R ... ist heute nach Harwich abgereist, und wird in 14 Tagen bei Dir seyn, Du aber Dich gewiß dann freuen, einen lebendigen Zeugen des Schaltens und Waltens Deines L .... mündlich über so Man- ches ausfragen zu können, was doch mit dem besten Willen in Briefen nicht mit jeder Nüance so auszu- drücken ist. Ich habe mich unterdessen im Stadtle- ben wieder eingewohnt. Gestern speiste ich bei Fürst E ..., wo uns der ..... sche Legations-Sekretair, eine Art aimabler Bouffon, und obgleich selbst von sehr ordinairer Abkunft, doch ein Superlativ von Ul- tra (tel le maitre tel le valet) in einem Lachen er- hielt. Ich habe oft das Talent der Franzosen be- wundert, und auch wohl beneidet, die amüsantesten Erzählungen aus den gewöhnlichsten Begebenheiten zu componiren, die in anderm Munde sogleich alles Salz verlieren würden. Niemand excellirt darin mehr,
Eilfter Brief.
London, den 19. Januar 1827.
Theure Julie!
R … iſt heute nach Harwich abgereist, und wird in 14 Tagen bei Dir ſeyn, Du aber Dich gewiß dann freuen, einen lebendigen Zeugen des Schaltens und Waltens Deines L .... mündlich über ſo Man- ches ausfragen zu können, was doch mit dem beſten Willen in Briefen nicht mit jeder Nüance ſo auszu- drücken iſt. Ich habe mich unterdeſſen im Stadtle- ben wieder eingewohnt. Geſtern ſpeiste ich bei Fürſt E …, wo uns der ..... ſche Legations-Sekretair, eine Art aimabler Bouffon, und obgleich ſelbſt von ſehr ordinairer Abkunft, doch ein Superlativ von Ul- tra (tel le maitre tel le valet) in einem Lachen er- hielt. Ich habe oft das Talent der Franzoſen be- wundert, und auch wohl beneidet, die amüſanteſten Erzählungen aus den gewöhnlichſten Begebenheiten zu componiren, die in anderm Munde ſogleich alles Salz verlieren würden. Niemand excellirt darin mehr,
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Eilfter Brief.
London, den 19. Januar 1827.
Theure Julie!
R … iſt heute nach Harwich abgereist, und wird
in 14 Tagen bei Dir ſeyn, Du aber Dich gewiß
dann freuen, einen lebendigen Zeugen des Schaltens
und Waltens Deines L .... mündlich über ſo Man-
ches ausfragen zu können, was doch mit dem beſten
Willen in Briefen nicht mit jeder Nüance ſo auszu-
drücken iſt. Ich habe mich unterdeſſen im Stadtle-
ben wieder eingewohnt. Geſtern ſpeiste ich bei Fürſt
E …, wo uns der ..... ſche Legations-Sekretair,
eine Art aimabler Bouffon, und obgleich ſelbſt von
ſehr ordinairer Abkunft, doch ein Superlativ von Ul-
tra (tel le maitre tel le valet) in einem Lachen er-
hielt. Ich habe oft das Talent der Franzoſen be-
wundert, und auch wohl beneidet, die amüſanteſten
Erzählungen aus den gewöhnlichſten Begebenheiten
zu componiren, die in anderm Munde ſogleich alles
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. [311]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/357>, abgerufen am 22.11.2024.
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