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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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I. Alte Zeiten bis 888.
Sachsen fertig wurde. Seit den oben erwehn-
ten Siegen, die er 783. über sie erfochten hatte,
bequemten sich nach und nach diejenigen Stämme
der Sächsischen Nation, die damals unter den
Namen Westphalen, Engern und Ostphalen begrif-
fen waren. Aber die Wihmoder und Nordalbin-
ger, wie man damals die Einwohner der heuti-
gen Herzogthümer Bremen und Holstein nannte,
waren noch schwer unter das Fränkische Joch zu
bringen. Noch in den Jahren 796. 797. 798.
ließ Carl hier große Verwüstungen anrichten, ohne
doch seinen Zweck zu erreichen. Zuletzt schritt er
zu dem gewaltsamen Mittel, zehn tausend Familien
aus dem Bremischen und Holsteinischen in andere
Gegenden seines Reichs abführen zu laßen, und
ihre Wohnplätze seinen Obotritischen Bundesgenos-
sen einzuräumen. Die Hauptbedingung, unter
welcher sich die Sachsen zum Frieden bequemten,
bestand darin, daß sie nicht als ein unterwürfiges
Volk dem Fränkischen Reiche einverleibt, sondern
mit demselben völlig gleich gehalten werden sollten,
um gleichsam als zwey einander gleiche Völker an
Carln nur einen gemeinsamen Oberherrn zu haben.
(Davon sind durch alle folgende Zeiten bis auf den
heutigen Tag sichtbare Folgen geblieben, daß
Sachsen immer sein eignes Recht gehabt hat, wo-
durch es sich vom übrigen Teutschlande unterschie-
den. Selbst das zweyfache Reichsvicariat, da die
Sächsischen Lande ihr eignes Sächsisches Vicariat
haben, und alle andere Teutsche Länder unter dem
Rheinpfälzischen Vicariate stehen, scheint hier seinen
ersten ursprünglichen Grund zu haben.)


Die

I. Alte Zeiten bis 888.
Sachſen fertig wurde. Seit den oben erwehn-
ten Siegen, die er 783. uͤber ſie erfochten hatte,
bequemten ſich nach und nach diejenigen Staͤmme
der Saͤchſiſchen Nation, die damals unter den
Namen Weſtphalen, Engern und Oſtphalen begrif-
fen waren. Aber die Wihmoder und Nordalbin-
ger, wie man damals die Einwohner der heuti-
gen Herzogthuͤmer Bremen und Holſtein nannte,
waren noch ſchwer unter das Fraͤnkiſche Joch zu
bringen. Noch in den Jahren 796. 797. 798.
ließ Carl hier große Verwuͤſtungen anrichten, ohne
doch ſeinen Zweck zu erreichen. Zuletzt ſchritt er
zu dem gewaltſamen Mittel, zehn tauſend Familien
aus dem Bremiſchen und Holſteiniſchen in andere
Gegenden ſeines Reichs abfuͤhren zu laßen, und
ihre Wohnplaͤtze ſeinen Obotritiſchen Bundesgenoſ-
ſen einzuraͤumen. Die Hauptbedingung, unter
welcher ſich die Sachſen zum Frieden bequemten,
beſtand darin, daß ſie nicht als ein unterwuͤrfiges
Volk dem Fraͤnkiſchen Reiche einverleibt, ſondern
mit demſelben voͤllig gleich gehalten werden ſollten,
um gleichſam als zwey einander gleiche Voͤlker an
Carln nur einen gemeinſamen Oberherrn zu haben.
(Davon ſind durch alle folgende Zeiten bis auf den
heutigen Tag ſichtbare Folgen geblieben, daß
Sachſen immer ſein eignes Recht gehabt hat, wo-
durch es ſich vom uͤbrigen Teutſchlande unterſchie-
den. Selbſt das zweyfache Reichsvicariat, da die
Saͤchſiſchen Lande ihr eignes Saͤchſiſches Vicariat
haben, und alle andere Teutſche Laͤnder unter dem
Rheinpfaͤlziſchen Vicariate ſtehen, ſcheint hier ſeinen
erſten urſpruͤnglichen Grund zu haben.)


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[66/0100] I. Alte Zeiten bis 888. Sachſen fertig wurde. Seit den oben erwehn- ten Siegen, die er 783. uͤber ſie erfochten hatte, bequemten ſich nach und nach diejenigen Staͤmme der Saͤchſiſchen Nation, die damals unter den Namen Weſtphalen, Engern und Oſtphalen begrif- fen waren. Aber die Wihmoder und Nordalbin- ger, wie man damals die Einwohner der heuti- gen Herzogthuͤmer Bremen und Holſtein nannte, waren noch ſchwer unter das Fraͤnkiſche Joch zu bringen. Noch in den Jahren 796. 797. 798. ließ Carl hier große Verwuͤſtungen anrichten, ohne doch ſeinen Zweck zu erreichen. Zuletzt ſchritt er zu dem gewaltſamen Mittel, zehn tauſend Familien aus dem Bremiſchen und Holſteiniſchen in andere Gegenden ſeines Reichs abfuͤhren zu laßen, und ihre Wohnplaͤtze ſeinen Obotritiſchen Bundesgenoſ- ſen einzuraͤumen. Die Hauptbedingung, unter welcher ſich die Sachſen zum Frieden bequemten, beſtand darin, daß ſie nicht als ein unterwuͤrfiges Volk dem Fraͤnkiſchen Reiche einverleibt, ſondern mit demſelben voͤllig gleich gehalten werden ſollten, um gleichſam als zwey einander gleiche Voͤlker an Carln nur einen gemeinſamen Oberherrn zu haben. (Davon ſind durch alle folgende Zeiten bis auf den heutigen Tag ſichtbare Folgen geblieben, daß Sachſen immer ſein eignes Recht gehabt hat, wo- durch es ſich vom uͤbrigen Teutſchlande unterſchie- den. Selbſt das zweyfache Reichsvicariat, da die Saͤchſiſchen Lande ihr eignes Saͤchſiſches Vicariat haben, und alle andere Teutſche Laͤnder unter dem Rheinpfaͤlziſchen Vicariate ſtehen, ſcheint hier ſeinen erſten urſpruͤnglichen Grund zu haben.) Die

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/100>, abgerufen am 10.05.2024.