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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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leuchtenden Erklärung seiner eignen Schandthaten
findet. Nur schwach ist er noch an die Menschlich-
keit geknüpft, durch das Gefühl der Rache, die er
an dem Mohren dafür nehmen will, daß Jener, wie
er glaubt "den eignen Dienst zwischen seinen Bett-
Tüchern versehen." Demohngeachtet erscheint dies
fast nur wie ein Vorwand, den er sich selbst, mit
dem letzten Hauch eines moralischen Gefühls, zur
Entschuldigung aufstellt, und seine ächte Freude an
Unglück und Jammer immer das Haupt-Motiv.
Dennoch wird dieses Ungeheuer nie ganz widrig.
Seine geistige Ueberlegenheit, sein Muth, seine Con-
sequenz, und zuletzt seine Standhaftigkeit im Unglück,
lassen den vollendetesten Bösewicht doch nie in ganz
gemeine Niedrigkeit versinken. Jago bleibt immer
noch ein Held gegen einen Kotzebueschen Tugendhaf-
ten. In diesem Sinne spielt Young den Charakter
durchaus, sein Anstand ist finster und mürrisch, aber
edel; kein Lächeln kömmt über seine Lippen, und
seine Scherze verlieren deshalb doch nichts durch ihre
Trockenheit. Alle behandelt er, seiner Macht gewiß,
mit Ruhe und Ueberlegenheit, jedoch mit wohl mar-
kirter Nüance. Für seine Frau ist er roh und gebie-
terisch, gegen Roderigo autoritativ und launig, mit
Cassio achtungsvoll und freundschaftlich, dem Mohren
gegenüber ehrfurchtsvoll und treuherzig, jedoch überall
ernst und würdevoll. Kemble spielt in seiner Art den
Cassio fast eben so vortrefflich, und wie ihn Shakes-
peare schildert "ein Mann, gemacht den Weibern das
Herz zu stehlen." Jung, heiter, leichtsinnig, von

leuchtenden Erklärung ſeiner eignen Schandthaten
findet. Nur ſchwach iſt er noch an die Menſchlich-
keit geknüpft, durch das Gefühl der Rache, die er
an dem Mohren dafür nehmen will, daß Jener, wie
er glaubt „den eignen Dienſt zwiſchen ſeinen Bett-
Tüchern verſehen.“ Demohngeachtet erſcheint dies
faſt nur wie ein Vorwand, den er ſich ſelbſt, mit
dem letzten Hauch eines moraliſchen Gefühls, zur
Entſchuldigung aufſtellt, und ſeine ächte Freude an
Unglück und Jammer immer das Haupt-Motiv.
Dennoch wird dieſes Ungeheuer nie ganz widrig.
Seine geiſtige Ueberlegenheit, ſein Muth, ſeine Con-
ſequenz, und zuletzt ſeine Standhaftigkeit im Unglück,
laſſen den vollendeteſten Böſewicht doch nie in ganz
gemeine Niedrigkeit verſinken. Jago bleibt immer
noch ein Held gegen einen Kotzebueſchen Tugendhaf-
ten. In dieſem Sinne ſpielt Young den Charakter
durchaus, ſein Anſtand iſt finſter und mürriſch, aber
edel; kein Lächeln kömmt über ſeine Lippen, und
ſeine Scherze verlieren deshalb doch nichts durch ihre
Trockenheit. Alle behandelt er, ſeiner Macht gewiß,
mit Ruhe und Ueberlegenheit, jedoch mit wohl mar-
kirter Nüance. Für ſeine Frau iſt er roh und gebie-
teriſch, gegen Roderigo autoritativ und launig, mit
Caſſio achtungsvoll und freundſchaftlich, dem Mohren
gegenüber ehrfurchtsvoll und treuherzig, jedoch überall
ernſt und würdevoll. Kemble ſpielt in ſeiner Art den
Caſſio faſt eben ſo vortrefflich, und wie ihn Shakes-
peare ſchildert „ein Mann, gemacht den Weibern das
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[342/0360] leuchtenden Erklärung ſeiner eignen Schandthaten findet. Nur ſchwach iſt er noch an die Menſchlich- keit geknüpft, durch das Gefühl der Rache, die er an dem Mohren dafür nehmen will, daß Jener, wie er glaubt „den eignen Dienſt zwiſchen ſeinen Bett- Tüchern verſehen.“ Demohngeachtet erſcheint dies faſt nur wie ein Vorwand, den er ſich ſelbſt, mit dem letzten Hauch eines moraliſchen Gefühls, zur Entſchuldigung aufſtellt, und ſeine ächte Freude an Unglück und Jammer immer das Haupt-Motiv. Dennoch wird dieſes Ungeheuer nie ganz widrig. Seine geiſtige Ueberlegenheit, ſein Muth, ſeine Con- ſequenz, und zuletzt ſeine Standhaftigkeit im Unglück, laſſen den vollendeteſten Böſewicht doch nie in ganz gemeine Niedrigkeit verſinken. Jago bleibt immer noch ein Held gegen einen Kotzebueſchen Tugendhaf- ten. In dieſem Sinne ſpielt Young den Charakter durchaus, ſein Anſtand iſt finſter und mürriſch, aber edel; kein Lächeln kömmt über ſeine Lippen, und ſeine Scherze verlieren deshalb doch nichts durch ihre Trockenheit. Alle behandelt er, ſeiner Macht gewiß, mit Ruhe und Ueberlegenheit, jedoch mit wohl mar- kirter Nüance. Für ſeine Frau iſt er roh und gebie- teriſch, gegen Roderigo autoritativ und launig, mit Caſſio achtungsvoll und freundſchaftlich, dem Mohren gegenüber ehrfurchtsvoll und treuherzig, jedoch überall ernſt und würdevoll. Kemble ſpielt in ſeiner Art den Caſſio faſt eben ſo vortrefflich, und wie ihn Shakes- peare ſchildert „ein Mann, gemacht den Weibern das Herz zu ſtehlen.“ Jung, heiter, leichtſinnig, von

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/360>, abgerufen am 23.12.2024.