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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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ich die Thürklinke ergriff, hinter Theresels
Bettvorhängen. Sein Roß aber wirbelte,
als der angenehmste Duft von Essence de
bouquet
im Kamine empor.

Auf die Straße gekommen, sah ich, noch
in halber Betäubung, nach meiner Uhr, und
o horror! in der ganzen Stadt hatte es 5
Uhr geschlagen, als ich in das Haus der Se-
herin eintrat, jetzt war es drei. Die Zeit
also war seitdem, man schaudert, statt vor-
wärts -- rückwärts gegangen! Brauche ich
noch zu sagen, daß ich nach dieser ersten en-
trevaue,
nicht nur meinen Freund öfters sah,
und jede von ihm gewünschte Auskunft er-
hielt, sondern daß ich auch überhaupt an dem
Geisterverkehr eben so viel Vergnügen zu
finden anfing, als mein Gehülfe, Doctor
Ypsilon? Tag für Tag mußte Freund und
Feind uns erscheinen, für ein Billiges er-
lösten wir manchen armen Schlucker, der seit
Jahrhunderten als Geist herumlief, weil es ihm
an vier Groschen fehlte, um eine gute That zu
thun, und wollte ich hier erzählen, welche Auf-
schlüsse uns da geworden, welche Räthsel uns
gelöst, welche überraschende Aufklärungen wir
über die Geschichte erhalten, was uns Moses
und die Propheten, die eiserne Maske, Seba-
stian von Portugal, der falsche Waldemar,

ich die Thuͤrklinke ergriff, hinter Thereſels
Bettvorhaͤngen. Sein Roß aber wirbelte,
als der angenehmſte Duft von Essence de
bouquet
im Kamine empor.

Auf die Straße gekommen, ſah ich, noch
in halber Betaͤubung, nach meiner Uhr, und
o horror! in der ganzen Stadt hatte es 5
Uhr geſchlagen, als ich in das Haus der Se-
herin eintrat, jetzt war es drei. Die Zeit
alſo war ſeitdem, man ſchaudert, ſtatt vor-
waͤrts — ruͤckwaͤrts gegangen! Brauche ich
noch zu ſagen, daß ich nach dieſer erſten en-
trevûe,
nicht nur meinen Freund oͤfters ſah,
und jede von ihm gewuͤnſchte Auskunft er-
hielt, ſondern daß ich auch uͤberhaupt an dem
Geiſterverkehr eben ſo viel Vergnuͤgen zu
finden anfing, als mein Gehuͤlfe, Doctor
Ypſilon? Tag fuͤr Tag mußte Freund und
Feind uns erſcheinen, fuͤr ein Billiges er-
loͤsten wir manchen armen Schlucker, der ſeit
Jahrhunderten als Geiſt herumlief, weil es ihm
an vier Groſchen fehlte, um eine gute That zu
thun, und wollte ich hier erzaͤhlen, welche Auf-
ſchluͤſſe uns da geworden, welche Raͤthſel uns
geloͤst, welche uͤberraſchende Aufklaͤrungen wir
uͤber die Geſchichte erhalten, was uns Moſes
und die Propheten, die eiſerne Maske, Seba-
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[XX/0028] ich die Thuͤrklinke ergriff, hinter Thereſels Bettvorhaͤngen. Sein Roß aber wirbelte, als der angenehmſte Duft von Essence de bouquet im Kamine empor. Auf die Straße gekommen, ſah ich, noch in halber Betaͤubung, nach meiner Uhr, und o horror! in der ganzen Stadt hatte es 5 Uhr geſchlagen, als ich in das Haus der Se- herin eintrat, jetzt war es drei. Die Zeit alſo war ſeitdem, man ſchaudert, ſtatt vor- waͤrts — ruͤckwaͤrts gegangen! Brauche ich noch zu ſagen, daß ich nach dieſer erſten en- trevûe, nicht nur meinen Freund oͤfters ſah, und jede von ihm gewuͤnſchte Auskunft er- hielt, ſondern daß ich auch uͤberhaupt an dem Geiſterverkehr eben ſo viel Vergnuͤgen zu finden anfing, als mein Gehuͤlfe, Doctor Ypſilon? Tag fuͤr Tag mußte Freund und Feind uns erſcheinen, fuͤr ein Billiges er- loͤsten wir manchen armen Schlucker, der ſeit Jahrhunderten als Geiſt herumlief, weil es ihm an vier Groſchen fehlte, um eine gute That zu thun, und wollte ich hier erzaͤhlen, welche Auf- ſchluͤſſe uns da geworden, welche Raͤthſel uns geloͤst, welche uͤberraſchende Aufklaͤrungen wir uͤber die Geſchichte erhalten, was uns Moſes und die Propheten, die eiſerne Maske, Seba- ſtian von Portugal, der falſche Waldemar,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/28>, abgerufen am 21.11.2024.