Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

(welches ich, wie Du Dich erinnerst, nur von Außen
bei meinem letzten Dortseyn gesehen) en detail zu be-
trachten. Unglücklicherweise kam mit uns beinahe zu-
gleich der König mit seinem Gefolge in fünf Phae-
tons, mit Pony's (kleinen Pferdchen) bespannt, dort
an, so daß wir über eine Stunde warten mußten,
ehe er wieder fortfuhr, und uns der Eingang gestat-
tet werden konnte.

Wir besuchten unterdessen Eaton College, eine
alte, von Heinrich VI. gestiftete Erziehungsanstalt,
äußerlich ein weitläuftiges und schönes gothisches Ge-
bäude mit einer dazu gehörigen Kirche, innerlich von
einer Simplizität, die kaum von unsern Dorfschulen
übertroffen werden kann. Weiße, kahle Wände, höl-
zerne Bänke, und die darin eingegrabenen Namen
der Schüler, die hier studierten, (mitunter berühmte
Männer, wie Fox, Canning und andere) sind Alles,
was man in den Sälen sieht, wo die vornehmste Ju-
gend Englands erzogen wird. König Heinrichs Stif-
tung gemäß bekommen die Freischüler Tag für Tag
kein andres als Schöpsenfleisch. Was muß sich der
Stifter hierbei nur gedacht haben!

Die Bibliothek ist recht schön dekorirt, und hat
interessante Manuscripte.

Als wir von Eaton zurückkamen, war der König
wieder abgefahren, und Herr Whyattville, sein Archi-
tekt, welcher den neuen Schloßbau leitet, hatte die
Güte, uns mit größter Gefälligkeit von allem genau
zu unterrichten. Dieser Bau ist ein ungeheures Werk,
und der einzige dieser Art in England, welcher nicht

Briefe eines Verstorbenen. IV. 10

(welches ich, wie Du Dich erinnerſt, nur von Außen
bei meinem letzten Dortſeyn geſehen) en detail zu be-
trachten. Unglücklicherweiſe kam mit uns beinahe zu-
gleich der König mit ſeinem Gefolge in fünf Phae-
tons, mit Pony’s (kleinen Pferdchen) beſpannt, dort
an, ſo daß wir über eine Stunde warten mußten,
ehe er wieder fortfuhr, und uns der Eingang geſtat-
tet werden konnte.

Wir beſuchten unterdeſſen Eaton College, eine
alte, von Heinrich VI. geſtiftete Erziehungsanſtalt,
äußerlich ein weitläuftiges und ſchönes gothiſches Ge-
bäude mit einer dazu gehörigen Kirche, innerlich von
einer Simplizität, die kaum von unſern Dorfſchulen
übertroffen werden kann. Weiße, kahle Wände, höl-
zerne Bänke, und die darin eingegrabenen Namen
der Schüler, die hier ſtudierten, (mitunter berühmte
Männer, wie Fox, Canning und andere) ſind Alles,
was man in den Sälen ſieht, wo die vornehmſte Ju-
gend Englands erzogen wird. König Heinrichs Stif-
tung gemäß bekommen die Freiſchüler Tag für Tag
kein andres als Schöpſenfleiſch. Was muß ſich der
Stifter hierbei nur gedacht haben!

Die Bibliothek iſt recht ſchön dekorirt, und hat
intereſſante Manuſcripte.

Als wir von Eaton zurückkamen, war der König
wieder abgefahren, und Herr Whyattville, ſein Archi-
tekt, welcher den neuen Schloßbau leitet, hatte die
Güte, uns mit größter Gefälligkeit von allem genau
zu unterrichten. Dieſer Bau iſt ein ungeheures Werk,
und der einzige dieſer Art in England, welcher nicht

Briefe eines Verſtorbenen. IV. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="145"/>
(welches ich, wie Du Dich erinner&#x017F;t, nur von Außen<lb/>
bei meinem letzten Dort&#x017F;eyn ge&#x017F;ehen) <hi rendition="#aq">en detail</hi> zu be-<lb/>
trachten. Unglücklicherwei&#x017F;e kam mit uns beinahe zu-<lb/>
gleich der König mit &#x017F;einem Gefolge in fünf Phae-<lb/>
tons, mit Pony&#x2019;s (kleinen Pferdchen) be&#x017F;pannt, dort<lb/>
an, &#x017F;o daß wir über eine Stunde warten mußten,<lb/>
ehe er wieder fortfuhr, und uns der Eingang ge&#x017F;tat-<lb/>
tet werden konnte.</p><lb/>
          <p>Wir be&#x017F;uchten unterde&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Eaton College,</hi> eine<lb/>
alte, von Heinrich <hi rendition="#aq">VI.</hi> ge&#x017F;tiftete Erziehungsan&#x017F;talt,<lb/>
äußerlich ein weitläuftiges und &#x017F;chönes gothi&#x017F;ches Ge-<lb/>
bäude mit einer dazu gehörigen Kirche, innerlich von<lb/>
einer Simplizität, die kaum von un&#x017F;ern Dorf&#x017F;chulen<lb/>
übertroffen werden kann. Weiße, kahle Wände, höl-<lb/>
zerne Bänke, und die darin eingegrabenen Namen<lb/>
der Schüler, die hier &#x017F;tudierten, (mitunter berühmte<lb/>
Männer, wie Fox, Canning und andere) &#x017F;ind Alles,<lb/>
was man in den Sälen &#x017F;ieht, wo die vornehm&#x017F;te Ju-<lb/>
gend Englands erzogen wird. König Heinrichs Stif-<lb/>
tung gemäß bekommen die Frei&#x017F;chüler Tag für Tag<lb/>
kein andres als Schöp&#x017F;enflei&#x017F;ch. Was muß &#x017F;ich der<lb/>
Stifter hierbei nur gedacht haben!</p><lb/>
          <p>Die Bibliothek i&#x017F;t recht &#x017F;chön dekorirt, und hat<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;ante Manu&#x017F;cripte.</p><lb/>
          <p>Als wir von Eaton zurückkamen, war der König<lb/>
wieder abgefahren, und Herr Whyattville, &#x017F;ein Archi-<lb/>
tekt, welcher den neuen Schloßbau leitet, hatte die<lb/>
Güte, uns mit größter Gefälligkeit von allem genau<lb/>
zu unterrichten. Die&#x017F;er Bau i&#x017F;t ein ungeheures Werk,<lb/>
und der einzige die&#x017F;er Art in England, welcher nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Briefe eines Ver&#x017F;torbenen. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 10</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0161] (welches ich, wie Du Dich erinnerſt, nur von Außen bei meinem letzten Dortſeyn geſehen) en detail zu be- trachten. Unglücklicherweiſe kam mit uns beinahe zu- gleich der König mit ſeinem Gefolge in fünf Phae- tons, mit Pony’s (kleinen Pferdchen) beſpannt, dort an, ſo daß wir über eine Stunde warten mußten, ehe er wieder fortfuhr, und uns der Eingang geſtat- tet werden konnte. Wir beſuchten unterdeſſen Eaton College, eine alte, von Heinrich VI. geſtiftete Erziehungsanſtalt, äußerlich ein weitläuftiges und ſchönes gothiſches Ge- bäude mit einer dazu gehörigen Kirche, innerlich von einer Simplizität, die kaum von unſern Dorfſchulen übertroffen werden kann. Weiße, kahle Wände, höl- zerne Bänke, und die darin eingegrabenen Namen der Schüler, die hier ſtudierten, (mitunter berühmte Männer, wie Fox, Canning und andere) ſind Alles, was man in den Sälen ſieht, wo die vornehmſte Ju- gend Englands erzogen wird. König Heinrichs Stif- tung gemäß bekommen die Freiſchüler Tag für Tag kein andres als Schöpſenfleiſch. Was muß ſich der Stifter hierbei nur gedacht haben! Die Bibliothek iſt recht ſchön dekorirt, und hat intereſſante Manuſcripte. Als wir von Eaton zurückkamen, war der König wieder abgefahren, und Herr Whyattville, ſein Archi- tekt, welcher den neuen Schloßbau leitet, hatte die Güte, uns mit größter Gefälligkeit von allem genau zu unterrichten. Dieſer Bau iſt ein ungeheures Werk, und der einzige dieſer Art in England, welcher nicht Briefe eines Verſtorbenen. IV. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/161
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/161>, abgerufen am 22.12.2024.