Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

seines Vaterlandes haben, aber der alte Loth ist das
unübertrefflichste Muster eines greisen, trunkenen
Wollüstlings. Das Gemälde war übrigens indecen-
ter behandelt, als es sich die Kunst bei heiligen Ge-
genständen gestatten sollte. Im Schlafzimmer hatte
man, sonderbar genug, ein widerlich schauerliches
Bild, Seneka's Hinrichtung im Bade, aufgehangen,
Seneka selbst bereits ein grünlicher Leichnam. Hier
würde, dächte ich, noch eher der Loth hingepaßt ha-
ben. Sehr gefällig erschien das Bild der Mutter des
Herzogs, mit ihrem Kinde spielend, von Josuah Rey-
nolds, gewiß dem besten aller englischen Maler. Die
Schönheit, liebliches Wesen und Kindlichkeit der Her-
zogin war fast einer Madonna werth, und der Kleine
ein wahrer Liebesgott, voll Schalkheit und Grazie.
Ein großes Gemälde Carls I. zu Pferde, von van
Dyk, ist berühmt, und hat 10,000 £. St. gekostet, bie-
tet aber einen gar zu abgenuzten Gegenstand. Aus
Raphaels frühester Zeit, in der Manier des Peru-
gino, vielleicht auch von diesem selbst, befindet sich
eine große Tafel hier, die Jungfrau mit dem Kinde,
St. Nikolas und Johannes darstellend. Der Aus-
druck der Figuren gefiel mir nicht, und erwähne des
Gemäldes nur aus Respekt für den Namen.

Die Bibliothek ist ein prachtvoller Saal, mit 17,000
Bänden angefüllt, auf der einen Seite die marmorne
Statue der Königin Anna, auf der andern, als son-
derbarer Pendant, eine kolossale, antike Büste Ale-
xanders, ein Ideal jugendlicher Schönheit, das nach

ſeines Vaterlandes haben, aber der alte Loth iſt das
unübertrefflichſte Muſter eines greiſen, trunkenen
Wollüſtlings. Das Gemälde war übrigens indecen-
ter behandelt, als es ſich die Kunſt bei heiligen Ge-
genſtänden geſtatten ſollte. Im Schlafzimmer hatte
man, ſonderbar genug, ein widerlich ſchauerliches
Bild, Seneka’s Hinrichtung im Bade, aufgehangen,
Seneka ſelbſt bereits ein grünlicher Leichnam. Hier
würde, dächte ich, noch eher der Loth hingepaßt ha-
ben. Sehr gefällig erſchien das Bild der Mutter des
Herzogs, mit ihrem Kinde ſpielend, von Joſuah Rey-
nolds, gewiß dem beſten aller engliſchen Maler. Die
Schönheit, liebliches Weſen und Kindlichkeit der Her-
zogin war faſt einer Madonna werth, und der Kleine
ein wahrer Liebesgott, voll Schalkheit und Grazie.
Ein großes Gemälde Carls I. zu Pferde, von van
Dyk, iſt berühmt, und hat 10,000 £. St. gekoſtet, bie-
tet aber einen gar zu abgenuzten Gegenſtand. Aus
Raphaels früheſter Zeit, in der Manier des Peru-
gino, vielleicht auch von dieſem ſelbſt, befindet ſich
eine große Tafel hier, die Jungfrau mit dem Kinde,
St. Nikolas und Johannes darſtellend. Der Aus-
druck der Figuren gefiel mir nicht, und erwähne des
Gemäldes nur aus Reſpekt für den Namen.

Die Bibliothek iſt ein prachtvoller Saal, mit 17,000
Bänden angefüllt, auf der einen Seite die marmorne
Statue der Königin Anna, auf der andern, als ſon-
derbarer Pendant, eine koloſſale, antike Büſte Ale-
xanders, ein Ideal jugendlicher Schönheit, das nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0322" n="276"/>
&#x017F;eines Vaterlandes haben, aber der alte Loth i&#x017F;t das<lb/>
unübertrefflich&#x017F;te Mu&#x017F;ter eines grei&#x017F;en, trunkenen<lb/>
Wollü&#x017F;tlings. Das Gemälde war übrigens indecen-<lb/>
ter behandelt, als es &#x017F;ich die Kun&#x017F;t bei heiligen Ge-<lb/>
gen&#x017F;tänden ge&#x017F;tatten &#x017F;ollte. Im Schlafzimmer hatte<lb/>
man, &#x017F;onderbar genug, ein widerlich &#x017F;chauerliches<lb/>
Bild, Seneka&#x2019;s Hinrichtung im Bade, aufgehangen,<lb/>
Seneka &#x017F;elb&#x017F;t bereits ein grünlicher Leichnam. Hier<lb/>
würde, dächte ich, noch eher der Loth hingepaßt ha-<lb/>
ben. Sehr gefällig er&#x017F;chien das Bild der Mutter des<lb/>
Herzogs, mit ihrem Kinde &#x017F;pielend, von Jo&#x017F;uah Rey-<lb/>
nolds, gewiß dem be&#x017F;ten aller engli&#x017F;chen Maler. Die<lb/>
Schönheit, liebliches We&#x017F;en und Kindlichkeit der Her-<lb/>
zogin war fa&#x017F;t einer Madonna werth, und der Kleine<lb/>
ein wahrer Liebesgott, voll Schalkheit und Grazie.<lb/>
Ein großes Gemälde Carls <hi rendition="#aq">I.</hi> zu Pferde, von van<lb/>
Dyk, i&#x017F;t berühmt, und hat 10,000 £. St. geko&#x017F;tet, bie-<lb/>
tet aber einen gar zu abgenuzten Gegen&#x017F;tand. Aus<lb/>
Raphaels frühe&#x017F;ter Zeit, in der Manier des Peru-<lb/>
gino, vielleicht auch von die&#x017F;em &#x017F;elb&#x017F;t, befindet &#x017F;ich<lb/>
eine große Tafel hier, die Jungfrau mit dem Kinde,<lb/>
St. Nikolas und Johannes dar&#x017F;tellend. Der Aus-<lb/>
druck der Figuren gefiel mir nicht, und erwähne des<lb/>
Gemäldes nur aus Re&#x017F;pekt für den Namen.</p><lb/>
          <p>Die Bibliothek i&#x017F;t ein prachtvoller Saal, mit 17,000<lb/>
Bänden angefüllt, auf der einen Seite die marmorne<lb/>
Statue der Königin Anna, auf der andern, als &#x017F;on-<lb/>
derbarer Pendant, eine kolo&#x017F;&#x017F;ale, antike Bü&#x017F;te Ale-<lb/>
xanders, ein Ideal jugendlicher Schönheit, das nach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0322] ſeines Vaterlandes haben, aber der alte Loth iſt das unübertrefflichſte Muſter eines greiſen, trunkenen Wollüſtlings. Das Gemälde war übrigens indecen- ter behandelt, als es ſich die Kunſt bei heiligen Ge- genſtänden geſtatten ſollte. Im Schlafzimmer hatte man, ſonderbar genug, ein widerlich ſchauerliches Bild, Seneka’s Hinrichtung im Bade, aufgehangen, Seneka ſelbſt bereits ein grünlicher Leichnam. Hier würde, dächte ich, noch eher der Loth hingepaßt ha- ben. Sehr gefällig erſchien das Bild der Mutter des Herzogs, mit ihrem Kinde ſpielend, von Joſuah Rey- nolds, gewiß dem beſten aller engliſchen Maler. Die Schönheit, liebliches Weſen und Kindlichkeit der Her- zogin war faſt einer Madonna werth, und der Kleine ein wahrer Liebesgott, voll Schalkheit und Grazie. Ein großes Gemälde Carls I. zu Pferde, von van Dyk, iſt berühmt, und hat 10,000 £. St. gekoſtet, bie- tet aber einen gar zu abgenuzten Gegenſtand. Aus Raphaels früheſter Zeit, in der Manier des Peru- gino, vielleicht auch von dieſem ſelbſt, befindet ſich eine große Tafel hier, die Jungfrau mit dem Kinde, St. Nikolas und Johannes darſtellend. Der Aus- druck der Figuren gefiel mir nicht, und erwähne des Gemäldes nur aus Reſpekt für den Namen. Die Bibliothek iſt ein prachtvoller Saal, mit 17,000 Bänden angefüllt, auf der einen Seite die marmorne Statue der Königin Anna, auf der andern, als ſon- derbarer Pendant, eine koloſſale, antike Büſte Ale- xanders, ein Ideal jugendlicher Schönheit, das nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/322
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/322>, abgerufen am 22.11.2024.