genblattes wärest, Du könntest keinen fleißigern Re- ferenten haben als mich, und es mag mir schlecht oder gut gehen, ich mag traurig oder heiter seyn, dennoch thue ich immer meine Pflicht. Grade jetzt geht es mir nicht zum besten. Ich bin unwohl, und habe viel Geld im Whist verloren. Uebrigens ist es merkwürdig, wie schnell man sich hier in England gewöhnt, ein Pfund wie einen Thaler zu betrach- ten. Obgleich ich den Unterschied wohl kenne, und oft nicht ganz angenehm empfinde, so bleibt doch der sinnliche Eindruck des Pfundes hier grade derselbe, wie der eines Thalers bei uns, worüber ich oft selbst lachen muß. Ich wünschte, das Schicksal machte auch einmal eine ähnliche Verwechselung, und unsere Thaler zu Pfunden, gewiß vergrübe ich das meinige nicht. Doch wucherten wir immer gut mit dem uns Ver- liehenen, denn wenn man eine verschönerte Gottes- Natur aus todtem Gelde zu machen sucht wie ich, so hat man gut gewuchert, auch wenn man glückliche und zufriedene Menschen damit macht, und auch das that ich durch gegebene Arbeit, Du auf direkterem Wege reichlich durch Wohlthaten an die Bedürftigen.
Klugheit war weniger unsre Stärke, und wenn Du etwas mehr als ich davon aufzuweisen hast, so kömmt das blos daher, weil Du ein Weib bist, welche sich immer auf der Defensive halten müssen. Klugheit ist aber weit mehr eine Vertheidigungs- als eine Angriffskunst.
Du kannst sie jetzt grade in der S ..... schen An- gelegenheit üben, und ich sehe Dich schon in Gedan-
genblattes wäreſt, Du könnteſt keinen fleißigern Re- ferenten haben als mich, und es mag mir ſchlecht oder gut gehen, ich mag traurig oder heiter ſeyn, dennoch thue ich immer meine Pflicht. Grade jetzt geht es mir nicht zum beſten. Ich bin unwohl, und habe viel Geld im Whiſt verloren. Uebrigens iſt es merkwürdig, wie ſchnell man ſich hier in England gewöhnt, ein Pfund wie einen Thaler zu betrach- ten. Obgleich ich den Unterſchied wohl kenne, und oft nicht ganz angenehm empfinde, ſo bleibt doch der ſinnliche Eindruck des Pfundes hier grade derſelbe, wie der eines Thalers bei uns, worüber ich oft ſelbſt lachen muß. Ich wünſchte, das Schickſal machte auch einmal eine ähnliche Verwechſelung, und unſere Thaler zu Pfunden, gewiß vergrübe ich das meinige nicht. Doch wucherten wir immer gut mit dem uns Ver- liehenen, denn wenn man eine verſchönerte Gottes- Natur aus todtem Gelde zu machen ſucht wie ich, ſo hat man gut gewuchert, auch wenn man glückliche und zufriedene Menſchen damit macht, und auch das that ich durch gegebene Arbeit, Du auf direkterem Wege reichlich durch Wohlthaten an die Bedürftigen.
Klugheit war weniger unſre Stärke, und wenn Du etwas mehr als ich davon aufzuweiſen haſt, ſo kömmt das blos daher, weil Du ein Weib biſt, welche ſich immer auf der Defenſive halten müſſen. Klugheit iſt aber weit mehr eine Vertheidigungs- als eine Angriffskunſt.
Du kannſt ſie jetzt grade in der S ..... ſchen An- gelegenheit üben, und ich ſehe Dich ſchon in Gedan-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0112"n="96"/>
genblattes wäreſt, Du könnteſt keinen fleißigern Re-<lb/>
ferenten haben als mich, und es mag mir ſchlecht<lb/>
oder gut gehen, ich mag traurig oder heiter ſeyn,<lb/>
dennoch thue ich immer meine Pflicht. Grade jetzt<lb/>
geht es mir nicht zum beſten. Ich bin unwohl, und<lb/>
habe viel Geld im Whiſt verloren. Uebrigens iſt es<lb/>
merkwürdig, wie ſchnell man ſich hier in England<lb/>
gewöhnt, ein Pfund wie einen Thaler zu betrach-<lb/>
ten. Obgleich ich den Unterſchied wohl kenne, und<lb/>
oft nicht ganz angenehm empfinde, ſo bleibt doch der<lb/>ſinnliche Eindruck des Pfundes hier grade derſelbe,<lb/>
wie der eines Thalers bei uns, worüber ich oft ſelbſt<lb/>
lachen muß. Ich wünſchte, das Schickſal machte auch<lb/>
einmal eine ähnliche Verwechſelung, und unſere Thaler<lb/>
zu Pfunden, gewiß vergrübe ich das meinige nicht.<lb/>
Doch wucherten wir immer gut mit dem uns Ver-<lb/>
liehenen, denn wenn man eine verſchönerte Gottes-<lb/>
Natur aus todtem Gelde zu machen ſucht wie ich,<lb/>ſo hat man gut gewuchert, auch wenn man glückliche<lb/>
und zufriedene Menſchen damit macht, und auch das<lb/>
that ich durch gegebene Arbeit, Du auf direkterem<lb/>
Wege reichlich durch Wohlthaten an die Bedürftigen.</p><lb/><p>Klugheit war weniger unſre Stärke, und wenn<lb/>
Du etwas mehr als ich davon aufzuweiſen haſt,<lb/>ſo kömmt das blos daher, weil Du ein Weib biſt,<lb/>
welche ſich immer auf der Defenſive halten müſſen.<lb/>
Klugheit iſt aber weit mehr eine Vertheidigungs-<lb/>
als eine Angriffskunſt.</p><lb/><p>Du kannſt ſie jetzt grade in der S ..... ſchen An-<lb/>
gelegenheit üben, und ich ſehe Dich ſchon in Gedan-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[96/0112]
genblattes wäreſt, Du könnteſt keinen fleißigern Re-
ferenten haben als mich, und es mag mir ſchlecht
oder gut gehen, ich mag traurig oder heiter ſeyn,
dennoch thue ich immer meine Pflicht. Grade jetzt
geht es mir nicht zum beſten. Ich bin unwohl, und
habe viel Geld im Whiſt verloren. Uebrigens iſt es
merkwürdig, wie ſchnell man ſich hier in England
gewöhnt, ein Pfund wie einen Thaler zu betrach-
ten. Obgleich ich den Unterſchied wohl kenne, und
oft nicht ganz angenehm empfinde, ſo bleibt doch der
ſinnliche Eindruck des Pfundes hier grade derſelbe,
wie der eines Thalers bei uns, worüber ich oft ſelbſt
lachen muß. Ich wünſchte, das Schickſal machte auch
einmal eine ähnliche Verwechſelung, und unſere Thaler
zu Pfunden, gewiß vergrübe ich das meinige nicht.
Doch wucherten wir immer gut mit dem uns Ver-
liehenen, denn wenn man eine verſchönerte Gottes-
Natur aus todtem Gelde zu machen ſucht wie ich,
ſo hat man gut gewuchert, auch wenn man glückliche
und zufriedene Menſchen damit macht, und auch das
that ich durch gegebene Arbeit, Du auf direkterem
Wege reichlich durch Wohlthaten an die Bedürftigen.
Klugheit war weniger unſre Stärke, und wenn
Du etwas mehr als ich davon aufzuweiſen haſt,
ſo kömmt das blos daher, weil Du ein Weib biſt,
welche ſich immer auf der Defenſive halten müſſen.
Klugheit iſt aber weit mehr eine Vertheidigungs-
als eine Angriffskunſt.
Du kannſt ſie jetzt grade in der S ..... ſchen An-
gelegenheit üben, und ich ſehe Dich ſchon in Gedan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/112>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.