Blick, eine ungeduldige Miene, das leiseste Lächeln, der Schein einer gehässigen Anspielung konnte augen- blicklich die peinlichsten Gefühle in ihm hervorrufen, alle seine Eigenschaften paralysiren, und ihm alle Macht rauben, diese Schwäche zu verbergen.
Verlassen in dieser Epoche von den Großen und Müßigen, die ihn mehr fürchteten als liebten, und seine Dienste jetzt nicht bedurften, verbarg er sich freiwillig in tiefe Einsamkeit, auch vor denen, die ihm treu geblieben, gleichmäßig fliehend, wer ihn liebte, und wen er verachtete. Seine Schilderung dieser Reise ist erschöpfend für die wilde Einbildungs- kraft und die eigenthümlichen Gefühle, welche das wahre Geheimniß seines Wesens ausmachen, wäh- rend seine Sehnsucht nach Einsamkeit, seine stets ver- gebne Reue, den Kampf eines Gemüths malen, das zwischen einer angebornen Liebe zu Natur und Ruhe, und einem künstlichen Ehrgeiz für die Aufmerksam- keit der Welt und dem Glanze des Rufes fortwäh- rend schwankte -- kein ungewöhnlicher Contrast in jenen vielleicht höher begabten Gemüthern, die ihre Intelligenz zwar oft über die Andern erhebt, welche dieselbe Natur aber durch gesellschaftliche und sympa- thetische Neigungen wieder zum Niveau dieser An- dern herabzieht. Diese feine, aber unglückliche Or- ganisation, die ihn so empfänglich für jeden Eindruck machte, guten oder übeln, und die ihm zu Zeiten keinen Schutz mehr weder gegen die Schrecken der Einbildungskraft ließ, noch auch gegen die Betrüb- niß über wahre Verläumdung und Verfolgung --
21*
Blick, eine ungeduldige Miene, das leiſeſte Lächeln, der Schein einer gehäſſigen Anſpielung konnte augen- blicklich die peinlichſten Gefühle in ihm hervorrufen, alle ſeine Eigenſchaften paralyſiren, und ihm alle Macht rauben, dieſe Schwäche zu verbergen.
Verlaſſen in dieſer Epoche von den Großen und Müßigen, die ihn mehr fürchteten als liebten, und ſeine Dienſte jetzt nicht bedurften, verbarg er ſich freiwillig in tiefe Einſamkeit, auch vor denen, die ihm treu geblieben, gleichmäßig fliehend, wer ihn liebte, und wen er verachtete. Seine Schilderung dieſer Reiſe iſt erſchöpfend für die wilde Einbildungs- kraft und die eigenthümlichen Gefühle, welche das wahre Geheimniß ſeines Weſens ausmachen, wäh- rend ſeine Sehnſucht nach Einſamkeit, ſeine ſtets ver- gebne Reue, den Kampf eines Gemüths malen, das zwiſchen einer angebornen Liebe zu Natur und Ruhe, und einem künſtlichen Ehrgeiz für die Aufmerkſam- keit der Welt und dem Glanze des Rufes fortwäh- rend ſchwankte — kein ungewöhnlicher Contraſt in jenen vielleicht höher begabten Gemüthern, die ihre Intelligenz zwar oft über die Andern erhebt, welche dieſelbe Natur aber durch geſellſchaftliche und ſympa- thetiſche Neigungen wieder zum Niveau dieſer An- dern herabzieht. Dieſe feine, aber unglückliche Or- ganiſation, die ihn ſo empfänglich für jeden Eindruck machte, guten oder übeln, und die ihm zu Zeiten keinen Schutz mehr weder gegen die Schrecken der Einbildungskraft ließ, noch auch gegen die Betrüb- niß über wahre Verläumdung und Verfolgung —
21*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0369"n="323"/>
Blick, eine ungeduldige Miene, das leiſeſte Lächeln,<lb/>
der Schein einer gehäſſigen Anſpielung konnte augen-<lb/>
blicklich die peinlichſten Gefühle in ihm hervorrufen,<lb/>
alle ſeine Eigenſchaften paralyſiren, und ihm alle<lb/>
Macht rauben, dieſe Schwäche zu verbergen.</p><lb/><p>Verlaſſen in dieſer Epoche von den Großen und<lb/>
Müßigen, die ihn mehr fürchteten als liebten, und<lb/>ſeine Dienſte jetzt nicht bedurften, verbarg er ſich<lb/>
freiwillig in tiefe Einſamkeit, auch vor denen, die<lb/>
ihm treu geblieben, gleichmäßig fliehend, wer ihn<lb/>
liebte, und wen er verachtete. Seine Schilderung<lb/>
dieſer Reiſe iſt erſchöpfend für die wilde Einbildungs-<lb/>
kraft und die eigenthümlichen Gefühle, welche das<lb/>
wahre Geheimniß ſeines Weſens ausmachen, wäh-<lb/>
rend ſeine Sehnſucht nach Einſamkeit, ſeine ſtets ver-<lb/>
gebne Reue, den Kampf eines Gemüths malen, das<lb/>
zwiſchen einer angebornen Liebe zu Natur und Ruhe,<lb/>
und einem künſtlichen Ehrgeiz für die Aufmerkſam-<lb/>
keit der Welt und dem Glanze des Rufes fortwäh-<lb/>
rend ſchwankte — kein ungewöhnlicher Contraſt in<lb/>
jenen vielleicht höher begabten Gemüthern, die ihre<lb/>
Intelligenz zwar oft über die Andern erhebt, welche<lb/>
dieſelbe Natur aber durch geſellſchaftliche und ſympa-<lb/>
thetiſche Neigungen wieder zum Niveau dieſer An-<lb/>
dern herabzieht. Dieſe feine, aber unglückliche Or-<lb/>
ganiſation, die ihn ſo empfänglich für jeden Eindruck<lb/>
machte, guten oder übeln, und die ihm zu Zeiten<lb/>
keinen Schutz mehr weder gegen die Schrecken der<lb/>
Einbildungskraft ließ, noch auch gegen die Betrüb-<lb/>
niß über wahre Verläumdung und Verfolgung —<lb/><fwplace="bottom"type="sig">21*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[323/0369]
Blick, eine ungeduldige Miene, das leiſeſte Lächeln,
der Schein einer gehäſſigen Anſpielung konnte augen-
blicklich die peinlichſten Gefühle in ihm hervorrufen,
alle ſeine Eigenſchaften paralyſiren, und ihm alle
Macht rauben, dieſe Schwäche zu verbergen.
Verlaſſen in dieſer Epoche von den Großen und
Müßigen, die ihn mehr fürchteten als liebten, und
ſeine Dienſte jetzt nicht bedurften, verbarg er ſich
freiwillig in tiefe Einſamkeit, auch vor denen, die
ihm treu geblieben, gleichmäßig fliehend, wer ihn
liebte, und wen er verachtete. Seine Schilderung
dieſer Reiſe iſt erſchöpfend für die wilde Einbildungs-
kraft und die eigenthümlichen Gefühle, welche das
wahre Geheimniß ſeines Weſens ausmachen, wäh-
rend ſeine Sehnſucht nach Einſamkeit, ſeine ſtets ver-
gebne Reue, den Kampf eines Gemüths malen, das
zwiſchen einer angebornen Liebe zu Natur und Ruhe,
und einem künſtlichen Ehrgeiz für die Aufmerkſam-
keit der Welt und dem Glanze des Rufes fortwäh-
rend ſchwankte — kein ungewöhnlicher Contraſt in
jenen vielleicht höher begabten Gemüthern, die ihre
Intelligenz zwar oft über die Andern erhebt, welche
dieſelbe Natur aber durch geſellſchaftliche und ſympa-
thetiſche Neigungen wieder zum Niveau dieſer An-
dern herabzieht. Dieſe feine, aber unglückliche Or-
ganiſation, die ihn ſo empfänglich für jeden Eindruck
machte, guten oder übeln, und die ihm zu Zeiten
keinen Schutz mehr weder gegen die Schrecken der
Einbildungskraft ließ, noch auch gegen die Betrüb-
niß über wahre Verläumdung und Verfolgung —
21*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/369>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.