letzteren von den berühmtesten Meistern herstammen, denn nur das Dichterische, nicht das Technische eines Kunstwerks kann mich reizen. Eine kostbare Sammlung Handzeichnungen von Raphael, Claude- Lorrain und Rubens, und mehrere interessante Por- traits übergehe ich, um nicht zu weitschweifig zu werden.
Der abscheuliche Nebel wurde immer dicker, und so sahen wir Blenheim nur wie in der Dämmerung. In Hinsicht auf Glanz und Größe ist es ohne Zweifel ausserordentlich zu nennen, und sehr gefiel mir was ich davon sehen, oder vielmehr ahnen konnte, denn es war alles wie in einen Zauberschleier gehüllt, hin- ter welchem die Sonne ohne Strahlen, wie der Mond, erschien. Das Schloß ist sehr groß, und re- gelmäßig, leider im alt französischen Geschmackerbaut, an Pracht einem königlichen gleich. Der Park hat 5 deutsche Meilen im Umfang, und das künstlich ausgegrabne Wasser, das herrlichste Werk seines Gleichen, nimmt allein einen Flächenraum von 800 Morgen ein. Eben so groß ist der pleasure ground, zu dessen fortwährendem Mähen täglich 40 Leute er- forderlich sind. Das Wasser bildet dem Schlosse ge- genüber eine künstliche Cascade, die von großen, ge- sprengten und weit hergeschafften Felsenstücken so täu- schend der Natur nachgeahmt ist, daß man, ohne es zu wissen, schwerlich Kunst dabei voraussetzen würde.
Man muß Browns großartiges Genie bewundern, wenn man diese Anlagen durchwandert. Es ist der
letzteren von den berühmteſten Meiſtern herſtammen, denn nur das Dichteriſche, nicht das Techniſche eines Kunſtwerks kann mich reizen. Eine koſtbare Sammlung Handzeichnungen von Raphael, Claude- Lorrain und Rubens, und mehrere intereſſante Por- traits übergehe ich, um nicht zu weitſchweifig zu werden.
Der abſcheuliche Nebel wurde immer dicker, und ſo ſahen wir Blenheim nur wie in der Dämmerung. In Hinſicht auf Glanz und Größe iſt es ohne Zweifel auſſerordentlich zu nennen, und ſehr gefiel mir was ich davon ſehen, oder vielmehr ahnen konnte, denn es war alles wie in einen Zauberſchleier gehüllt, hin- ter welchem die Sonne ohne Strahlen, wie der Mond, erſchien. Das Schloß iſt ſehr groß, und re- gelmäßig, leider im alt franzöſiſchen Geſchmackerbaut, an Pracht einem königlichen gleich. Der Park hat 5 deutſche Meilen im Umfang, und das künſtlich ausgegrabne Waſſer, das herrlichſte Werk ſeines Gleichen, nimmt allein einen Flächenraum von 800 Morgen ein. Eben ſo groß iſt der pleasure ground, zu deſſen fortwährendem Mähen täglich 40 Leute er- forderlich ſind. Das Waſſer bildet dem Schloſſe ge- genüber eine künſtliche Cascade, die von großen, ge- ſprengten und weit hergeſchafften Felſenſtücken ſo täu- ſchend der Natur nachgeahmt iſt, daß man, ohne es zu wiſſen, ſchwerlich Kunſt dabei vorausſetzen würde.
Man muß Browns großartiges Genie bewundern, wenn man dieſe Anlagen durchwandert. Es iſt der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0317"n="271"/>
letzteren von den berühmteſten Meiſtern herſtammen,<lb/>
denn nur das <hirendition="#g">Dichteriſche</hi>, nicht das <hirendition="#g">Techniſche</hi><lb/>
eines Kunſtwerks kann mich reizen. Eine koſtbare<lb/>
Sammlung Handzeichnungen von Raphael, Claude-<lb/>
Lorrain und Rubens, und mehrere intereſſante Por-<lb/>
traits übergehe ich, um nicht zu weitſchweifig zu<lb/>
werden.</p><lb/><p>Der abſcheuliche Nebel wurde immer dicker, und<lb/>ſo ſahen wir Blenheim nur wie in der Dämmerung.<lb/>
In Hinſicht auf Glanz und Größe iſt es ohne Zweifel<lb/>
auſſerordentlich zu nennen, und ſehr gefiel mir was<lb/>
ich davon ſehen, oder vielmehr ahnen konnte, denn<lb/>
es war alles wie in einen Zauberſchleier gehüllt, hin-<lb/>
ter welchem die Sonne ohne Strahlen, wie der<lb/>
Mond, erſchien. Das Schloß iſt ſehr groß, und re-<lb/>
gelmäßig, leider im alt franzöſiſchen Geſchmackerbaut,<lb/>
an Pracht einem königlichen gleich. Der Park hat<lb/>
5 deutſche Meilen im Umfang, und das künſtlich<lb/>
ausgegrabne Waſſer, das herrlichſte Werk ſeines<lb/>
Gleichen, nimmt allein einen Flächenraum von 800<lb/>
Morgen ein. Eben ſo groß iſt der <hirendition="#aq">pleasure ground,</hi><lb/>
zu deſſen fortwährendem Mähen täglich 40 Leute er-<lb/>
forderlich ſind. Das Waſſer bildet dem Schloſſe ge-<lb/>
genüber eine künſtliche Cascade, die von großen, ge-<lb/>ſprengten und weit hergeſchafften Felſenſtücken ſo täu-<lb/>ſchend der Natur nachgeahmt iſt, daß man, ohne es<lb/>
zu wiſſen, ſchwerlich Kunſt dabei vorausſetzen würde.</p><lb/><p>Man muß Browns großartiges Genie bewundern,<lb/>
wenn man dieſe Anlagen durchwandert. Es iſt der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[271/0317]
letzteren von den berühmteſten Meiſtern herſtammen,
denn nur das Dichteriſche, nicht das Techniſche
eines Kunſtwerks kann mich reizen. Eine koſtbare
Sammlung Handzeichnungen von Raphael, Claude-
Lorrain und Rubens, und mehrere intereſſante Por-
traits übergehe ich, um nicht zu weitſchweifig zu
werden.
Der abſcheuliche Nebel wurde immer dicker, und
ſo ſahen wir Blenheim nur wie in der Dämmerung.
In Hinſicht auf Glanz und Größe iſt es ohne Zweifel
auſſerordentlich zu nennen, und ſehr gefiel mir was
ich davon ſehen, oder vielmehr ahnen konnte, denn
es war alles wie in einen Zauberſchleier gehüllt, hin-
ter welchem die Sonne ohne Strahlen, wie der
Mond, erſchien. Das Schloß iſt ſehr groß, und re-
gelmäßig, leider im alt franzöſiſchen Geſchmackerbaut,
an Pracht einem königlichen gleich. Der Park hat
5 deutſche Meilen im Umfang, und das künſtlich
ausgegrabne Waſſer, das herrlichſte Werk ſeines
Gleichen, nimmt allein einen Flächenraum von 800
Morgen ein. Eben ſo groß iſt der pleasure ground,
zu deſſen fortwährendem Mähen täglich 40 Leute er-
forderlich ſind. Das Waſſer bildet dem Schloſſe ge-
genüber eine künſtliche Cascade, die von großen, ge-
ſprengten und weit hergeſchafften Felſenſtücken ſo täu-
ſchend der Natur nachgeahmt iſt, daß man, ohne es
zu wiſſen, ſchwerlich Kunſt dabei vorausſetzen würde.
Man muß Browns großartiges Genie bewundern,
wenn man dieſe Anlagen durchwandert. Es iſt der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/317>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.