Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Nebenästen, welche durch die Füße gebildet werden,
kaum zu unterscheiden. Nur der an der Spitze ver-
borgne Kopf mit Fühlhörnern verräth ihn als ein
organisches Wesen.

Ich aß bei Lady F... zu Mittag, wo sich ein eig-
ner Fall zutrug. Ihr Mann war früher Gouverneur
auf Isle de France, und sie hatte dort von einer
Negerin das angebliche Wahrsagebuch der Kaiserin
Josephine gekauft, welches diese vor ihrer Einschif-
fung nach Frankreich besessen, und daraus ihre künf-
tige Größe und Fall gelesen haben soll. Lady F ...
producirte es beim Thee, und lud die Gesellschaft ein,
nach dem vorgeschriebnen Modus Fragen an das
Schicksal zu stellen. Nun höre die Antworten, welche
es gab, und die in der That merkwürdig sind. Frau
von Rothschild war die Erste, welche frug, ob ihre
Wünsche erfüllt werden würden? Sie erhielt die
Antwort: Ermüde das Schicksal nicht mit Wün-
schen, wer so viel erlangt hat, muß zufrieden seyn. --
Hierauf frug Herr Spring Rice, ein berühmter Par-
lamentsredner und einer der eifrigsten Verfechter der
Emancipation der Catholiken (eine Sache, die hier
für alle Welt jetzt vom größten Interesse, für oder
wider, ist), ob morgen, wo die Frage im Oberhaus
für diesmal entscheiden wird, sie durchgehen würde?
Nun muß ich hier einschalten, daß es schon bekannt
ist, daß sie nicht durchgehen wird, man aber zu-
gleich allgemein glaubt, daß sie beim nächsten Par-
lament den gewünschten Erfolg haben müsse. Grade
so nun lautete die lakonische Antwort des Buchs,

24*

Nebenäſten, welche durch die Füße gebildet werden,
kaum zu unterſcheiden. Nur der an der Spitze ver-
borgne Kopf mit Fühlhörnern verräth ihn als ein
organiſches Weſen.

Ich aß bei Lady F… zu Mittag, wo ſich ein eig-
ner Fall zutrug. Ihr Mann war früher Gouverneur
auf Isle de France, und ſie hatte dort von einer
Negerin das angebliche Wahrſagebuch der Kaiſerin
Joſephine gekauft, welches dieſe vor ihrer Einſchif-
fung nach Frankreich beſeſſen, und daraus ihre künf-
tige Größe und Fall geleſen haben ſoll. Lady F …
producirte es beim Thee, und lud die Geſellſchaft ein,
nach dem vorgeſchriebnen Modus Fragen an das
Schickſal zu ſtellen. Nun höre die Antworten, welche
es gab, und die in der That merkwürdig ſind. Frau
von Rothſchild war die Erſte, welche frug, ob ihre
Wünſche erfüllt werden würden? Sie erhielt die
Antwort: Ermüde das Schickſal nicht mit Wün-
ſchen, wer ſo viel erlangt hat, muß zufrieden ſeyn. —
Hierauf frug Herr Spring Rice, ein berühmter Par-
lamentsredner und einer der eifrigſten Verfechter der
Emancipation der Catholiken (eine Sache, die hier
für alle Welt jetzt vom größten Intereſſe, für oder
wider, iſt), ob morgen, wo die Frage im Oberhaus
für diesmal entſcheiden wird, ſie durchgehen würde?
Nun muß ich hier einſchalten, daß es ſchon bekannt
iſt, daß ſie nicht durchgehen wird, man aber zu-
gleich allgemein glaubt, daß ſie beim nächſten Par-
lament den gewünſchten Erfolg haben müſſe. Grade
ſo nun lautete die lakoniſche Antwort des Buchs,

24*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0391" n="371"/>
Nebenä&#x017F;ten, welche durch die Füße gebildet werden,<lb/>
kaum zu unter&#x017F;cheiden. Nur der an der Spitze ver-<lb/>
borgne Kopf mit Fühlhörnern verräth ihn als ein<lb/>
organi&#x017F;ches We&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Ich aß bei Lady F&#x2026; zu Mittag, wo &#x017F;ich ein eig-<lb/>
ner Fall zutrug. Ihr Mann war früher Gouverneur<lb/>
auf Isle de France, und &#x017F;ie hatte dort von einer<lb/>
Negerin das angebliche Wahr&#x017F;agebuch der Kai&#x017F;erin<lb/>
Jo&#x017F;ephine gekauft, welches die&#x017F;e vor ihrer Ein&#x017F;chif-<lb/>
fung nach Frankreich be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, und daraus ihre künf-<lb/>
tige Größe und Fall gele&#x017F;en haben &#x017F;oll. Lady F &#x2026;<lb/>
producirte es beim Thee, und lud die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ein,<lb/>
nach dem vorge&#x017F;chriebnen Modus Fragen an das<lb/>
Schick&#x017F;al zu &#x017F;tellen. Nun höre die Antworten, welche<lb/>
es gab, und die in der That merkwürdig &#x017F;ind. Frau<lb/>
von Roth&#x017F;child war die Er&#x017F;te, welche frug, ob ihre<lb/>
Wün&#x017F;che erfüllt werden würden? Sie erhielt die<lb/>
Antwort: Ermüde das Schick&#x017F;al nicht mit Wün-<lb/>
&#x017F;chen, wer &#x017F;o viel erlangt hat, muß zufrieden &#x017F;eyn. &#x2014;<lb/>
Hierauf frug Herr Spring Rice, ein berühmter Par-<lb/>
lamentsredner und einer der eifrig&#x017F;ten Verfechter der<lb/>
Emancipation der Catholiken (eine Sache, die hier<lb/>
für alle Welt jetzt vom größten Intere&#x017F;&#x017F;e, für oder<lb/>
wider, i&#x017F;t), ob morgen, wo die Frage im Oberhaus<lb/>
für diesmal ent&#x017F;cheiden wird, &#x017F;ie durchgehen würde?<lb/>
Nun muß ich hier ein&#x017F;chalten, daß es &#x017F;chon bekannt<lb/>
i&#x017F;t, daß &#x017F;ie <hi rendition="#g">nicht</hi> durchgehen wird, man aber zu-<lb/>
gleich allgemein glaubt, daß &#x017F;ie beim näch&#x017F;ten Par-<lb/>
lament den gewün&#x017F;chten Erfolg haben <hi rendition="#g">&#x017F;&#x017F;e</hi>. Grade<lb/>
&#x017F;o nun lautete die lakoni&#x017F;che Antwort des Buchs,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">24*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0391] Nebenäſten, welche durch die Füße gebildet werden, kaum zu unterſcheiden. Nur der an der Spitze ver- borgne Kopf mit Fühlhörnern verräth ihn als ein organiſches Weſen. Ich aß bei Lady F… zu Mittag, wo ſich ein eig- ner Fall zutrug. Ihr Mann war früher Gouverneur auf Isle de France, und ſie hatte dort von einer Negerin das angebliche Wahrſagebuch der Kaiſerin Joſephine gekauft, welches dieſe vor ihrer Einſchif- fung nach Frankreich beſeſſen, und daraus ihre künf- tige Größe und Fall geleſen haben ſoll. Lady F … producirte es beim Thee, und lud die Geſellſchaft ein, nach dem vorgeſchriebnen Modus Fragen an das Schickſal zu ſtellen. Nun höre die Antworten, welche es gab, und die in der That merkwürdig ſind. Frau von Rothſchild war die Erſte, welche frug, ob ihre Wünſche erfüllt werden würden? Sie erhielt die Antwort: Ermüde das Schickſal nicht mit Wün- ſchen, wer ſo viel erlangt hat, muß zufrieden ſeyn. — Hierauf frug Herr Spring Rice, ein berühmter Par- lamentsredner und einer der eifrigſten Verfechter der Emancipation der Catholiken (eine Sache, die hier für alle Welt jetzt vom größten Intereſſe, für oder wider, iſt), ob morgen, wo die Frage im Oberhaus für diesmal entſcheiden wird, ſie durchgehen würde? Nun muß ich hier einſchalten, daß es ſchon bekannt iſt, daß ſie nicht durchgehen wird, man aber zu- gleich allgemein glaubt, daß ſie beim nächſten Par- lament den gewünſchten Erfolg haben müſſe. Grade ſo nun lautete die lakoniſche Antwort des Buchs, 24*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/391
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/391>, abgerufen am 23.12.2024.