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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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und unter dem Stein erdrosselt wurde." "Mein Gott,
fürchten Sie sich denn nicht, hier zu schlafen?" er-
wiederte ich; "wenn der junge Ritter nun als Geist
wiederkehrte?" -- "Never fear," rief die joviale
Alte, "in meinen Jahren ist man nicht mehr so furcht-
sam, und vor lebenden und todten jungen Rittern
sicher."

Wir wanderten nun nach der herrlichen Capelle
zum Gottesdienst. Die Banner, Schwerdter und
Coronets der Hosenbandritter, stolz rund umherge-
reiht, das trübe Licht der bunten Fenster, das künst-
liche Schnitzwerk in Stein und Holz, die andächtige
Menge, gaben ein schönes Bild, nur durch Einzeln-
heiten entstellt, wie z. B. das ridicüle Monument
der Prinzessin Charlotte, wo die vier Nebenpersonen
alle dem Beschauer den Rücken kehren, ohne irgend
etwas anders von sich seben zu lassen, wogegen aber
die Prinzessin doppelt erscheint, zugleich als Leiche
daliegt und als Engel in die Höhe fliegt.

Von dem Gesang und der Musik umwogt, über-
ließ ich mich, still in eine Ecke gedrückt, meinen Phan-
tasieen, und vergaß, im Reich der Töne tief versun-
ken, bald Alles um mich her. Ich dachte mich end-
lich selbst todt, und als Besucher jener gothischen
Kapelle, die wir, liebe Julie, bauen wollen, vor mei-
nem eignen Grabe stehend. Auf einem weißen Mar-
mor-Sarkophag, dem Chore gegenüber, in der Mitte
der Kirche, lag vor mir eine in faltenreiche Gewän-
der gehüllte Gestalt, ein Lamm und einen Wolf zu

und unter dem Stein erdroſſelt wurde.“ „Mein Gott,
fürchten Sie ſich denn nicht, hier zu ſchlafen?“ er-
wiederte ich; „wenn der junge Ritter nun als Geiſt
wiederkehrte?“ — „Never fear,“ rief die joviale
Alte, „in meinen Jahren iſt man nicht mehr ſo furcht-
ſam, und vor lebenden und todten jungen Rittern
ſicher.“

Wir wanderten nun nach der herrlichen Capelle
zum Gottesdienſt. Die Banner, Schwerdter und
Coronets der Hoſenbandritter, ſtolz rund umherge-
reiht, das trübe Licht der bunten Fenſter, das künſt-
liche Schnitzwerk in Stein und Holz, die andächtige
Menge, gaben ein ſchönes Bild, nur durch Einzeln-
heiten entſtellt, wie z. B. das ridicüle Monument
der Prinzeſſin Charlotte, wo die vier Nebenperſonen
alle dem Beſchauer den Rücken kehren, ohne irgend
etwas anders von ſich ſeben zu laſſen, wogegen aber
die Prinzeſſin doppelt erſcheint, zugleich als Leiche
daliegt und als Engel in die Höhe fliegt.

Von dem Geſang und der Muſik umwogt, über-
ließ ich mich, ſtill in eine Ecke gedrückt, meinen Phan-
taſieen, und vergaß, im Reich der Töne tief verſun-
ken, bald Alles um mich her. Ich dachte mich end-
lich ſelbſt todt, und als Beſucher jener gothiſchen
Kapelle, die wir, liebe Julie, bauen wollen, vor mei-
nem eignen Grabe ſtehend. Auf einem weißen Mar-
mor-Sarkophag, dem Chore gegenüber, in der Mitte
der Kirche, lag vor mir eine in faltenreiche Gewän-
der gehüllte Geſtalt, ein Lamm und einen Wolf zu

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[156/0172] und unter dem Stein erdroſſelt wurde.“ „Mein Gott, fürchten Sie ſich denn nicht, hier zu ſchlafen?“ er- wiederte ich; „wenn der junge Ritter nun als Geiſt wiederkehrte?“ — „Never fear,“ rief die joviale Alte, „in meinen Jahren iſt man nicht mehr ſo furcht- ſam, und vor lebenden und todten jungen Rittern ſicher.“ Wir wanderten nun nach der herrlichen Capelle zum Gottesdienſt. Die Banner, Schwerdter und Coronets der Hoſenbandritter, ſtolz rund umherge- reiht, das trübe Licht der bunten Fenſter, das künſt- liche Schnitzwerk in Stein und Holz, die andächtige Menge, gaben ein ſchönes Bild, nur durch Einzeln- heiten entſtellt, wie z. B. das ridicüle Monument der Prinzeſſin Charlotte, wo die vier Nebenperſonen alle dem Beſchauer den Rücken kehren, ohne irgend etwas anders von ſich ſeben zu laſſen, wogegen aber die Prinzeſſin doppelt erſcheint, zugleich als Leiche daliegt und als Engel in die Höhe fliegt. Von dem Geſang und der Muſik umwogt, über- ließ ich mich, ſtill in eine Ecke gedrückt, meinen Phan- taſieen, und vergaß, im Reich der Töne tief verſun- ken, bald Alles um mich her. Ich dachte mich end- lich ſelbſt todt, und als Beſucher jener gothiſchen Kapelle, die wir, liebe Julie, bauen wollen, vor mei- nem eignen Grabe ſtehend. Auf einem weißen Mar- mor-Sarkophag, dem Chore gegenüber, in der Mitte der Kirche, lag vor mir eine in faltenreiche Gewän- der gehüllte Geſtalt, ein Lamm und einen Wolf zu

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/172>, abgerufen am 22.12.2024.