meinem Gefühl noch das Antlitz des Apollo vom Bel- vedere übertrifft. Es ist menschlicher, und doch zeigt es einen Göttlichen unter den Menschen, freilich im heidnischen, nicht im moralisch-christlichen Sinne.
Es ist billig hier noch des, die Bibliothek zierenden Bildes des großen Herzogs von Marlborough zu er- wähnen, der durch seine Thaten dieser ganzen Schö- pfung den Ursprung gab. Seine Geschichte ist in mehr als einer Hinsicht merkwürdig; besonders rathe ich Jedem, der sein Glück machen will, sie zu studiren. Er kann viel von diesem, so ganz zum Fortkommen in der Welt geeigneten, Charakter ler- nen. Folgende, nicht sehr bekannte, Anekdote ist mir in dieser Hinsicht, so unbedeutend die Begebenheit an sich ist, immer merkwürdig erschienen.
Der Herzog ward eines Tags beim Spazierenrei- ten mit seiner Suite von einem jählingen Regen- schauer überrascht. Er verlangte schnell vom Reit- knecht seinen Ueberrock, und wiederholte, als er ihn nicht gleich erhielt, den Befehl mit einiger Hast. Dies ärgerte den Diener, der mit impertinenter Miene er- wiederte: "Nun ich hoffe, Sie werden doch so lange warten, bis ich ihn losgeschnallt habe." Der Herzog, ohne die geringste Empfindlichkeit zu zeigen, wandte sich darauf lächelnd zu seinem Nachbar und sagte: "Nun, für Alles in der Welt möchte ich nicht das Temperament dieses Menschen haben."
Die bekanntere Geschichte der "petulance" der Her- zogin von Castlemaine, welche Churchill (der dama-
meinem Gefühl noch das Antlitz des Apollo vom Bel- vedere übertrifft. Es iſt menſchlicher, und doch zeigt es einen Göttlichen unter den Menſchen, freilich im heidniſchen, nicht im moraliſch-chriſtlichen Sinne.
Es iſt billig hier noch des, die Bibliothek zierenden Bildes des großen Herzogs von Marlborough zu er- wähnen, der durch ſeine Thaten dieſer ganzen Schö- pfung den Urſprung gab. Seine Geſchichte iſt in mehr als einer Hinſicht merkwürdig; beſonders rathe ich Jedem, der ſein Glück machen will, ſie zu ſtudiren. Er kann viel von dieſem, ſo ganz zum Fortkommen in der Welt geeigneten, Charakter ler- nen. Folgende, nicht ſehr bekannte, Anekdote iſt mir in dieſer Hinſicht, ſo unbedeutend die Begebenheit an ſich iſt, immer merkwürdig erſchienen.
Der Herzog ward eines Tags beim Spazierenrei- ten mit ſeiner Suite von einem jählingen Regen- ſchauer überraſcht. Er verlangte ſchnell vom Reit- knecht ſeinen Ueberrock, und wiederholte, als er ihn nicht gleich erhielt, den Befehl mit einiger Haſt. Dies ärgerte den Diener, der mit impertinenter Miene er- wiederte: „Nun ich hoffe, Sie werden doch ſo lange warten, bis ich ihn losgeſchnallt habe.“ Der Herzog, ohne die geringſte Empfindlichkeit zu zeigen, wandte ſich darauf lächelnd zu ſeinem Nachbar und ſagte: „Nun, für Alles in der Welt möchte ich nicht das Temperament dieſes Menſchen haben.“
Die bekanntere Geſchichte der „petulance“ der Her- zogin von Caſtlemaine, welche Churchill (der dama-
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meinem Gefühl noch das Antlitz des Apollo vom Bel-
vedere übertrifft. Es iſt menſchlicher, und doch zeigt
es einen Göttlichen unter den Menſchen, freilich im
heidniſchen, nicht im moraliſch-chriſtlichen Sinne.
Es iſt billig hier noch des, die Bibliothek zierenden
Bildes des großen Herzogs von Marlborough zu er-
wähnen, der durch ſeine Thaten dieſer ganzen Schö-
pfung den Urſprung gab. Seine Geſchichte iſt in
mehr als einer Hinſicht merkwürdig; beſonders rathe
ich Jedem, der ſein Glück machen will, ſie zu
ſtudiren. Er kann viel von dieſem, ſo ganz zum
Fortkommen in der Welt geeigneten, Charakter ler-
nen. Folgende, nicht ſehr bekannte, Anekdote iſt mir
in dieſer Hinſicht, ſo unbedeutend die Begebenheit an
ſich iſt, immer merkwürdig erſchienen.
Der Herzog ward eines Tags beim Spazierenrei-
ten mit ſeiner Suite von einem jählingen Regen-
ſchauer überraſcht. Er verlangte ſchnell vom Reit-
knecht ſeinen Ueberrock, und wiederholte, als er ihn
nicht gleich erhielt, den Befehl mit einiger Haſt. Dies
ärgerte den Diener, der mit impertinenter Miene er-
wiederte: „Nun ich hoffe, Sie werden doch ſo lange
warten, bis ich ihn losgeſchnallt habe.“ Der Herzog,
ohne die geringſte Empfindlichkeit zu zeigen, wandte
ſich darauf lächelnd zu ſeinem Nachbar und ſagte:
„Nun, für Alles in der Welt möchte ich nicht das
Temperament dieſes Menſchen haben.“
Die bekanntere Geſchichte der „petulance“ der Her-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/323>, abgerufen am 22.11.2024.
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