Schnabel schnattern zu hören glaubt. Ein vortreff- lich erhaltenes Bild Heinrich VIII. von Holbein ist der Erwähnung werth, sonst fiel mir eben nichts be- sonders auf. Der bekannte heilige Johannes von Domenechino befindet sich auch hier, angeblich als Original. Wenn ich nicht irre, ist das ächte jedoch in Deutschland. Der Park, in großen Massen steif gepflanzt, ist besonders reich an Thorwegen. Ich kam durch 7, sage Sieben, ehe ich das Schloß er- reichte. Ueber eine schmutzige Wasserlache, ohnfern dem Schloß, führt eine große Steinbrücke mit fünf oder sechs Bogen, über die Brücke jedoch kein Weg! Sie dient blos als Prospekt, und damit man dies recht genau gewahr werde, ist auch nicht ein Strauch daneben, oder davor gepflanzt. Es scheint, daß die ganze Anlage völlig so geblieben ist, als sie vor 120 Jahren gestiftet wurde, mit allen ihren Alleen, Quinconcen etc. Obelisken und Pyramiden sind wie Pilze darin aufgewachsen, denn jede Aussicht bietet dergleichen als harten Endpunkt. Die eine Pyra- mide ist indessen wenigstens nützlich, denn sie ist zu- gleich ein Gasthof.
Den 22sten.
Wenn die Leute in England so oft an Erkäl- tungen und Schwindsucht sterben, so liegt es noch mehr an ihren Gewohnheiten als an dem Clima. Spaziergänge auf dem nassen Rasen sind die belieb-
Briefe eines Verstorbenen. IV. 13
Schnabel ſchnattern zu hören glaubt. Ein vortreff- lich erhaltenes Bild Heinrich VIII. von Holbein iſt der Erwähnung werth, ſonſt fiel mir eben nichts be- ſonders auf. Der bekannte heilige Johannes von Domenechino befindet ſich auch hier, angeblich als Original. Wenn ich nicht irre, iſt das ächte jedoch in Deutſchland. Der Park, in großen Maſſen ſteif gepflanzt, iſt beſonders reich an Thorwegen. Ich kam durch 7, ſage Sieben, ehe ich das Schloß er- reichte. Ueber eine ſchmutzige Waſſerlache, ohnfern dem Schloß, führt eine große Steinbrücke mit fünf oder ſechs Bogen, über die Brücke jedoch kein Weg! Sie dient blos als Proſpekt, und damit man dies recht genau gewahr werde, iſt auch nicht ein Strauch daneben, oder davor gepflanzt. Es ſcheint, daß die ganze Anlage völlig ſo geblieben iſt, als ſie vor 120 Jahren geſtiftet wurde, mit allen ihren Alleen, Quinconcen ꝛc. Obelisken und Pyramiden ſind wie Pilze darin aufgewachſen, denn jede Ausſicht bietet dergleichen als harten Endpunkt. Die eine Pyra- mide iſt indeſſen wenigſtens nützlich, denn ſie iſt zu- gleich ein Gaſthof.
Den 22ſten.
Wenn die Leute in England ſo oft an Erkäl- tungen und Schwindſucht ſterben, ſo liegt es noch mehr an ihren Gewohnheiten als an dem Clima. Spaziergänge auf dem naſſen Raſen ſind die belieb-
Briefe eines Verſtorbenen. IV. 13
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0209"n="193"/>
Schnabel ſchnattern zu hören glaubt. Ein vortreff-<lb/>
lich erhaltenes Bild Heinrich <hirendition="#aq">VIII.</hi> von Holbein iſt<lb/>
der Erwähnung werth, ſonſt fiel mir eben nichts be-<lb/>ſonders auf. Der bekannte heilige Johannes von<lb/>
Domenechino befindet ſich auch hier, angeblich als<lb/>
Original. Wenn ich nicht irre, iſt das ächte jedoch<lb/>
in Deutſchland. Der Park, in großen Maſſen ſteif<lb/>
gepflanzt, iſt beſonders reich an Thorwegen. Ich<lb/>
kam durch 7, ſage Sieben, ehe ich das Schloß er-<lb/>
reichte. Ueber eine ſchmutzige Waſſerlache, ohnfern<lb/>
dem Schloß, führt eine große Steinbrücke mit fünf<lb/>
oder ſechs Bogen, über die Brücke jedoch kein Weg!<lb/>
Sie dient blos als Proſpekt, und damit man dies<lb/>
recht genau gewahr werde, iſt auch nicht ein Strauch<lb/>
daneben, oder davor gepflanzt. Es ſcheint, daß die<lb/>
ganze Anlage völlig ſo geblieben iſt, als ſie vor 120<lb/>
Jahren geſtiftet wurde, mit allen ihren Alleen,<lb/>
Quinconcen ꝛc. Obelisken und Pyramiden ſind wie<lb/>
Pilze darin aufgewachſen, denn jede Ausſicht bietet<lb/>
dergleichen als harten Endpunkt. Die eine Pyra-<lb/>
mide iſt indeſſen wenigſtens nützlich, denn ſie iſt zu-<lb/>
gleich ein Gaſthof.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 22ſten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Wenn die Leute in England ſo oft an Erkäl-<lb/>
tungen und Schwindſucht ſterben, ſo liegt es noch<lb/>
mehr an ihren Gewohnheiten als an dem Clima.<lb/>
Spaziergänge auf dem naſſen Raſen ſind die belieb-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Briefe eines Verſtorbenen. <hirendition="#aq">IV.</hi> 13</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[193/0209]
Schnabel ſchnattern zu hören glaubt. Ein vortreff-
lich erhaltenes Bild Heinrich VIII. von Holbein iſt
der Erwähnung werth, ſonſt fiel mir eben nichts be-
ſonders auf. Der bekannte heilige Johannes von
Domenechino befindet ſich auch hier, angeblich als
Original. Wenn ich nicht irre, iſt das ächte jedoch
in Deutſchland. Der Park, in großen Maſſen ſteif
gepflanzt, iſt beſonders reich an Thorwegen. Ich
kam durch 7, ſage Sieben, ehe ich das Schloß er-
reichte. Ueber eine ſchmutzige Waſſerlache, ohnfern
dem Schloß, führt eine große Steinbrücke mit fünf
oder ſechs Bogen, über die Brücke jedoch kein Weg!
Sie dient blos als Proſpekt, und damit man dies
recht genau gewahr werde, iſt auch nicht ein Strauch
daneben, oder davor gepflanzt. Es ſcheint, daß die
ganze Anlage völlig ſo geblieben iſt, als ſie vor 120
Jahren geſtiftet wurde, mit allen ihren Alleen,
Quinconcen ꝛc. Obelisken und Pyramiden ſind wie
Pilze darin aufgewachſen, denn jede Ausſicht bietet
dergleichen als harten Endpunkt. Die eine Pyra-
mide iſt indeſſen wenigſtens nützlich, denn ſie iſt zu-
gleich ein Gaſthof.
Den 22ſten.
Wenn die Leute in England ſo oft an Erkäl-
tungen und Schwindſucht ſterben, ſo liegt es noch
mehr an ihren Gewohnheiten als an dem Clima.
Spaziergänge auf dem naſſen Raſen ſind die belieb-
Briefe eines Verſtorbenen. IV. 13
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/209>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.