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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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6) Carolinger im Flor 752-814.
ten angesehen, und weder von der Immunität des
geistlichen Standes, noch von der geistlichen Ge-
richtbarkeit, solche Grundsätze, wie man sie in der
Folge behaupten wollen, hat gelten laßen (g).
Was sich von Hoheitsrechten über Religion und
Kirche sagen läßt, war noch vollständig gnug in
Carls Händen (h); konnte es auch desto sicherer
seyn, da er mit seinen Unterthanen sich zu einer-
ley Religion bekannte, und also die Vermuthung,
für sich hatte, daß er seine Gewalt nicht zum Nach-
theil eben der Religion mißbrauchen würde.


Durch
(g) Doch ward in den Capitularien schon eine
Verordnung aufgenommen, die Constantin dem
Großen zugeschrieben, aber untergeschoben war,
vermöge deren Bischöfen nicht nur gestattet werden
sollte, als Schiedsrichter mit gutem Willen beider
Theile, sondern auch nur auf Ansuchen des einen
Theils, Rechtssachen zu entscheiden. Capitularia
reg. Francor. lib. 6. cap.
366. in Georgisch
corp. iur. Germ. p.
1585. Auch war den Bischö-
fen eine allgemeine Aufsicht über die Sitten anver-
trauet. Capitulare 755. c. 3. Georgisch l. c.
p.
515. Woraus bey den Visitationen, welche die
Bischöfe jährlich in ihren Kirchensprengeln anzustel-
len hatten, eine Art von Sittengerichte unter dem
Namen Send (Synode) erwuchs. Schmidts
Geschichte der Teutschen Th. 1. S. 577. u. f.
(h) Sowohl unter Carl dem Großen als den
vorigen Fränkischen Königen war es üblich, daß
der König die Bischöfe meist selbst ernannte; daß
er die vollkommene Gerichtbarkeit über Bischöfe,
Aebte und andere Geistliche ausübte; daß er ihre
Beschwerden annahm, wenn sie von ihren Oberen
Unrecht zu leiden glaubten; daß er Buß- und Bet-
tage ansetzte; daß ohne besondere königliche Er-
laubniß kein freygebohrner in geistlichen Stand
treten durfte; daß Kirchenversammlungen nur vom
Köni-
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6) Carolinger im Flor 752-814.
ten angeſehen, und weder von der Immunitaͤt des
geiſtlichen Standes, noch von der geiſtlichen Ge-
richtbarkeit, ſolche Grundſaͤtze, wie man ſie in der
Folge behaupten wollen, hat gelten laßen (g).
Was ſich von Hoheitsrechten uͤber Religion und
Kirche ſagen laͤßt, war noch vollſtaͤndig gnug in
Carls Haͤnden (h); konnte es auch deſto ſicherer
ſeyn, da er mit ſeinen Unterthanen ſich zu einer-
ley Religion bekannte, und alſo die Vermuthung,
fuͤr ſich hatte, daß er ſeine Gewalt nicht zum Nach-
theil eben der Religion mißbrauchen wuͤrde.


Durch
(g) Doch ward in den Capitularien ſchon eine
Verordnung aufgenommen, die Conſtantin dem
Großen zugeſchrieben, aber untergeſchoben war,
vermoͤge deren Biſchoͤfen nicht nur geſtattet werden
ſollte, als Schiedsrichter mit gutem Willen beider
Theile, ſondern auch nur auf Anſuchen des einen
Theils, Rechtsſachen zu entſcheiden. Capitularia
reg. Francor. lib. 6. cap.
366. in Georgisch
corp. iur. Germ. p.
1585. Auch war den Biſchoͤ-
fen eine allgemeine Aufſicht uͤber die Sitten anver-
trauet. Capitulare 755. c. 3. Georgisch l. c.
p.
515. Woraus bey den Viſitationen, welche die
Biſchoͤfe jaͤhrlich in ihren Kirchenſprengeln anzuſtel-
len hatten, eine Art von Sittengerichte unter dem
Namen Send (Synode) erwuchs. Schmidts
Geſchichte der Teutſchen Th. 1. S. 577. u. f.
(h) Sowohl unter Carl dem Großen als den
vorigen Fraͤnkiſchen Koͤnigen war es uͤblich, daß
der Koͤnig die Biſchoͤfe meiſt ſelbſt ernannte; daß
er die vollkommene Gerichtbarkeit uͤber Biſchoͤfe,
Aebte und andere Geiſtliche ausuͤbte; daß er ihre
Beſchwerden annahm, wenn ſie von ihren Oberen
Unrecht zu leiden glaubten; daß er Buß- und Bet-
tage anſetzte; daß ohne beſondere koͤnigliche Er-
laubniß kein freygebohrner in geiſtlichen Stand
treten durfte; daß Kirchenverſammlungen nur vom
Koͤni-
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[73/0107] 6) Carolinger im Flor 752-814. ten angeſehen, und weder von der Immunitaͤt des geiſtlichen Standes, noch von der geiſtlichen Ge- richtbarkeit, ſolche Grundſaͤtze, wie man ſie in der Folge behaupten wollen, hat gelten laßen (g). Was ſich von Hoheitsrechten uͤber Religion und Kirche ſagen laͤßt, war noch vollſtaͤndig gnug in Carls Haͤnden (h); konnte es auch deſto ſicherer ſeyn, da er mit ſeinen Unterthanen ſich zu einer- ley Religion bekannte, und alſo die Vermuthung, fuͤr ſich hatte, daß er ſeine Gewalt nicht zum Nach- theil eben der Religion mißbrauchen wuͤrde. Durch (g) Doch ward in den Capitularien ſchon eine Verordnung aufgenommen, die Conſtantin dem Großen zugeſchrieben, aber untergeſchoben war, vermoͤge deren Biſchoͤfen nicht nur geſtattet werden ſollte, als Schiedsrichter mit gutem Willen beider Theile, ſondern auch nur auf Anſuchen des einen Theils, Rechtsſachen zu entſcheiden. Capitularia reg. Francor. lib. 6. cap. 366. in Georgisch corp. iur. Germ. p. 1585. Auch war den Biſchoͤ- fen eine allgemeine Aufſicht uͤber die Sitten anver- trauet. Capitulare 755. c. 3. Georgisch l. c. p. 515. Woraus bey den Viſitationen, welche die Biſchoͤfe jaͤhrlich in ihren Kirchenſprengeln anzuſtel- len hatten, eine Art von Sittengerichte unter dem Namen Send (Synode) erwuchs. Schmidts Geſchichte der Teutſchen Th. 1. S. 577. u. f. (h) Sowohl unter Carl dem Großen als den vorigen Fraͤnkiſchen Koͤnigen war es uͤblich, daß der Koͤnig die Biſchoͤfe meiſt ſelbſt ernannte; daß er die vollkommene Gerichtbarkeit uͤber Biſchoͤfe, Aebte und andere Geiſtliche ausuͤbte; daß er ihre Beſchwerden annahm, wenn ſie von ihren Oberen Unrecht zu leiden glaubten; daß er Buß- und Bet- tage anſetzte; daß ohne beſondere koͤnigliche Er- laubniß kein freygebohrner in geiſtlichen Stand treten durfte; daß Kirchenverſammlungen nur vom Koͤni- E 5

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/107>, abgerufen am 25.11.2024.