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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Blick, eine ungeduldige Miene, das leiseste Lächeln,
der Schein einer gehässigen Anspielung konnte augen-
blicklich die peinlichsten Gefühle in ihm hervorrufen,
alle seine Eigenschaften paralysiren, und ihm alle
Macht rauben, diese Schwäche zu verbergen.

Verlassen in dieser Epoche von den Großen und
Müßigen, die ihn mehr fürchteten als liebten, und
seine Dienste jetzt nicht bedurften, verbarg er sich
freiwillig in tiefe Einsamkeit, auch vor denen, die
ihm treu geblieben, gleichmäßig fliehend, wer ihn
liebte, und wen er verachtete. Seine Schilderung
dieser Reise ist erschöpfend für die wilde Einbildungs-
kraft und die eigenthümlichen Gefühle, welche das
wahre Geheimniß seines Wesens ausmachen, wäh-
rend seine Sehnsucht nach Einsamkeit, seine stets ver-
gebne Reue, den Kampf eines Gemüths malen, das
zwischen einer angebornen Liebe zu Natur und Ruhe,
und einem künstlichen Ehrgeiz für die Aufmerksam-
keit der Welt und dem Glanze des Rufes fortwäh-
rend schwankte -- kein ungewöhnlicher Contrast in
jenen vielleicht höher begabten Gemüthern, die ihre
Intelligenz zwar oft über die Andern erhebt, welche
dieselbe Natur aber durch gesellschaftliche und sympa-
thetische Neigungen wieder zum Niveau dieser An-
dern herabzieht. Diese feine, aber unglückliche Or-
ganisation, die ihn so empfänglich für jeden Eindruck
machte, guten oder übeln, und die ihm zu Zeiten
keinen Schutz mehr weder gegen die Schrecken der
Einbildungskraft ließ, noch auch gegen die Betrüb-
niß über wahre Verläumdung und Verfolgung --

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Blick, eine ungeduldige Miene, das leiſeſte Lächeln,
der Schein einer gehäſſigen Anſpielung konnte augen-
blicklich die peinlichſten Gefühle in ihm hervorrufen,
alle ſeine Eigenſchaften paralyſiren, und ihm alle
Macht rauben, dieſe Schwäche zu verbergen.

Verlaſſen in dieſer Epoche von den Großen und
Müßigen, die ihn mehr fürchteten als liebten, und
ſeine Dienſte jetzt nicht bedurften, verbarg er ſich
freiwillig in tiefe Einſamkeit, auch vor denen, die
ihm treu geblieben, gleichmäßig fliehend, wer ihn
liebte, und wen er verachtete. Seine Schilderung
dieſer Reiſe iſt erſchöpfend für die wilde Einbildungs-
kraft und die eigenthümlichen Gefühle, welche das
wahre Geheimniß ſeines Weſens ausmachen, wäh-
rend ſeine Sehnſucht nach Einſamkeit, ſeine ſtets ver-
gebne Reue, den Kampf eines Gemüths malen, das
zwiſchen einer angebornen Liebe zu Natur und Ruhe,
und einem künſtlichen Ehrgeiz für die Aufmerkſam-
keit der Welt und dem Glanze des Rufes fortwäh-
rend ſchwankte — kein ungewöhnlicher Contraſt in
jenen vielleicht höher begabten Gemüthern, die ihre
Intelligenz zwar oft über die Andern erhebt, welche
dieſelbe Natur aber durch geſellſchaftliche und ſympa-
thetiſche Neigungen wieder zum Niveau dieſer An-
dern herabzieht. Dieſe feine, aber unglückliche Or-
ganiſation, die ihn ſo empfänglich für jeden Eindruck
machte, guten oder übeln, und die ihm zu Zeiten
keinen Schutz mehr weder gegen die Schrecken der
Einbildungskraft ließ, noch auch gegen die Betrüb-
niß über wahre Verläumdung und Verfolgung —

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[323/0369] Blick, eine ungeduldige Miene, das leiſeſte Lächeln, der Schein einer gehäſſigen Anſpielung konnte augen- blicklich die peinlichſten Gefühle in ihm hervorrufen, alle ſeine Eigenſchaften paralyſiren, und ihm alle Macht rauben, dieſe Schwäche zu verbergen. Verlaſſen in dieſer Epoche von den Großen und Müßigen, die ihn mehr fürchteten als liebten, und ſeine Dienſte jetzt nicht bedurften, verbarg er ſich freiwillig in tiefe Einſamkeit, auch vor denen, die ihm treu geblieben, gleichmäßig fliehend, wer ihn liebte, und wen er verachtete. Seine Schilderung dieſer Reiſe iſt erſchöpfend für die wilde Einbildungs- kraft und die eigenthümlichen Gefühle, welche das wahre Geheimniß ſeines Weſens ausmachen, wäh- rend ſeine Sehnſucht nach Einſamkeit, ſeine ſtets ver- gebne Reue, den Kampf eines Gemüths malen, das zwiſchen einer angebornen Liebe zu Natur und Ruhe, und einem künſtlichen Ehrgeiz für die Aufmerkſam- keit der Welt und dem Glanze des Rufes fortwäh- rend ſchwankte — kein ungewöhnlicher Contraſt in jenen vielleicht höher begabten Gemüthern, die ihre Intelligenz zwar oft über die Andern erhebt, welche dieſelbe Natur aber durch geſellſchaftliche und ſympa- thetiſche Neigungen wieder zum Niveau dieſer An- dern herabzieht. Dieſe feine, aber unglückliche Or- ganiſation, die ihn ſo empfänglich für jeden Eindruck machte, guten oder übeln, und die ihm zu Zeiten keinen Schutz mehr weder gegen die Schrecken der Einbildungskraft ließ, noch auch gegen die Betrüb- niß über wahre Verläumdung und Verfolgung — 21*

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/369>, abgerufen am 22.11.2024.