Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

mit zahlreichen und schönen Gemälden geschmückt sind,
unter diesen jedoch auch manche mittelmäßige, die man
sehr freigebig mit den Namen Raphael, Guido etc.
beschenkt hatte. Sehr reich erschien die Gallerie an
schönen und ächten Rubens, worunter für mich das
ansprechendste sein eigenes, von ihm oft, hier aber
vorzüglich gut gemaltes Bild war. Ausserdem interes-
sirte mich sehr ein Portrait in Lebensgröße des be-
rüchtigten Herzogs von Buckingham, von van Dyk,
welches doch eine ganz andere Art Roue darstellt, so-
wohl im Gehalt der feinen Züge, wie des ritterli-
chen Anstandes und der geschmackvollen Kleidung, als
unsre Modernen aufweisen. Ferner eine schöne Ma-
donna, von Carlo Dolce, weniger glatt und banal
als andere dieses Malers, und ein ganz vortreffli-
ches und höchst charakteristisches Bild der Catharina
von Medicis. Sie ist sehr weiß, hat wunderschöne
Hände, und einen merkwürdigen Ausdruck von kal-
ter Leidenschaft, wenn ich es so nennen darf, in ih-
ren Zügen, ohne jedoch dadurch, wie man vermuthen
sollte, ein widriges Gefühl zu erregen. Rubens Frau
hängt als ein entgegengesetzter Pol neben ihr, ein
reizendes flamländisches, häusliches Weib, etwas ge-
mein aussehend, aber herrlich gemalt und geistreich
aufgefaßt. Philipp II., von Titian, schien mir un-
bedeutend, zwei Bettelbuben, von Morillo, dagegen
vortrefflich. Loth und seine Töchter, von Rubens.
Die Mädchen sind etwas weniger gemein und plump
als der größte Theil der Schönheiten dieses Malers,
die alle zu viel Verwandtschaft mit den Produkten

18*

mit zahlreichen und ſchönen Gemälden geſchmückt ſind,
unter dieſen jedoch auch manche mittelmäßige, die man
ſehr freigebig mit den Namen Raphael, Guido ꝛc.
beſchenkt hatte. Sehr reich erſchien die Gallerie an
ſchönen und ächten Rubens, worunter für mich das
anſprechendſte ſein eigenes, von ihm oft, hier aber
vorzüglich gut gemaltes Bild war. Auſſerdem intereſ-
ſirte mich ſehr ein Portrait in Lebensgröße des be-
rüchtigten Herzogs von Buckingham, von van Dyk,
welches doch eine ganz andere Art Roué darſtellt, ſo-
wohl im Gehalt der feinen Züge, wie des ritterli-
chen Anſtandes und der geſchmackvollen Kleidung, als
unſre Modernen aufweiſen. Ferner eine ſchöne Ma-
donna, von Carlo Dolce, weniger glatt und banal
als andere dieſes Malers, und ein ganz vortreffli-
ches und höchſt charakteriſtiſches Bild der Catharina
von Medicis. Sie iſt ſehr weiß, hat wunderſchöne
Hände, und einen merkwürdigen Ausdruck von kal-
ter Leidenſchaft, wenn ich es ſo nennen darf, in ih-
ren Zügen, ohne jedoch dadurch, wie man vermuthen
ſollte, ein widriges Gefühl zu erregen. Rubens Frau
hängt als ein entgegengeſetzter Pol neben ihr, ein
reizendes flamländiſches, häusliches Weib, etwas ge-
mein ausſehend, aber herrlich gemalt und geiſtreich
aufgefaßt. Philipp II., von Titian, ſchien mir un-
bedeutend, zwei Bettelbuben, von Morillo, dagegen
vortrefflich. Loth und ſeine Töchter, von Rubens.
Die Mädchen ſind etwas weniger gemein und plump
als der größte Theil der Schönheiten dieſes Malers,
die alle zu viel Verwandtſchaft mit den Produkten

18*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0321" n="275"/>
mit zahlreichen und &#x017F;chönen Gemälden ge&#x017F;chmückt &#x017F;ind,<lb/>
unter die&#x017F;en jedoch auch manche mittelmäßige, die man<lb/>
&#x017F;ehr freigebig mit den Namen Raphael, Guido &#xA75B;c.<lb/>
be&#x017F;chenkt hatte. Sehr reich er&#x017F;chien die Gallerie an<lb/>
&#x017F;chönen und ächten Rubens, worunter für mich das<lb/>
an&#x017F;prechend&#x017F;te &#x017F;ein eigenes, von ihm oft, hier aber<lb/>
vorzüglich gut gemaltes Bild war. Au&#x017F;&#x017F;erdem intere&#x017F;-<lb/>
&#x017F;irte mich &#x017F;ehr ein Portrait in Lebensgröße des be-<lb/>
rüchtigten Herzogs von Buckingham, von van Dyk,<lb/>
welches doch eine ganz andere Art Rou<hi rendition="#aq">é</hi> dar&#x017F;tellt, &#x017F;o-<lb/>
wohl im Gehalt der feinen Züge, wie des ritterli-<lb/>
chen An&#x017F;tandes und der ge&#x017F;chmackvollen Kleidung, als<lb/>
un&#x017F;re Modernen aufwei&#x017F;en. Ferner eine &#x017F;chöne Ma-<lb/>
donna, von Carlo Dolce, weniger glatt und banal<lb/>
als andere die&#x017F;es Malers, und ein ganz vortreffli-<lb/>
ches und höch&#x017F;t charakteri&#x017F;ti&#x017F;ches Bild der Catharina<lb/>
von Medicis. Sie i&#x017F;t &#x017F;ehr weiß, hat wunder&#x017F;chöne<lb/>
Hände, und einen merkwürdigen Ausdruck von kal-<lb/>
ter Leiden&#x017F;chaft, wenn ich es &#x017F;o nennen darf, in ih-<lb/>
ren Zügen, ohne jedoch dadurch, wie man vermuthen<lb/>
&#x017F;ollte, ein widriges Gefühl zu erregen. Rubens Frau<lb/>
hängt als ein entgegenge&#x017F;etzter Pol neben ihr, ein<lb/>
reizendes flamländi&#x017F;ches, häusliches Weib, etwas ge-<lb/>
mein aus&#x017F;ehend, aber herrlich gemalt und gei&#x017F;treich<lb/>
aufgefaßt. Philipp <hi rendition="#aq">II.,</hi> von Titian, &#x017F;chien mir un-<lb/>
bedeutend, zwei Bettelbuben, von Morillo, dagegen<lb/>
vortrefflich. Loth und &#x017F;eine Töchter, von Rubens.<lb/>
Die Mädchen &#x017F;ind etwas weniger gemein und plump<lb/>
als der größte Theil der Schönheiten die&#x017F;es Malers,<lb/>
die alle zu viel Verwandt&#x017F;chaft mit den Produkten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0321] mit zahlreichen und ſchönen Gemälden geſchmückt ſind, unter dieſen jedoch auch manche mittelmäßige, die man ſehr freigebig mit den Namen Raphael, Guido ꝛc. beſchenkt hatte. Sehr reich erſchien die Gallerie an ſchönen und ächten Rubens, worunter für mich das anſprechendſte ſein eigenes, von ihm oft, hier aber vorzüglich gut gemaltes Bild war. Auſſerdem intereſ- ſirte mich ſehr ein Portrait in Lebensgröße des be- rüchtigten Herzogs von Buckingham, von van Dyk, welches doch eine ganz andere Art Roué darſtellt, ſo- wohl im Gehalt der feinen Züge, wie des ritterli- chen Anſtandes und der geſchmackvollen Kleidung, als unſre Modernen aufweiſen. Ferner eine ſchöne Ma- donna, von Carlo Dolce, weniger glatt und banal als andere dieſes Malers, und ein ganz vortreffli- ches und höchſt charakteriſtiſches Bild der Catharina von Medicis. Sie iſt ſehr weiß, hat wunderſchöne Hände, und einen merkwürdigen Ausdruck von kal- ter Leidenſchaft, wenn ich es ſo nennen darf, in ih- ren Zügen, ohne jedoch dadurch, wie man vermuthen ſollte, ein widriges Gefühl zu erregen. Rubens Frau hängt als ein entgegengeſetzter Pol neben ihr, ein reizendes flamländiſches, häusliches Weib, etwas ge- mein ausſehend, aber herrlich gemalt und geiſtreich aufgefaßt. Philipp II., von Titian, ſchien mir un- bedeutend, zwei Bettelbuben, von Morillo, dagegen vortrefflich. Loth und ſeine Töchter, von Rubens. Die Mädchen ſind etwas weniger gemein und plump als der größte Theil der Schönheiten dieſes Malers, die alle zu viel Verwandtſchaft mit den Produkten 18*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/321
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/321>, abgerufen am 22.11.2024.