gängig großen Schauspielern aufgeführt zu sehen, wo keine Rolle zur Nebenrolle würde! Dieß wäre aber freilich nur von Geistern zu leisten, wie in Hof- manns gespenstischer Aufführung des Don Juan.
Du wirst vielleicht Manches in diesen Ansichten barok finden, aber bedenke, daß große Dichter wie die Natur selbst wirken. Jeden sprechen sie in dem Gewande seines eignen Gemüths an, und vertragen daher auch viele Auslegungen. Sie sind so reich, daß sie tausend Armen ihre Gaben geben, und den- noch Jedem eine andere reichen können.
Viele Theateranordnungen waren gleichfalls sehr zu loben. So sind z. B. die beiden Mörder, welche der König zum Morde Banquo's gedungen, nicht, wie auf unsern Theatern, zerlumpte Banditen, in deren Gesellschaft sich der König in seinem Prachtornate und der Nähe seiner Großen lächerlich ausnimmt, und die er nie in solchem Aufzuge in seinem Palast sehen könnte, sondern von anständigem Aeußern und Benehmen, Bösewichter, aber keine Lumpen.
Die altschottische Tracht ist durchgängig sehr schön, und auch der Zeit nach wahrscheinlich richtiger, gewiß aber malerischer als ich sie auf den deutschen Thea- tern gesehen. Die Erscheinung Banquo's, so wie das ganze Arrangement der Tafel, war ebenfalls unend- lich besser. Der Regisseur in Berlin macht hiebei eine lächerliche Bevüe. Wenn der König die Mörder über Banquo's Tod befragt, antwortet der eine: Depend upon, he has had his throat cut. (Seyd versichert, wir haben ihm die Kehle abgeschnitten); dies ist eine eng-
gängig großen Schauſpielern aufgeführt zu ſehen, wo keine Rolle zur Nebenrolle würde! Dieß wäre aber freilich nur von Geiſtern zu leiſten, wie in Hof- manns geſpenſtiſcher Aufführung des Don Juan.
Du wirſt vielleicht Manches in dieſen Anſichten barok finden, aber bedenke, daß große Dichter wie die Natur ſelbſt wirken. Jeden ſprechen ſie in dem Gewande ſeines eignen Gemüths an, und vertragen daher auch viele Auslegungen. Sie ſind ſo reich, daß ſie tauſend Armen ihre Gaben geben, und den- noch Jedem eine andere reichen können.
Viele Theateranordnungen waren gleichfalls ſehr zu loben. So ſind z. B. die beiden Mörder, welche der König zum Morde Banquo’s gedungen, nicht, wie auf unſern Theatern, zerlumpte Banditen, in deren Geſellſchaft ſich der König in ſeinem Prachtornate und der Nähe ſeiner Großen lächerlich ausnimmt, und die er nie in ſolchem Aufzuge in ſeinem Palaſt ſehen könnte, ſondern von anſtändigem Aeußern und Benehmen, Böſewichter, aber keine Lumpen.
Die altſchottiſche Tracht iſt durchgängig ſehr ſchön, und auch der Zeit nach wahrſcheinlich richtiger, gewiß aber maleriſcher als ich ſie auf den deutſchen Thea- tern geſehen. Die Erſcheinung Banquo’s, ſo wie das ganze Arrangement der Tafel, war ebenfalls unend- lich beſſer. Der Regiſſeur in Berlin macht hiebei eine lächerliche Bevüe. Wenn der König die Mörder über Banquo’s Tod befragt, antwortet der eine: Depend upon, he has had his throat cut. (Seyd verſichert, wir haben ihm die Kehle abgeſchnitten); dies iſt eine eng-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0277"n="261"/>
gängig großen Schauſpielern aufgeführt zu ſehen, wo<lb/>
keine Rolle zur Nebenrolle würde! Dieß wäre aber<lb/>
freilich nur von <hirendition="#g">Geiſtern</hi> zu leiſten, wie in Hof-<lb/>
manns geſpenſtiſcher Aufführung des Don Juan.</p><lb/><p>Du wirſt vielleicht Manches in dieſen Anſichten<lb/>
barok finden, aber bedenke, daß große Dichter wie<lb/>
die Natur ſelbſt wirken. Jeden ſprechen ſie in dem<lb/>
Gewande ſeines eignen Gemüths an, und vertragen<lb/>
daher auch viele Auslegungen. Sie ſind ſo reich,<lb/>
daß ſie tauſend Armen ihre Gaben geben, und den-<lb/>
noch Jedem eine andere reichen können.</p><lb/><p>Viele Theateranordnungen waren gleichfalls ſehr<lb/>
zu loben. So ſind z. B. die beiden Mörder, welche<lb/>
der König zum Morde Banquo’s gedungen, nicht, wie<lb/>
auf unſern Theatern, zerlumpte Banditen, in deren<lb/>
Geſellſchaft ſich der König in ſeinem Prachtornate<lb/>
und der Nähe ſeiner Großen lächerlich ausnimmt,<lb/>
und die er nie in ſolchem Aufzuge in ſeinem Palaſt<lb/>ſehen könnte, ſondern von anſtändigem Aeußern und<lb/>
Benehmen, Böſewichter, aber keine Lumpen.</p><lb/><p>Die altſchottiſche Tracht iſt durchgängig ſehr ſchön,<lb/>
und auch der Zeit nach wahrſcheinlich richtiger, gewiß<lb/>
aber maleriſcher als ich ſie auf den deutſchen Thea-<lb/>
tern geſehen. Die Erſcheinung Banquo’s, ſo wie das<lb/>
ganze Arrangement der Tafel, war ebenfalls unend-<lb/>
lich beſſer. Der Regiſſeur in Berlin macht hiebei eine<lb/>
lächerliche Bevüe. Wenn der König die Mörder über<lb/>
Banquo’s Tod befragt, antwortet der eine: <hirendition="#aq">Depend<lb/>
upon, he has had his throat cut.</hi> (Seyd verſichert, wir<lb/>
haben ihm die Kehle abgeſchnitten); dies iſt eine eng-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[261/0277]
gängig großen Schauſpielern aufgeführt zu ſehen, wo
keine Rolle zur Nebenrolle würde! Dieß wäre aber
freilich nur von Geiſtern zu leiſten, wie in Hof-
manns geſpenſtiſcher Aufführung des Don Juan.
Du wirſt vielleicht Manches in dieſen Anſichten
barok finden, aber bedenke, daß große Dichter wie
die Natur ſelbſt wirken. Jeden ſprechen ſie in dem
Gewande ſeines eignen Gemüths an, und vertragen
daher auch viele Auslegungen. Sie ſind ſo reich,
daß ſie tauſend Armen ihre Gaben geben, und den-
noch Jedem eine andere reichen können.
Viele Theateranordnungen waren gleichfalls ſehr
zu loben. So ſind z. B. die beiden Mörder, welche
der König zum Morde Banquo’s gedungen, nicht, wie
auf unſern Theatern, zerlumpte Banditen, in deren
Geſellſchaft ſich der König in ſeinem Prachtornate
und der Nähe ſeiner Großen lächerlich ausnimmt,
und die er nie in ſolchem Aufzuge in ſeinem Palaſt
ſehen könnte, ſondern von anſtändigem Aeußern und
Benehmen, Böſewichter, aber keine Lumpen.
Die altſchottiſche Tracht iſt durchgängig ſehr ſchön,
und auch der Zeit nach wahrſcheinlich richtiger, gewiß
aber maleriſcher als ich ſie auf den deutſchen Thea-
tern geſehen. Die Erſcheinung Banquo’s, ſo wie das
ganze Arrangement der Tafel, war ebenfalls unend-
lich beſſer. Der Regiſſeur in Berlin macht hiebei eine
lächerliche Bevüe. Wenn der König die Mörder über
Banquo’s Tod befragt, antwortet der eine: Depend
upon, he has had his throat cut. (Seyd verſichert, wir
haben ihm die Kehle abgeſchnitten); dies iſt eine eng-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/277>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.