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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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risten, der, wenn er dem Auge eine Thräne
entlockt, während sie herabfällt, die Lippen
schon wieder zwingt, sie mit Lächeln aufzu-
fangen.

Damit Dir aber nichts Wünschenswerthes
fehle, ward Dir auch von den Pharisäern
einiger obscure Tadel. Ja eine arme Seele
ist sogar auferstanden, um den Ver-
storbenen hienieden mit einem schwülstigen
Mischmasch anzugreifen, der jedoch bei
Freund und Feind nichts als den lebhafte-
sten Wunsch erregt hat, jene Verschollene
möge doch lieber ruhig schlafen geblieben seyn,
statt das Publikum von neuem gähnen zu
machen. Noch mehr. Selbst mit dem gro-
ßen Unbekannten brachte man Dich in einige
entfernte Berührung, indem Manche, die
überhaupt heutzutage gar nicht mehr begrei-
fen können, wie ein Minister wohl etwas
ohne seine Räthe, ein General ohne seinen
Generalstab, ein Monarch ohne sein Mini-
sterium, allein hervorbringen könne --
auch Dein Büchlein, gleich jenes Erhabnen
unsterblichen Romanen, einer ganzen Com-
pagnie größerer und kleinerer Autoren bei-
derlei Geschlechts zugeschrieben, und sich, hie
und da gereizt, (denn Wahrheit thut weh)
schmählig in Unschuldige, oder gar in die

riſten, der, wenn er dem Auge eine Thraͤne
entlockt, waͤhrend ſie herabfaͤllt, die Lippen
ſchon wieder zwingt, ſie mit Laͤcheln aufzu-
fangen.

Damit Dir aber nichts Wuͤnſchenswerthes
fehle, ward Dir auch von den Phariſaͤern
einiger obſcure Tadel. Ja eine arme Seele
iſt ſogar auferſtanden, um den Ver-
ſtorbenen hienieden mit einem ſchwuͤlſtigen
Miſchmaſch anzugreifen, der jedoch bei
Freund und Feind nichts als den lebhafte-
ſten Wunſch erregt hat, jene Verſchollene
moͤge doch lieber ruhig ſchlafen geblieben ſeyn,
ſtatt das Publikum von neuem gaͤhnen zu
machen. Noch mehr. Selbſt mit dem gro-
ßen Unbekannten brachte man Dich in einige
entfernte Beruͤhrung, indem Manche, die
uͤberhaupt heutzutage gar nicht mehr begrei-
fen koͤnnen, wie ein Miniſter wohl etwas
ohne ſeine Raͤthe, ein General ohne ſeinen
Generalſtab, ein Monarch ohne ſein Mini-
ſterium, allein hervorbringen koͤnne —
auch Dein Buͤchlein, gleich jenes Erhabnen
unſterblichen Romanen, einer ganzen Com-
pagnie groͤßerer und kleinerer Autoren bei-
derlei Geſchlechts zugeſchrieben, und ſich, hie
und da gereizt, (denn Wahrheit thut weh)
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[XVIII/0026] riſten, der, wenn er dem Auge eine Thraͤne entlockt, waͤhrend ſie herabfaͤllt, die Lippen ſchon wieder zwingt, ſie mit Laͤcheln aufzu- fangen. Damit Dir aber nichts Wuͤnſchenswerthes fehle, ward Dir auch von den Phariſaͤern einiger obſcure Tadel. Ja eine arme Seele iſt ſogar auferſtanden, um den Ver- ſtorbenen hienieden mit einem ſchwuͤlſtigen Miſchmaſch anzugreifen, der jedoch bei Freund und Feind nichts als den lebhafte- ſten Wunſch erregt hat, jene Verſchollene moͤge doch lieber ruhig ſchlafen geblieben ſeyn, ſtatt das Publikum von neuem gaͤhnen zu machen. Noch mehr. Selbſt mit dem gro- ßen Unbekannten brachte man Dich in einige entfernte Beruͤhrung, indem Manche, die uͤberhaupt heutzutage gar nicht mehr begrei- fen koͤnnen, wie ein Miniſter wohl etwas ohne ſeine Raͤthe, ein General ohne ſeinen Generalſtab, ein Monarch ohne ſein Mini- ſterium, allein hervorbringen koͤnne — auch Dein Buͤchlein, gleich jenes Erhabnen unſterblichen Romanen, einer ganzen Com- pagnie groͤßerer und kleinerer Autoren bei- derlei Geſchlechts zugeſchrieben, und ſich, hie und da gereizt, (denn Wahrheit thut weh) ſchmaͤhlig in Unſchuldige, oder gar in die

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/26>, abgerufen am 21.11.2024.