Ich habe in den letzten Tagen eine kleine Excur- sion nach Brighton gemacht, und einen Umweg bei der Rückkehr genommen. Das Schloß des Herzogs von Norfolk, Arundel-Castle, war einer der Gegen- stände meiner Neugier. Es hat einige Aehnlichkeit mit Warwick, bleibt jedoch weit hinter diesem zurück, obgleich es theilweise vielleicht eben so alt ist. Auch hier ist am östlichen Ende ein künstlicher Berg und Keep. Auf dem runden verfallenen Thurme soll man von dessen Gipfel eine herrliche Aussicht genießen. Der Nebel verhinderte sie heute, und ich konnte nicht einmal die das Schloß umschließenden Terrassengär- ten übersehen. Ich unterhielt mich dafür in nächster Nähe mit einem Dutzend zahmer Puhus (der größ- ten Eulenart) welche des ehemaligen Thurmwärters Stube bewohnen. Einer davon war schon 50 Jahre hier, sehr zuthulich, und bellte, wenn er etwas ver- langte, vollkommen wie ein Hund. Die Engländer sind große Freunde von Thieren, eine Neigung, die ich mit ihnen theile. So findet man in den meisten großen Parks eine Unzahl von Raben, die in Schwär- men von Tausenden oft das Schloß umkreisen, und zu so einer alterthümlichen Burg und den sie umge- benden Riesenbäumen nicht übel passen, obgleich ihr Gekrächze keine angenehme Musik gewährt. Das In- nere des Schlosses hat nichts Ausgezeichnetes. Die vielen bunten Fenster sind alle modern, und unter den Familiengemälden schien mir blos das des Lords Surrey, seines seltsamen Costüms wegen, merkwürdig. Er wurde unter Heinrich VIII. hingerichtet.
Ich habe in den letzten Tagen eine kleine Excur- ſion nach Brighton gemacht, und einen Umweg bei der Rückkehr genommen. Das Schloß des Herzogs von Norfolk, Arundel-Caſtle, war einer der Gegen- ſtände meiner Neugier. Es hat einige Aehnlichkeit mit Warwick, bleibt jedoch weit hinter dieſem zurück, obgleich es theilweiſe vielleicht eben ſo alt iſt. Auch hier iſt am öſtlichen Ende ein künſtlicher Berg und Keep. Auf dem runden verfallenen Thurme ſoll man von deſſen Gipfel eine herrliche Ausſicht genießen. Der Nebel verhinderte ſie heute, und ich konnte nicht einmal die das Schloß umſchließenden Terraſſengär- ten überſehen. Ich unterhielt mich dafür in nächſter Nähe mit einem Dutzend zahmer Puhus (der größ- ten Eulenart) welche des ehemaligen Thurmwärters Stube bewohnen. Einer davon war ſchon 50 Jahre hier, ſehr zuthulich, und bellte, wenn er etwas ver- langte, vollkommen wie ein Hund. Die Engländer ſind große Freunde von Thieren, eine Neigung, die ich mit ihnen theile. So findet man in den meiſten großen Parks eine Unzahl von Raben, die in Schwär- men von Tauſenden oft das Schloß umkreiſen, und zu ſo einer alterthümlichen Burg und den ſie umge- benden Rieſenbäumen nicht übel paſſen, obgleich ihr Gekrächze keine angenehme Muſik gewährt. Das In- nere des Schloſſes hat nichts Ausgezeichnetes. Die vielen bunten Fenſter ſind alle modern, und unter den Familiengemälden ſchien mir blos das des Lords Surrey, ſeines ſeltſamen Coſtüms wegen, merkwürdig. Er wurde unter Heinrich VIII. hingerichtet.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0253"n="237"/><p>Ich habe in den letzten Tagen eine kleine Excur-<lb/>ſion nach Brighton gemacht, und einen Umweg bei<lb/>
der Rückkehr genommen. Das Schloß des Herzogs<lb/>
von Norfolk, Arundel-Caſtle, war einer der Gegen-<lb/>ſtände meiner Neugier. Es hat einige Aehnlichkeit<lb/>
mit Warwick, bleibt jedoch weit hinter dieſem zurück,<lb/>
obgleich es theilweiſe vielleicht eben ſo alt iſt. Auch<lb/>
hier iſt am öſtlichen Ende ein künſtlicher Berg und<lb/>
Keep. Auf dem runden verfallenen Thurme ſoll man<lb/>
von deſſen Gipfel eine herrliche Ausſicht genießen.<lb/>
Der Nebel verhinderte ſie heute, und ich konnte nicht<lb/>
einmal die das Schloß umſchließenden Terraſſengär-<lb/>
ten überſehen. Ich unterhielt mich dafür in nächſter<lb/>
Nähe mit einem Dutzend zahmer Puhus (der größ-<lb/>
ten Eulenart) welche des ehemaligen Thurmwärters<lb/>
Stube bewohnen. Einer davon war ſchon 50 Jahre<lb/>
hier, ſehr zuthulich, und bellte, wenn er etwas ver-<lb/>
langte, vollkommen wie ein Hund. Die Engländer<lb/>ſind große Freunde von Thieren, eine Neigung, die<lb/>
ich mit ihnen theile. So findet man in den meiſten<lb/>
großen Parks eine Unzahl von Raben, die in Schwär-<lb/>
men von Tauſenden oft das Schloß umkreiſen, und<lb/>
zu ſo einer alterthümlichen Burg und den ſie umge-<lb/>
benden Rieſenbäumen nicht übel paſſen, obgleich ihr<lb/>
Gekrächze keine angenehme Muſik gewährt. Das In-<lb/>
nere des Schloſſes hat nichts Ausgezeichnetes. Die<lb/>
vielen bunten Fenſter ſind alle modern, und unter<lb/>
den Familiengemälden ſchien mir blos das des Lords<lb/>
Surrey, ſeines ſeltſamen Coſtüms wegen, merkwürdig.<lb/>
Er wurde unter Heinrich <hirendition="#aq">VIII.</hi> hingerichtet.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[237/0253]
Ich habe in den letzten Tagen eine kleine Excur-
ſion nach Brighton gemacht, und einen Umweg bei
der Rückkehr genommen. Das Schloß des Herzogs
von Norfolk, Arundel-Caſtle, war einer der Gegen-
ſtände meiner Neugier. Es hat einige Aehnlichkeit
mit Warwick, bleibt jedoch weit hinter dieſem zurück,
obgleich es theilweiſe vielleicht eben ſo alt iſt. Auch
hier iſt am öſtlichen Ende ein künſtlicher Berg und
Keep. Auf dem runden verfallenen Thurme ſoll man
von deſſen Gipfel eine herrliche Ausſicht genießen.
Der Nebel verhinderte ſie heute, und ich konnte nicht
einmal die das Schloß umſchließenden Terraſſengär-
ten überſehen. Ich unterhielt mich dafür in nächſter
Nähe mit einem Dutzend zahmer Puhus (der größ-
ten Eulenart) welche des ehemaligen Thurmwärters
Stube bewohnen. Einer davon war ſchon 50 Jahre
hier, ſehr zuthulich, und bellte, wenn er etwas ver-
langte, vollkommen wie ein Hund. Die Engländer
ſind große Freunde von Thieren, eine Neigung, die
ich mit ihnen theile. So findet man in den meiſten
großen Parks eine Unzahl von Raben, die in Schwär-
men von Tauſenden oft das Schloß umkreiſen, und
zu ſo einer alterthümlichen Burg und den ſie umge-
benden Rieſenbäumen nicht übel paſſen, obgleich ihr
Gekrächze keine angenehme Muſik gewährt. Das In-
nere des Schloſſes hat nichts Ausgezeichnetes. Die
vielen bunten Fenſter ſind alle modern, und unter
den Familiengemälden ſchien mir blos das des Lords
Surrey, ſeines ſeltſamen Coſtüms wegen, merkwürdig.
Er wurde unter Heinrich VIII. hingerichtet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/253>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.