tete, wenn gleich der Mohr solcher alles hingebenden Liebe schrecklich lohnt.
Ehe ich zur Vorstellung selbst übergehe, laß mich ein paar allgemeine Bemerkungen vorausschicken.
Man streitet fortwährend bei uns, ob man Shakspeare in wörtlicher, oder freier Uebersetz- ung, oder gar freier Umarbeitung geben solle. Ich würde mich für das zweite, nämlich die freie Uebersetzung, entscheiden, vorausgesetzt, daß die Frei- heit dieser sich nur darauf beschränkte, im Geiste deutscher Sprache mit völliger Ungezwungenheit sich zu bewegen, wenn auch dadurch hie und da ein Wort- oder Witzspiel auffallen müßte. Am Gange des Stücks aber bedeutend zu ändern, Scenen ganz wegzulassen, Shakspeare ganz fremde Worte und Ideen zu leihen, kann ihn nur verstümmeln, selbst wenn der größte Dichter es unternähme. Man sagt, Shakespeare wäre besser zu lesen als zu sehen, und könne besonders in wörtlichen Uebersetzungen nicht aufgeführt werden, ohne uns dadurch wieder in die Kindheit der dramatischen Kunst zu versetzen, wobei man zugleich behauptet, daß die theatralischen Vor- stellungen zu Shakspeare's Zeit nur dialogisirten Mährchen im Costume geglichen hätten. Ich will die Genauigkeit dieser Angabe dahin gestellt seyn lassen, aber so viel weiß ich, daß die Aufführung von Ro- meo und Julie, Macbeth, Hamlet, Othello, auf dem heutigen englischen Theater, welche Stücke alle doch nur mit geringen Auslassungen gegeben werden, und
tete, wenn gleich der Mohr ſolcher alles hingebenden Liebe ſchrecklich lohnt.
Ehe ich zur Vorſtellung ſelbſt übergehe, laß mich ein paar allgemeine Bemerkungen vorausſchicken.
Man ſtreitet fortwährend bei uns, ob man Shakspeare in wörtlicher, oder freier Ueberſetz- ung, oder gar freier Umarbeitung geben ſolle. Ich würde mich für das zweite, nämlich die freie Ueberſetzung, entſcheiden, vorausgeſetzt, daß die Frei- heit dieſer ſich nur darauf beſchränkte, im Geiſte deutſcher Sprache mit völliger Ungezwungenheit ſich zu bewegen, wenn auch dadurch hie und da ein Wort- oder Witzſpiel auffallen müßte. Am Gange des Stücks aber bedeutend zu ändern, Scenen ganz wegzulaſſen, Shakspeare ganz fremde Worte und Ideen zu leihen, kann ihn nur verſtümmeln, ſelbſt wenn der größte Dichter es unternähme. Man ſagt, Shakespeare wäre beſſer zu leſen als zu ſehen, und könne beſonders in wörtlichen Ueberſetzungen nicht aufgeführt werden, ohne uns dadurch wieder in die Kindheit der dramatiſchen Kunſt zu verſetzen, wobei man zugleich behauptet, daß die theatraliſchen Vor- ſtellungen zu Shakspeare’s Zeit nur dialogiſirten Mährchen im Coſtume geglichen hätten. Ich will die Genauigkeit dieſer Angabe dahin geſtellt ſeyn laſſen, aber ſo viel weiß ich, daß die Aufführung von Ro- meo und Julie, Macbeth, Hamlet, Othello, auf dem heutigen engliſchen Theater, welche Stücke alle doch nur mit geringen Auslaſſungen gegeben werden, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0354"n="336"/>
tete, wenn gleich der Mohr ſolcher alles hingebenden<lb/>
Liebe ſchrecklich lohnt.</p><lb/><p>Ehe ich zur Vorſtellung ſelbſt übergehe, laß mich<lb/>
ein paar allgemeine Bemerkungen vorausſchicken.</p><lb/><p>Man ſtreitet fortwährend bei uns, ob man<lb/>
Shakspeare in wörtlicher, oder freier Ueberſetz-<lb/>
ung, oder gar freier <hirendition="#g">Umarbeitung</hi> geben ſolle.<lb/>
Ich würde mich für das zweite, nämlich die freie<lb/>
Ueberſetzung, entſcheiden, vorausgeſetzt, daß die Frei-<lb/>
heit dieſer ſich nur <hirendition="#g">darauf</hi> beſchränkte, im Geiſte<lb/>
deutſcher Sprache mit völliger Ungezwungenheit ſich<lb/>
zu bewegen, wenn auch dadurch hie und da ein<lb/>
Wort- oder Witzſpiel auffallen müßte. Am Gange<lb/>
des Stücks aber bedeutend zu ändern, Scenen ganz<lb/>
wegzulaſſen, Shakspeare ganz fremde Worte und<lb/>
Ideen zu leihen, kann ihn nur verſtümmeln, ſelbſt<lb/>
wenn der größte Dichter es unternähme. Man ſagt,<lb/>
Shakespeare wäre beſſer zu leſen als zu ſehen, und<lb/>
könne beſonders in wörtlichen Ueberſetzungen nicht<lb/>
aufgeführt werden, ohne uns dadurch wieder in die<lb/>
Kindheit der dramatiſchen Kunſt zu verſetzen, wobei<lb/>
man zugleich behauptet, daß die theatraliſchen Vor-<lb/>ſtellungen zu Shakspeare’s Zeit nur dialogiſirten<lb/>
Mährchen im Coſtume geglichen hätten. Ich will die<lb/>
Genauigkeit dieſer Angabe dahin geſtellt ſeyn laſſen,<lb/>
aber ſo viel weiß ich, daß die Aufführung von Ro-<lb/>
meo und Julie, Macbeth, Hamlet, Othello, auf dem<lb/>
heutigen engliſchen Theater, welche Stücke alle doch<lb/>
nur mit geringen Auslaſſungen gegeben werden, und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[336/0354]
tete, wenn gleich der Mohr ſolcher alles hingebenden
Liebe ſchrecklich lohnt.
Ehe ich zur Vorſtellung ſelbſt übergehe, laß mich
ein paar allgemeine Bemerkungen vorausſchicken.
Man ſtreitet fortwährend bei uns, ob man
Shakspeare in wörtlicher, oder freier Ueberſetz-
ung, oder gar freier Umarbeitung geben ſolle.
Ich würde mich für das zweite, nämlich die freie
Ueberſetzung, entſcheiden, vorausgeſetzt, daß die Frei-
heit dieſer ſich nur darauf beſchränkte, im Geiſte
deutſcher Sprache mit völliger Ungezwungenheit ſich
zu bewegen, wenn auch dadurch hie und da ein
Wort- oder Witzſpiel auffallen müßte. Am Gange
des Stücks aber bedeutend zu ändern, Scenen ganz
wegzulaſſen, Shakspeare ganz fremde Worte und
Ideen zu leihen, kann ihn nur verſtümmeln, ſelbſt
wenn der größte Dichter es unternähme. Man ſagt,
Shakespeare wäre beſſer zu leſen als zu ſehen, und
könne beſonders in wörtlichen Ueberſetzungen nicht
aufgeführt werden, ohne uns dadurch wieder in die
Kindheit der dramatiſchen Kunſt zu verſetzen, wobei
man zugleich behauptet, daß die theatraliſchen Vor-
ſtellungen zu Shakspeare’s Zeit nur dialogiſirten
Mährchen im Coſtume geglichen hätten. Ich will die
Genauigkeit dieſer Angabe dahin geſtellt ſeyn laſſen,
aber ſo viel weiß ich, daß die Aufführung von Ro-
meo und Julie, Macbeth, Hamlet, Othello, auf dem
heutigen engliſchen Theater, welche Stücke alle doch
nur mit geringen Auslaſſungen gegeben werden, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/354>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.