eine Dame weniger paßt, die zweite von einer Sanft- muth, die zuflüstert: Stille Wasser sind tief!
In diesem Hause sieht man nur beau monde. Sonst giebt es eigentlich von der allerersten, erclusiven Ge- sellschaft nicht zu viel hier, oder sie leben ganz zu- rückgezogen, um nicht mit der alltäglichen, die sie Nobodys nennen, und mehr als die Braminen die Parias scheuen, in Collision zu kommen. Ich, dem meine Verhältnisse erlauben, in dieses Heiligthum zu dringen, verschmähe auch die Andern nicht. Als Fremder, und noch mehr als Selbstständiger, erlaube ich mir ganz harmlos überall mein Vergnügen zu suchen, und es ist nicht immer der erhabenste Ort, wo ich das meiste finde. Ja selbst die Gemeinheit und lächerliche Singerie der schnell Reichgewordenen ist zuweilen recht sehr ergötzlich, und hat in England noch einen viel burleskern Charakter als irgend wo anders, weil Reichthum, Haus und Luxus, mit ei- nem Wort, alles sie Umgebende wirklich ganz dasselbe ist, wie bei den Großen und Hohen, und nur die Personen darin gleichsam wie nackt umhergehen.
Hier trat in meiner Correspondenz eine lange Pause ein. -- Verzeih, ich nahm mein einsames Mittags- mahl ein -- eine Schnepfe stand vor mir, und ein Mouton qui reve neben mir. Du erräthst wer dies letzte ist. Aergere Dich nicht über den Platz zur Lin- ken, denn rechts flackert das Feuer, und ich weiß zu gut, wie sehr Du es fürchtest.
eine Dame weniger paßt, die zweite von einer Sanft- muth, die zuflüſtert: Stille Waſſer ſind tief!
In dieſem Hauſe ſieht man nur beau monde. Sonſt giebt es eigentlich von der allererſten, ercluſiven Ge- ſellſchaft nicht zu viel hier, oder ſie leben ganz zu- rückgezogen, um nicht mit der alltäglichen, die ſie Nobodys nennen, und mehr als die Braminen die Parias ſcheuen, in Colliſion zu kommen. Ich, dem meine Verhältniſſe erlauben, in dieſes Heiligthum zu dringen, verſchmähe auch die Andern nicht. Als Fremder, und noch mehr als Selbſtſtändiger, erlaube ich mir ganz harmlos überall mein Vergnügen zu ſuchen, und es iſt nicht immer der erhabenſte Ort, wo ich das meiſte finde. Ja ſelbſt die Gemeinheit und lächerliche Singerie der ſchnell Reichgewordenen iſt zuweilen recht ſehr ergötzlich, und hat in England noch einen viel burleskern Charakter als irgend wo anders, weil Reichthum, Haus und Luxus, mit ei- nem Wort, alles ſie Umgebende wirklich ganz daſſelbe iſt, wie bei den Großen und Hohen, und nur die Perſonen darin gleichſam wie nackt umhergehen.
Hier trat in meiner Correſpondenz eine lange Pauſe ein. — Verzeih, ich nahm mein einſames Mittags- mahl ein — eine Schnepfe ſtand vor mir, und ein Mouton qui rêve neben mir. Du erräthſt wer dies letzte iſt. Aergere Dich nicht über den Platz zur Lin- ken, denn rechts flackert das Feuer, und ich weiß zu gut, wie ſehr Du es fürchteſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0434"n="388"/>
eine Dame weniger paßt, die zweite von einer Sanft-<lb/>
muth, die zuflüſtert: Stille Waſſer ſind tief!</p><lb/><p>In dieſem Hauſe ſieht man nur <hirendition="#aq">beau monde.</hi> Sonſt<lb/>
giebt es eigentlich von der allererſten, ercluſiven Ge-<lb/>ſellſchaft nicht zu viel hier, oder ſie leben ganz zu-<lb/>
rückgezogen, um nicht mit der alltäglichen, die ſie<lb/>
Nobodys nennen, und mehr als die Braminen die<lb/>
Parias ſcheuen, in Colliſion zu kommen. Ich, dem<lb/>
meine Verhältniſſe erlauben, in dieſes Heiligthum zu<lb/>
dringen, verſchmähe auch die Andern nicht. Als<lb/>
Fremder, und noch mehr als Selbſtſtändiger, erlaube<lb/>
ich mir ganz harmlos überall mein Vergnügen zu<lb/>ſuchen, und es iſt nicht immer der erhabenſte Ort,<lb/>
wo ich das meiſte finde. Ja ſelbſt die Gemeinheit<lb/>
und lächerliche Singerie der ſchnell Reichgewordenen<lb/>
iſt zuweilen recht ſehr ergötzlich, und hat in England<lb/>
noch einen viel burleskern Charakter als irgend wo<lb/>
anders, weil Reichthum, Haus und Luxus, mit ei-<lb/>
nem Wort, alles ſie Umgebende wirklich ganz daſſelbe<lb/>
iſt, wie bei den Großen und Hohen, und nur die<lb/>
Perſonen darin gleichſam wie nackt umhergehen.</p><lb/><p>Hier trat in meiner Correſpondenz eine lange Pauſe<lb/>
ein. — Verzeih, ich nahm mein einſames Mittags-<lb/>
mahl ein — eine Schnepfe ſtand vor mir, und ein<lb/><hirendition="#aq">Mouton qui rêve</hi> neben mir. Du erräthſt wer dies<lb/>
letzte iſt. Aergere Dich nicht über den Platz zur Lin-<lb/>
ken, denn rechts flackert das Feuer, und ich weiß zu<lb/>
gut, wie ſehr Du es fürchteſt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[388/0434]
eine Dame weniger paßt, die zweite von einer Sanft-
muth, die zuflüſtert: Stille Waſſer ſind tief!
In dieſem Hauſe ſieht man nur beau monde. Sonſt
giebt es eigentlich von der allererſten, ercluſiven Ge-
ſellſchaft nicht zu viel hier, oder ſie leben ganz zu-
rückgezogen, um nicht mit der alltäglichen, die ſie
Nobodys nennen, und mehr als die Braminen die
Parias ſcheuen, in Colliſion zu kommen. Ich, dem
meine Verhältniſſe erlauben, in dieſes Heiligthum zu
dringen, verſchmähe auch die Andern nicht. Als
Fremder, und noch mehr als Selbſtſtändiger, erlaube
ich mir ganz harmlos überall mein Vergnügen zu
ſuchen, und es iſt nicht immer der erhabenſte Ort,
wo ich das meiſte finde. Ja ſelbſt die Gemeinheit
und lächerliche Singerie der ſchnell Reichgewordenen
iſt zuweilen recht ſehr ergötzlich, und hat in England
noch einen viel burleskern Charakter als irgend wo
anders, weil Reichthum, Haus und Luxus, mit ei-
nem Wort, alles ſie Umgebende wirklich ganz daſſelbe
iſt, wie bei den Großen und Hohen, und nur die
Perſonen darin gleichſam wie nackt umhergehen.
Hier trat in meiner Correſpondenz eine lange Pauſe
ein. — Verzeih, ich nahm mein einſames Mittags-
mahl ein — eine Schnepfe ſtand vor mir, und ein
Mouton qui rêve neben mir. Du erräthſt wer dies
letzte iſt. Aergere Dich nicht über den Platz zur Lin-
ken, denn rechts flackert das Feuer, und ich weiß zu
gut, wie ſehr Du es fürchteſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/434>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.