Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

ken die Widerspenstigen bezähmen, und würdevolle
Worte des Friedens über sie aussprechen. Erblicke
hier am Rande Dein Portrait a la Thomas Law-
rence
-- Du wirst ohne Zweifel viel von der An-
lage zur Kunst darin wahrnehmen, welche der Gal-
lianer auf meinem Schädel gelesen hat, die umste-
henden Carrikaturen aber rechne meiner etwas mür-
rischen Laune zu.

Da eine solche plattgedrückte Stimmung aber we-
nig Gedanken liefert, so erlaube mir, Dir aus einem
seltsamen Buche einige Stellen mitzutheilen, von de-
nen Du glauben wirst, daß sie nicht nur aus meiner
Feder, sondern auch aus meinem Innersten ge-
flossen sind.

"Es ist nicht zu berechnen," sagt der Autor,
"welche Wichtigkeit die Umgebungen unsrer Jugend
auf spätere Charakterausbildung haben. Die düstern
Wälder meines Geburtslandes, meine vielfachen ein-
samen Wanderungen in jener Natur waren es, wo
meine frühe Liebe zu meinen eignen Gedanken ent-
stand, und in dem Maße wie ich auf der Schule mit
meines Gleichen bekannter wurde, machte es mir
schon den Zustand meines Gemüths ohnmöglich, ir-
gend eine intime Cameradschaft anzuknüpfen, ausge-
nommen die, welche ich bereits in mir selbst
zu entdecken anfing.

Am Tage war einsames Wandern in der Natur
meine Freude, Abends das Lesen romantischer Fik-

Briefe eines Verstorbenen. IV. 7

ken die Widerſpenſtigen bezähmen, und würdevolle
Worte des Friedens über ſie ausſprechen. Erblicke
hier am Rande Dein Portrait à la Thomas Law-
rence
— Du wirſt ohne Zweifel viel von der An-
lage zur Kunſt darin wahrnehmen, welche der Gal-
lianer auf meinem Schädel geleſen hat, die umſte-
henden Carrikaturen aber rechne meiner etwas mür-
riſchen Laune zu.

Da eine ſolche plattgedrückte Stimmung aber we-
nig Gedanken liefert, ſo erlaube mir, Dir aus einem
ſeltſamen Buche einige Stellen mitzutheilen, von de-
nen Du glauben wirſt, daß ſie nicht nur aus meiner
Feder, ſondern auch aus meinem Innerſten ge-
floſſen ſind.

„Es iſt nicht zu berechnen,“ ſagt der Autor,
„welche Wichtigkeit die Umgebungen unſrer Jugend
auf ſpätere Charakterausbildung haben. Die düſtern
Wälder meines Geburtslandes, meine vielfachen ein-
ſamen Wanderungen in jener Natur waren es, wo
meine frühe Liebe zu meinen eignen Gedanken ent-
ſtand, und in dem Maße wie ich auf der Schule mit
meines Gleichen bekannter wurde, machte es mir
ſchon den Zuſtand meines Gemüths ohnmöglich, ir-
gend eine intime Cameradſchaft anzuknüpfen, ausge-
nommen die, welche ich bereits in mir ſelbſt
zu entdecken anfing.

Am Tage war einſames Wandern in der Natur
meine Freude, Abends das Leſen romantiſcher Fik-

Briefe eines Verſtorbenen. IV. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0113" n="97"/>
ken die Wider&#x017F;pen&#x017F;tigen bezähmen, und würdevolle<lb/>
Worte des Friedens über &#x017F;ie aus&#x017F;prechen. Erblicke<lb/>
hier am Rande Dein Portrait <hi rendition="#aq">à la Thomas Law-<lb/>
rence</hi> &#x2014; Du wir&#x017F;t ohne Zweifel viel von der An-<lb/>
lage zur Kun&#x017F;t darin wahrnehmen, welche der Gal-<lb/>
lianer auf meinem Schädel gele&#x017F;en hat, die um&#x017F;te-<lb/>
henden Carrikaturen aber rechne meiner etwas mür-<lb/>
ri&#x017F;chen Laune zu.</p><lb/>
          <p>Da eine &#x017F;olche plattgedrückte Stimmung aber we-<lb/>
nig Gedanken liefert, &#x017F;o erlaube mir, Dir aus einem<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;amen Buche einige Stellen mitzutheilen, von de-<lb/>
nen Du glauben wir&#x017F;t, daß &#x017F;ie nicht nur aus meiner<lb/>
Feder, &#x017F;ondern auch aus meinem Inner&#x017F;ten ge-<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es i&#x017F;t nicht zu berechnen,&#x201C; &#x017F;agt der Autor,<lb/>
&#x201E;welche Wichtigkeit die Umgebungen un&#x017F;rer Jugend<lb/>
auf &#x017F;pätere Charakterausbildung haben. Die dü&#x017F;tern<lb/>
Wälder meines Geburtslandes, meine vielfachen ein-<lb/>
&#x017F;amen Wanderungen in jener Natur waren es, wo<lb/>
meine frühe Liebe zu meinen eignen Gedanken ent-<lb/>
&#x017F;tand, und in dem Maße wie ich auf der Schule mit<lb/>
meines Gleichen bekannter wurde, machte es mir<lb/>
&#x017F;chon den Zu&#x017F;tand meines Gemüths ohnmöglich, ir-<lb/>
gend eine intime Camerad&#x017F;chaft anzuknüpfen, ausge-<lb/>
nommen die, welche <hi rendition="#g">ich bereits in mir &#x017F;elb&#x017F;t</hi><lb/>
zu entdecken anfing.</p><lb/>
          <p>Am Tage war ein&#x017F;ames Wandern in der Natur<lb/>
meine Freude, Abends das Le&#x017F;en romanti&#x017F;cher Fik-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Briefe eines Ver&#x017F;torbenen. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 7</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0113] ken die Widerſpenſtigen bezähmen, und würdevolle Worte des Friedens über ſie ausſprechen. Erblicke hier am Rande Dein Portrait à la Thomas Law- rence — Du wirſt ohne Zweifel viel von der An- lage zur Kunſt darin wahrnehmen, welche der Gal- lianer auf meinem Schädel geleſen hat, die umſte- henden Carrikaturen aber rechne meiner etwas mür- riſchen Laune zu. Da eine ſolche plattgedrückte Stimmung aber we- nig Gedanken liefert, ſo erlaube mir, Dir aus einem ſeltſamen Buche einige Stellen mitzutheilen, von de- nen Du glauben wirſt, daß ſie nicht nur aus meiner Feder, ſondern auch aus meinem Innerſten ge- floſſen ſind. „Es iſt nicht zu berechnen,“ ſagt der Autor, „welche Wichtigkeit die Umgebungen unſrer Jugend auf ſpätere Charakterausbildung haben. Die düſtern Wälder meines Geburtslandes, meine vielfachen ein- ſamen Wanderungen in jener Natur waren es, wo meine frühe Liebe zu meinen eignen Gedanken ent- ſtand, und in dem Maße wie ich auf der Schule mit meines Gleichen bekannter wurde, machte es mir ſchon den Zuſtand meines Gemüths ohnmöglich, ir- gend eine intime Cameradſchaft anzuknüpfen, ausge- nommen die, welche ich bereits in mir ſelbſt zu entdecken anfing. Am Tage war einſames Wandern in der Natur meine Freude, Abends das Leſen romantiſcher Fik- Briefe eines Verſtorbenen. IV. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/113
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/113>, abgerufen am 22.12.2024.