Rücksicht, daß man ihnen wenigstens die äussersten Kronen und Wipfel läßt, den Anblick weniger trost- los machen, wie z. B. in dem sonst so schönen Schlesien.
Unter den Passagieren befand sich ein Engländer, der erst kürzlich aus Herrnhut zurückkehrte, und auch das Bad von M .... besucht hatte. Es divertirte mich sehr, ungekannt von ihm, seine Urtheile über die dortigen Anlagen zu hören. Wie der Geschmack verschieden ist, und man daher bei nichts verzweifeln darf, kannst Du daraus abnehmen, daß dieser Mann jene düstern Gegenden ungemein bewunderte, blos wegen der Immensität ihrer "evergreen woods" wo- mit er die endlosen monotonen Kieferwälder meinte, die uns so unerträglich vorkommen, in England aber, wo die Kiefern mühsam in den Parks angepflanzt werden, obgleich sie in der Regel schlecht gedeihen, eine sehr geschätzte Seltenheit sind. Ein Amerikaner war sehr entrüstet, bei dieser elenden Ueberfahrt see- krank geworden zu seyn, während er es von Ame- rika nach Rotterdam nie gewesen, und ein Planta- genbesitzer aus Demerary, der beständig fror, jam- merte daneben noch mehr über die unpolitische Auf- hebung des Sclavenhandels, der, wie er meinte, bald den gänzlichen Ruin der Colonien herbeiführen müßte, denn, sagte er: Ein Sclave oder Inländer arbeitet nie, wenn er nicht muß, und um zu leben, braucht er nicht zu arbeiten, da das herrliche Land und Klima ihm von selbst Nahrung und Obdach lie- fert. Europäer aber können bei der Hitze nicht ar-
Rückſicht, daß man ihnen wenigſtens die äuſſerſten Kronen und Wipfel läßt, den Anblick weniger troſt- los machen, wie z. B. in dem ſonſt ſo ſchönen Schleſien.
Unter den Paſſagieren befand ſich ein Engländer, der erſt kürzlich aus Herrnhut zurückkehrte, und auch das Bad von M .... beſucht hatte. Es divertirte mich ſehr, ungekannt von ihm, ſeine Urtheile über die dortigen Anlagen zu hören. Wie der Geſchmack verſchieden iſt, und man daher bei nichts verzweifeln darf, kannſt Du daraus abnehmen, daß dieſer Mann jene düſtern Gegenden ungemein bewunderte, blos wegen der Immenſität ihrer „evergreen woods“ wo- mit er die endloſen monotonen Kieferwälder meinte, die uns ſo unerträglich vorkommen, in England aber, wo die Kiefern mühſam in den Parks angepflanzt werden, obgleich ſie in der Regel ſchlecht gedeihen, eine ſehr geſchätzte Seltenheit ſind. Ein Amerikaner war ſehr entrüſtet, bei dieſer elenden Ueberfahrt ſee- krank geworden zu ſeyn, während er es von Ame- rika nach Rotterdam nie geweſen, und ein Planta- genbeſitzer aus Demerary, der beſtändig fror, jam- merte daneben noch mehr über die unpolitiſche Auf- hebung des Sclavenhandels, der, wie er meinte, bald den gänzlichen Ruin der Colonien herbeiführen müßte, denn, ſagte er: Ein Sclave oder Inländer arbeitet nie, wenn er nicht muß, und um zu leben, braucht er nicht zu arbeiten, da das herrliche Land und Klima ihm von ſelbſt Nahrung und Obdach lie- fert. Europäer aber können bei der Hitze nicht ar-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0079"n="39"/>
Rückſicht, daß man ihnen wenigſtens die äuſſerſten<lb/>
Kronen und Wipfel läßt, den Anblick weniger troſt-<lb/>
los machen, wie z. B. in dem ſonſt ſo ſchönen<lb/>
Schleſien.</p><lb/><p>Unter den Paſſagieren befand ſich ein Engländer,<lb/>
der erſt kürzlich aus Herrnhut zurückkehrte, und auch<lb/>
das Bad von M .... beſucht hatte. Es divertirte<lb/>
mich ſehr, ungekannt von ihm, ſeine Urtheile über<lb/>
die dortigen Anlagen zu hören. Wie der Geſchmack<lb/>
verſchieden iſt, und man daher bei nichts verzweifeln<lb/>
darf, kannſt Du daraus abnehmen, daß dieſer Mann<lb/>
jene düſtern Gegenden ungemein bewunderte, blos<lb/>
wegen der Immenſität ihrer <hirendition="#aq">„evergreen woods“</hi> wo-<lb/>
mit er die endloſen monotonen Kieferwälder meinte,<lb/>
die uns ſo unerträglich vorkommen, in England aber,<lb/>
wo die Kiefern mühſam in den Parks angepflanzt<lb/>
werden, obgleich ſie in der Regel ſchlecht gedeihen,<lb/>
eine ſehr geſchätzte Seltenheit ſind. Ein Amerikaner<lb/>
war ſehr entrüſtet, bei dieſer elenden Ueberfahrt ſee-<lb/>
krank geworden zu ſeyn, während er es von Ame-<lb/>
rika nach Rotterdam nie geweſen, und ein Planta-<lb/>
genbeſitzer aus Demerary, der beſtändig fror, jam-<lb/>
merte daneben noch mehr über die unpolitiſche Auf-<lb/>
hebung des Sclavenhandels, der, wie <hirendition="#g">er</hi> meinte,<lb/>
bald den gänzlichen Ruin der Colonien herbeiführen<lb/>
müßte, denn, ſagte er: Ein Sclave oder Inländer<lb/>
arbeitet nie, wenn er nicht muß, und um zu leben,<lb/>
braucht er nicht zu arbeiten, da das herrliche Land<lb/>
und Klima ihm von ſelbſt Nahrung und Obdach lie-<lb/>
fert. Europäer aber <hirendition="#g">können</hi> bei der Hitze nicht ar-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0079]
Rückſicht, daß man ihnen wenigſtens die äuſſerſten
Kronen und Wipfel läßt, den Anblick weniger troſt-
los machen, wie z. B. in dem ſonſt ſo ſchönen
Schleſien.
Unter den Paſſagieren befand ſich ein Engländer,
der erſt kürzlich aus Herrnhut zurückkehrte, und auch
das Bad von M .... beſucht hatte. Es divertirte
mich ſehr, ungekannt von ihm, ſeine Urtheile über
die dortigen Anlagen zu hören. Wie der Geſchmack
verſchieden iſt, und man daher bei nichts verzweifeln
darf, kannſt Du daraus abnehmen, daß dieſer Mann
jene düſtern Gegenden ungemein bewunderte, blos
wegen der Immenſität ihrer „evergreen woods“ wo-
mit er die endloſen monotonen Kieferwälder meinte,
die uns ſo unerträglich vorkommen, in England aber,
wo die Kiefern mühſam in den Parks angepflanzt
werden, obgleich ſie in der Regel ſchlecht gedeihen,
eine ſehr geſchätzte Seltenheit ſind. Ein Amerikaner
war ſehr entrüſtet, bei dieſer elenden Ueberfahrt ſee-
krank geworden zu ſeyn, während er es von Ame-
rika nach Rotterdam nie geweſen, und ein Planta-
genbeſitzer aus Demerary, der beſtändig fror, jam-
merte daneben noch mehr über die unpolitiſche Auf-
hebung des Sclavenhandels, der, wie er meinte,
bald den gänzlichen Ruin der Colonien herbeiführen
müßte, denn, ſagte er: Ein Sclave oder Inländer
arbeitet nie, wenn er nicht muß, und um zu leben,
braucht er nicht zu arbeiten, da das herrliche Land
und Klima ihm von ſelbſt Nahrung und Obdach lie-
fert. Europäer aber können bei der Hitze nicht ar-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/79>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.