nur als zureichende Sklaven, und doch von derselben Mutter Natur geboren sind -- oder an den Dürfti- gen dachte, der nach des langen Tages angestreng- ter Arbeit die karge ärmliche Nahrung am Abend kaum erschwingen kann, während wir, wie auf jener englischen Carrikatur, überfüllt von Genuß, den Bettler um seinen Hunger beneiden! Darin eben liegt aber vielleicht die Compensation, und un- sere Entschuldigung, daß wir aller dieser guten und gerechten Gefühle ungeachtet (ich schließe von mir auf andere) uns dennoch sehr entrüsten würden, wenn der erwähnte Diener Tantalus einmal mit uns von der wohlbesetzten Tafel zulangen, oder der Arme im unhochzeitlichen Kleide sich selbst bei uns zu Tische bitten wollte. Gott hat es selbst so angeordnet, daß die Einen genießen, die Andern entbehren sollen, und es bleibt so in der Welt! Jedem Ruf der Freude ertönt am andern Ort ein Echoschrei der Angst und Verzweiflung, und wo Raserei sich hier den Kopf zerschmettert, fühlt ein Andrer in demselben Augen- blick das höchste Entzücken der Lust!
Also gräme sich Niemand unnütz darüber, wenn er auch weder verdient noch begreift, warum es ihm besser oder schlechter als Andern geht. Das Schicksal liebt einmal diese bittere Ironie -- drum pflückt, o Menschen, die Blumen kindlich so lange sie blühn, theilt ihren Duft wo ihr könnt, auch Andern mit, und bietet männlich dem eignen Schmerz eine eherne Brust.
nur als zureichende Sklaven, und doch von derſelben Mutter Natur geboren ſind — oder an den Dürfti- gen dachte, der nach des langen Tages angeſtreng- ter Arbeit die karge ärmliche Nahrung am Abend kaum erſchwingen kann, während wir, wie auf jener engliſchen Carrikatur, überfüllt von Genuß, den Bettler um ſeinen Hunger beneiden! Darin eben liegt aber vielleicht die Compenſation, und un- ſere Entſchuldigung, daß wir aller dieſer guten und gerechten Gefühle ungeachtet (ich ſchließe von mir auf andere) uns dennoch ſehr entrüſten würden, wenn der erwähnte Diener Tantalus einmal mit uns von der wohlbeſetzten Tafel zulangen, oder der Arme im unhochzeitlichen Kleide ſich ſelbſt bei uns zu Tiſche bitten wollte. Gott hat es ſelbſt ſo angeordnet, daß die Einen genießen, die Andern entbehren ſollen, und es bleibt ſo in der Welt! Jedem Ruf der Freude ertönt am andern Ort ein Echoſchrei der Angſt und Verzweiflung, und wo Raſerei ſich hier den Kopf zerſchmettert, fühlt ein Andrer in demſelben Augen- blick das höchſte Entzücken der Luſt!
Alſo gräme ſich Niemand unnütz darüber, wenn er auch weder verdient noch begreift, warum es ihm beſſer oder ſchlechter als Andern geht. Das Schickſal liebt einmal dieſe bittere Ironie — drum pflückt, o Menſchen, die Blumen kindlich ſo lange ſie blühn, theilt ihren Duft wo ihr könnt, auch Andern mit, und bietet männlich dem eignen Schmerz eine eherne Bruſt.
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nur als zureichende Sklaven, und doch von derſelben
Mutter Natur geboren ſind — oder an den Dürfti-
gen dachte, der nach des langen Tages angeſtreng-
ter Arbeit die karge ärmliche Nahrung am Abend
kaum erſchwingen kann, während wir, wie auf jener
engliſchen Carrikatur, überfüllt von Genuß, den
Bettler um ſeinen Hunger beneiden! Darin
eben liegt aber vielleicht die Compenſation, und un-
ſere Entſchuldigung, daß wir aller dieſer guten und
gerechten Gefühle ungeachtet (ich ſchließe von mir auf
andere) uns dennoch ſehr entrüſten würden, wenn
der erwähnte Diener Tantalus einmal mit uns von
der wohlbeſetzten Tafel zulangen, oder der Arme im
unhochzeitlichen Kleide ſich ſelbſt bei uns zu Tiſche
bitten wollte. Gott hat es ſelbſt ſo angeordnet, daß
die Einen genießen, die Andern entbehren ſollen,
und es bleibt ſo in der Welt! Jedem Ruf der Freude
ertönt am andern Ort ein Echoſchrei der Angſt und
Verzweiflung, und wo Raſerei ſich hier den Kopf
zerſchmettert, fühlt ein Andrer in demſelben Augen-
blick das höchſte Entzücken der Luſt!
Alſo gräme ſich Niemand unnütz darüber, wenn
er auch weder verdient noch begreift, warum es ihm
beſſer oder ſchlechter als Andern geht. Das Schickſal
liebt einmal dieſe bittere Ironie — drum pflückt, o
Menſchen, die Blumen kindlich ſo lange ſie blühn,
theilt ihren Duft wo ihr könnt, auch Andern mit,
und bietet männlich dem eignen Schmerz eine eherne
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/87>, abgerufen am 22.12.2024.
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