Herzlich mußte ich diesen Morgen über einen jun- gen Lord lachen, dem der Aufenthalt in Paris noch nicht viel genützt hat, und dessen schönes Pferd mehr als er selbst die Blicke im Park auf sich zog. Quel beau cheval vous avez la, sagte ich. Ja, erwiederte er mit seinem englischen Accent: C'est une belle bete, je l'ai fait moi meme, et pour cela je lui suis beaucoup attache. Er wollte ohne Zweifel sa- gen, daß er es selbst bei sich aufgezogen habe. Ist das nicht ganz der Pendant zu dem tauben russischen Officier in B., dem der König bei Gelegenheit eines auf den Tisch kommenden Esturgeons zurief: Ce poisson est bien frequent chez vous, und der, auf- stehend, mit einem tiefen Bückling, erwiederte: Oui Sire, je l'ai ete pendant quinze ans.
Rex Judaeorum gab ein prachtvolles Dine, dessen Dessert allein, wie er mir sagte, 100 Lst. kostete. Ich saß neben einer sehr geistreichen Dame, der Freundin des Herzogs von W... Mtss. A.... eine sehr cha- rakteristische, feine, nicht englische Physiognomie. Du kannst Dir denken, welche enragirte Politikerin! Ich habe sie ohne Zweifel nicht wenig ennuyirt, denn erstens bin ich ein Canningianer, zweitens hasse ich die Politik bei Tische. Wir sahen hier viel Pracht. Das Tafelservice war Vermeil und Silber, das zum Dessert, glaube ich, ganz Gold. Auch in der Neben- stube, unter dem Portrait des Fürsten Metternich
Den 29ſten.
Herzlich mußte ich dieſen Morgen über einen jun- gen Lord lachen, dem der Aufenthalt in Paris noch nicht viel genützt hat, und deſſen ſchönes Pferd mehr als er ſelbſt die Blicke im Park auf ſich zog. Quel beau cheval vous avez là, ſagte ich. Ja, erwiederte er mit ſeinem engliſchen Accent: C’est une belle bête, je l’ai fait moi même, et pour cela je lui suis beaucoup attaché. Er wollte ohne Zweifel ſa- gen, daß er es ſelbſt bei ſich aufgezogen habe. Iſt das nicht ganz der Pendant zu dem tauben ruſſiſchen Officier in B., dem der König bei Gelegenheit eines auf den Tiſch kommenden Eſturgeons zurief: Ce poisson est bien fréquent chez vous, und der, auf- ſtehend, mit einem tiefen Bückling, erwiederte: Oui Sire, je l’ai été pendant quinze ans.
Rex Judaeorum gab ein prachtvolles Diné, deſſen Deſſert allein, wie er mir ſagte, 100 Lſt. koſtete. Ich ſaß neben einer ſehr geiſtreichen Dame, der Freundin des Herzogs von W… Mtſſ. A.... eine ſehr cha- rakteriſtiſche, feine, nicht engliſche Phyſiognomie. Du kannſt Dir denken, welche enragirte Politikerin! Ich habe ſie ohne Zweifel nicht wenig ennuyirt, denn erſtens bin ich ein Canningianer, zweitens haſſe ich die Politik bei Tiſche. Wir ſahen hier viel Pracht. Das Tafelſervice war Vermeil und Silber, das zum Deſſert, glaube ich, ganz Gold. Auch in der Neben- ſtube, unter dem Portrait des Fürſten Metternich
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0053"n="37"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 29ſten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Herzlich mußte ich dieſen Morgen über einen jun-<lb/>
gen Lord lachen, dem der Aufenthalt in Paris noch<lb/>
nicht viel genützt hat, und deſſen ſchönes Pferd mehr<lb/>
als er ſelbſt die Blicke im Park auf ſich zog. <hirendition="#aq">Quel<lb/>
beau cheval vous avez là,</hi>ſagte ich. Ja, erwiederte<lb/>
er mit ſeinem engliſchen Accent: <hirendition="#aq">C’est une belle<lb/>
bête, je l’ai fait moi même, et pour cela je lui<lb/>
suis beaucoup attaché.</hi> Er wollte ohne Zweifel ſa-<lb/>
gen, daß er es ſelbſt bei ſich aufgezogen habe. Iſt<lb/>
das nicht ganz der Pendant zu dem tauben ruſſiſchen<lb/>
Officier in B., dem der König bei Gelegenheit eines<lb/>
auf den Tiſch kommenden Eſturgeons zurief: <hirendition="#aq">Ce<lb/>
poisson est bien fréquent chez vous,</hi> und der, auf-<lb/>ſtehend, mit einem tiefen Bückling, erwiederte: <hirendition="#aq">Oui<lb/>
Sire, je l’ai été pendant quinze ans.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Rex Judaeorum</hi> gab ein prachtvolles Din<hirendition="#aq">é,</hi> deſſen<lb/>
Deſſert allein, wie er mir ſagte, 100 Lſt. koſtete. Ich<lb/>ſaß neben einer ſehr geiſtreichen Dame, der Freundin<lb/>
des Herzogs von W… Mtſſ. A.... eine ſehr cha-<lb/>
rakteriſtiſche, feine, <hirendition="#g">nicht</hi> engliſche Phyſiognomie.<lb/>
Du kannſt Dir denken, welche enragirte Politikerin!<lb/>
Ich habe ſie ohne Zweifel nicht wenig ennuyirt,<lb/>
denn erſtens bin ich ein Canningianer, zweitens haſſe<lb/>
ich die Politik bei Tiſche. Wir ſahen hier viel Pracht.<lb/>
Das Tafelſervice war Vermeil und Silber, das zum<lb/>
Deſſert, glaube ich, ganz Gold. Auch in der Neben-<lb/>ſtube, unter dem Portrait des Fürſten Metternich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[37/0053]
Den 29ſten.
Herzlich mußte ich dieſen Morgen über einen jun-
gen Lord lachen, dem der Aufenthalt in Paris noch
nicht viel genützt hat, und deſſen ſchönes Pferd mehr
als er ſelbſt die Blicke im Park auf ſich zog. Quel
beau cheval vous avez là, ſagte ich. Ja, erwiederte
er mit ſeinem engliſchen Accent: C’est une belle
bête, je l’ai fait moi même, et pour cela je lui
suis beaucoup attaché. Er wollte ohne Zweifel ſa-
gen, daß er es ſelbſt bei ſich aufgezogen habe. Iſt
das nicht ganz der Pendant zu dem tauben ruſſiſchen
Officier in B., dem der König bei Gelegenheit eines
auf den Tiſch kommenden Eſturgeons zurief: Ce
poisson est bien fréquent chez vous, und der, auf-
ſtehend, mit einem tiefen Bückling, erwiederte: Oui
Sire, je l’ai été pendant quinze ans.
Rex Judaeorum gab ein prachtvolles Diné, deſſen
Deſſert allein, wie er mir ſagte, 100 Lſt. koſtete. Ich
ſaß neben einer ſehr geiſtreichen Dame, der Freundin
des Herzogs von W… Mtſſ. A.... eine ſehr cha-
rakteriſtiſche, feine, nicht engliſche Phyſiognomie.
Du kannſt Dir denken, welche enragirte Politikerin!
Ich habe ſie ohne Zweifel nicht wenig ennuyirt,
denn erſtens bin ich ein Canningianer, zweitens haſſe
ich die Politik bei Tiſche. Wir ſahen hier viel Pracht.
Das Tafelſervice war Vermeil und Silber, das zum
Deſſert, glaube ich, ganz Gold. Auch in der Neben-
ſtube, unter dem Portrait des Fürſten Metternich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/53>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.