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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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eine Dame weniger paßt, die zweite von einer Sanft-
muth, die zuflüstert: Stille Wasser sind tief!

In diesem Hause sieht man nur beau monde. Sonst
giebt es eigentlich von der allerersten, erclusiven Ge-
sellschaft nicht zu viel hier, oder sie leben ganz zu-
rückgezogen, um nicht mit der alltäglichen, die sie
Nobodys nennen, und mehr als die Braminen die
Parias scheuen, in Collision zu kommen. Ich, dem
meine Verhältnisse erlauben, in dieses Heiligthum zu
dringen, verschmähe auch die Andern nicht. Als
Fremder, und noch mehr als Selbstständiger, erlaube
ich mir ganz harmlos überall mein Vergnügen zu
suchen, und es ist nicht immer der erhabenste Ort,
wo ich das meiste finde. Ja selbst die Gemeinheit
und lächerliche Singerie der schnell Reichgewordenen
ist zuweilen recht sehr ergötzlich, und hat in England
noch einen viel burleskern Charakter als irgend wo
anders, weil Reichthum, Haus und Luxus, mit ei-
nem Wort, alles sie Umgebende wirklich ganz dasselbe
ist, wie bei den Großen und Hohen, und nur die
Personen darin gleichsam wie nackt umhergehen.

Hier trat in meiner Correspondenz eine lange Pause
ein. -- Verzeih, ich nahm mein einsames Mittags-
mahl ein -- eine Schnepfe stand vor mir, und ein
Mouton qui reve neben mir. Du erräthst wer dies
letzte ist. Aergere Dich nicht über den Platz zur Lin-
ken, denn rechts flackert das Feuer, und ich weiß zu
gut, wie sehr Du es fürchtest.

eine Dame weniger paßt, die zweite von einer Sanft-
muth, die zuflüſtert: Stille Waſſer ſind tief!

In dieſem Hauſe ſieht man nur beau monde. Sonſt
giebt es eigentlich von der allererſten, ercluſiven Ge-
ſellſchaft nicht zu viel hier, oder ſie leben ganz zu-
rückgezogen, um nicht mit der alltäglichen, die ſie
Nobodys nennen, und mehr als die Braminen die
Parias ſcheuen, in Colliſion zu kommen. Ich, dem
meine Verhältniſſe erlauben, in dieſes Heiligthum zu
dringen, verſchmähe auch die Andern nicht. Als
Fremder, und noch mehr als Selbſtſtändiger, erlaube
ich mir ganz harmlos überall mein Vergnügen zu
ſuchen, und es iſt nicht immer der erhabenſte Ort,
wo ich das meiſte finde. Ja ſelbſt die Gemeinheit
und lächerliche Singerie der ſchnell Reichgewordenen
iſt zuweilen recht ſehr ergötzlich, und hat in England
noch einen viel burleskern Charakter als irgend wo
anders, weil Reichthum, Haus und Luxus, mit ei-
nem Wort, alles ſie Umgebende wirklich ganz daſſelbe
iſt, wie bei den Großen und Hohen, und nur die
Perſonen darin gleichſam wie nackt umhergehen.

Hier trat in meiner Correſpondenz eine lange Pauſe
ein. — Verzeih, ich nahm mein einſames Mittags-
mahl ein — eine Schnepfe ſtand vor mir, und ein
Mouton qui rêve neben mir. Du erräthſt wer dies
letzte iſt. Aergere Dich nicht über den Platz zur Lin-
ken, denn rechts flackert das Feuer, und ich weiß zu
gut, wie ſehr Du es fürchteſt.

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[388/0434] eine Dame weniger paßt, die zweite von einer Sanft- muth, die zuflüſtert: Stille Waſſer ſind tief! In dieſem Hauſe ſieht man nur beau monde. Sonſt giebt es eigentlich von der allererſten, ercluſiven Ge- ſellſchaft nicht zu viel hier, oder ſie leben ganz zu- rückgezogen, um nicht mit der alltäglichen, die ſie Nobodys nennen, und mehr als die Braminen die Parias ſcheuen, in Colliſion zu kommen. Ich, dem meine Verhältniſſe erlauben, in dieſes Heiligthum zu dringen, verſchmähe auch die Andern nicht. Als Fremder, und noch mehr als Selbſtſtändiger, erlaube ich mir ganz harmlos überall mein Vergnügen zu ſuchen, und es iſt nicht immer der erhabenſte Ort, wo ich das meiſte finde. Ja ſelbſt die Gemeinheit und lächerliche Singerie der ſchnell Reichgewordenen iſt zuweilen recht ſehr ergötzlich, und hat in England noch einen viel burleskern Charakter als irgend wo anders, weil Reichthum, Haus und Luxus, mit ei- nem Wort, alles ſie Umgebende wirklich ganz daſſelbe iſt, wie bei den Großen und Hohen, und nur die Perſonen darin gleichſam wie nackt umhergehen. Hier trat in meiner Correſpondenz eine lange Pauſe ein. — Verzeih, ich nahm mein einſames Mittags- mahl ein — eine Schnepfe ſtand vor mir, und ein Mouton qui rêve neben mir. Du erräthſt wer dies letzte iſt. Aergere Dich nicht über den Platz zur Lin- ken, denn rechts flackert das Feuer, und ich weiß zu gut, wie ſehr Du es fürchteſt.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/434>, abgerufen am 24.11.2024.