
chen Bildergallerie ausgesprochene Anerkennt-
niß jenes liebenswürdigen deutschen Humo-

*) Uebrigens hätte jener, gewiß von mir herzlich
verehrte, deutsche Purist doch gewiß am Ende
seiner Critik sich weit richtiger ausgedrückt,
wenn er sich herabgelassen hätte, statt dem hier
unpassenden, harten, auch nicht ganz deutschen
Wort: Skandal, das englische "scandal" zu ge-
brauchen.
Briefe eines Verstorbenen III. *

ausgemittelt, daß Du, bei aller Liberalitaͤt,
doch gerade noch genug Adelſtolz beſaͤßeſt
(geſtehe, verehrteſter Zwiſchengeiſt, er hat
nicht ganz Unrecht), und dabei uns zugleich
ſeine Theorie vom Adel mitgetheilt, naͤm-
lich daß dieſer ſeyn und nicht ſcheinen
ſolle. Viel verlangt in der That! denn,
waͤre nur geſagt, der Adel ſolle nicht blos
ſcheinen, ſondern auch ſeyn, ſo waͤre dieß
zwar immer noch, in Sandomir wenigſtens,
unmoͤglich, jedoch denkbar — aber ſeyn ohne
allen Schein, ſo zu ſagen, eine unſichtbare
Exiſtenz, ein Licht ohne Flamme — voilà
qui est difficile!
O Gott! da entfuhr mir
wieder eine franzoͤſiſche Floskel, die, wie ich
ſelbſt fuͤhle, zarten deutſchen Ohren doch ſo
empfindlich ſeyn muß! Pardon, es ſoll nicht
mehr geſchehen. *)

Noch ſchmeichelhafter iſt die, in ſeiner rei-
chen Bildergallerie ausgeſprochene Anerkennt-
niß jenes liebenswuͤrdigen deutſchen Humo-

*) Uebrigens hätte jener, gewiß von mir herzlich
verehrte, deutſche Puriſt doch gewiß am Ende
ſeiner Critik ſich weit richtiger ausgedrückt,
wenn er ſich herabgelaſſen hätte, ſtatt dem hier
unpaſſenden, harten, auch nicht ganz deutſchen
Wort: Skandal, das engliſche „scandal“ zu ge-
brauchen.
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[XVII/0025] ausgemittelt, daß Du, bei aller Liberalitaͤt, doch gerade noch genug Adelſtolz beſaͤßeſt (geſtehe, verehrteſter Zwiſchengeiſt, er hat nicht ganz Unrecht), und dabei uns zugleich ſeine Theorie vom Adel mitgetheilt, naͤm- lich daß dieſer ſeyn und nicht ſcheinen ſolle. Viel verlangt in der That! denn, waͤre nur geſagt, der Adel ſolle nicht blos ſcheinen, ſondern auch ſeyn, ſo waͤre dieß zwar immer noch, in Sandomir wenigſtens, unmoͤglich, jedoch denkbar — aber ſeyn ohne allen Schein, ſo zu ſagen, eine unſichtbare Exiſtenz, ein Licht ohne Flamme — voilà qui est difficile! O Gott! da entfuhr mir wieder eine franzoͤſiſche Floskel, die, wie ich ſelbſt fuͤhle, zarten deutſchen Ohren doch ſo empfindlich ſeyn muß! Pardon, es ſoll nicht mehr geſchehen. *) Noch ſchmeichelhafter iſt die, in ſeiner rei- chen Bildergallerie ausgeſprochene Anerkennt- niß jenes liebenswuͤrdigen deutſchen Humo- *) Uebrigens hätte jener, gewiß von mir herzlich verehrte, deutſche Puriſt doch gewiß am Ende ſeiner Critik ſich weit richtiger ausgedrückt, wenn er ſich herabgelaſſen hätte, ſtatt dem hier unpaſſenden, harten, auch nicht ganz deutſchen Wort: Skandal, das engliſche „scandal“ zu ge- brauchen. Briefe eines Verſtorbenen III. *

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/25>, abgerufen am 21.11.2024.